{"title":"Die Konstituierung der Bundesrepublik Deutschland als Bundesstaat: Bestimmungsfaktoren und Entscheidungen 1945–1949","authors":"R. Hrbek","doi":"10.5771/9783748901174-39","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Am 23. Mai 1949 stellte der Parlamentarische Rat gemäß Artikel 145, Abs. 1 GG die Annahme des Grundgesetzes fest, fertigte es aus und verkündete es; gemäß Artikel 145, Abs. 2 GG trat es mit Ablauf des Tages der Verkündigung in Kraft. Das waren, ungefähr vier Jahre nach der bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reiches, die letzten Schritte auf dem Weg zur Konstituierung der Bundesrepublik Deutschland als der Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches. Nur bei sehr oberflächlicher Betrachtungsweise wird man die Auffassung vertreten können, dieser Entwicklungsprozess sei geradlinig verlaufen und sein Ergebnis, die am 23. Mai 1949 mit dem Inkrafttreten eines Verfassungsdokuments (es erhielt die Bezeichnung „Grundgesetz“) erfolgte Gründung eines westdeutschen Staates, sei so und nicht anders zu erwarten gewesen. Tatsächlich handelte es sich bei diesem Prozess um ein sehr komplexes Geschehen, in das Akteure mit unterschiedlichen Vorstellungen und Zielsetzungen involviert waren und das unter dem Einfluss von sich rasch ändernden Rahmenbedingungen, die von den Akteuren auch ganz unterschiedlich perzipiert wurden, stand. Was die Akteure betrifft, standen als Folge der bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reiches, verbunden mit dem Fehlen deutscher politischer Instanzen, und der Übernahme der vollen und umfassenden Regierungsgewalt auf dem Gebiet des Deutschen Reiches durch die alliierten Siegermächte1, die drei westlichen Besatzungsmächte im Mittelpunkt; später kamen Repräsentanten deutscher Politik, primär die Ministerpräsidenten der von den drei West-Alliierten gebildeten deutschen Länder, hinzu. Bei den Rahmenbedingungen handelte es sich zum einen um Gegebenheiten des internationalen Systems, nämlich das Auseinanderbrechen der Anti-Hitler-Koalition und die Ausbildung der Ost-West-Konfrontation („Kalter Krieg“); zum anderen um die ökonomische und soziale Situation in den drei westlichen Besatzungszonen. Es ist das Ziel dieses Beitrags, die Komplexität des Geschehens – also der Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland – zu verdeutlichen und die Etappen des Prozesses, der mit der Ausarbeitung und Inkraftsetzung des Grundgesetzes in die Konstituierung der Bundesrepublik mündete, in Erinnerung zu rufen.2 Besonderes Augenmerk wird dabei der Erörterung des Umstands gewidmet sein, dass – und warum – die Bundesrepublik","PeriodicalId":178344,"journal":{"name":"Jahrbuch des Föderalismus 2019","volume":"162 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"1900-01-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Jahrbuch des Föderalismus 2019","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.5771/9783748901174-39","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"","JCRName":"","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Am 23. Mai 1949 stellte der Parlamentarische Rat gemäß Artikel 145, Abs. 1 GG die Annahme des Grundgesetzes fest, fertigte es aus und verkündete es; gemäß Artikel 145, Abs. 2 GG trat es mit Ablauf des Tages der Verkündigung in Kraft. Das waren, ungefähr vier Jahre nach der bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reiches, die letzten Schritte auf dem Weg zur Konstituierung der Bundesrepublik Deutschland als der Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches. Nur bei sehr oberflächlicher Betrachtungsweise wird man die Auffassung vertreten können, dieser Entwicklungsprozess sei geradlinig verlaufen und sein Ergebnis, die am 23. Mai 1949 mit dem Inkrafttreten eines Verfassungsdokuments (es erhielt die Bezeichnung „Grundgesetz“) erfolgte Gründung eines westdeutschen Staates, sei so und nicht anders zu erwarten gewesen. Tatsächlich handelte es sich bei diesem Prozess um ein sehr komplexes Geschehen, in das Akteure mit unterschiedlichen Vorstellungen und Zielsetzungen involviert waren und das unter dem Einfluss von sich rasch ändernden Rahmenbedingungen, die von den Akteuren auch ganz unterschiedlich perzipiert wurden, stand. Was die Akteure betrifft, standen als Folge der bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reiches, verbunden mit dem Fehlen deutscher politischer Instanzen, und der Übernahme der vollen und umfassenden Regierungsgewalt auf dem Gebiet des Deutschen Reiches durch die alliierten Siegermächte1, die drei westlichen Besatzungsmächte im Mittelpunkt; später kamen Repräsentanten deutscher Politik, primär die Ministerpräsidenten der von den drei West-Alliierten gebildeten deutschen Länder, hinzu. Bei den Rahmenbedingungen handelte es sich zum einen um Gegebenheiten des internationalen Systems, nämlich das Auseinanderbrechen der Anti-Hitler-Koalition und die Ausbildung der Ost-West-Konfrontation („Kalter Krieg“); zum anderen um die ökonomische und soziale Situation in den drei westlichen Besatzungszonen. Es ist das Ziel dieses Beitrags, die Komplexität des Geschehens – also der Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland – zu verdeutlichen und die Etappen des Prozesses, der mit der Ausarbeitung und Inkraftsetzung des Grundgesetzes in die Konstituierung der Bundesrepublik mündete, in Erinnerung zu rufen.2 Besonderes Augenmerk wird dabei der Erörterung des Umstands gewidmet sein, dass – und warum – die Bundesrepublik