{"title":"Self-Knowledge as a Technology of the Self: Foucault and Wittgenstein on the Practice of Philosophy","authors":"Jörg Volbers","doi":"10.1515/9783110330595.111","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Eine der Grundgedanken des Wittgenstein'schen Spatwerks ist das Primat der Praxis: Um Worter und Handlungen zu verstehen, ist es unverzichtbar, selbst Teilnehmer an diesen Sprachspielen und ihrer Lebensform zu sein. Aus dieser Position heraus deutet Wittgenstein die philosophische Selbsterkenntnis, die Reflexion auf das eigene Sein und Tun, radikal um. Sie ist fur ihn keine Erkenntnis eines Gegenstandes, sondern eine Form der „Arbeit an Einem selbst“, wie er es nennt. In voller Konsequenz wird das Primat der Praxis auf die philosophische Erkenntnis selbst ausgeweitet: Philosophieren ist demnach kein kognitiver Akt, sondern eine praktische Ubung. Die philosophische Einsicht ist fur Wittgenstein verbunden mit einer auch korperlich gedachten Arbeit an der eigenen Wahrnehmung und an den eigenen Fahigkeiten. Der Vortrag zeigt, dass diese Idee der Philosophie einen doppelten Grund hat. Zum einen ist sie eine systematische Konsequenz aus dem Primat der Praxis, die auch das Denken selbst als Praktik zu begreifen versucht. Dieser Philosophiebegriff reagiert auf ein methodisches Problem, auf das der theoretisch-kognitive Erkenntnisbegriff keine Antwort finden kann. Wittgensteins Philosophieverstandnis steht andererseits in einer Tradition der „geistigen Ubungen“ (Hadot), die von der Antike bis zur fruhen Neuzeit reichte. Mit Foucault formuliert, bestimmt Wittgenstein Philosophie als eine Selbsttechnik, als eine Praxis, die darauf zielt, das Verhaltnis zu sich selbst zu transformieren. Aus dieser Perspektive zeichnet sich ein neues Bild des Philosophierens ab, das diese Praxis ethisch-politisch situiert, ohne sie in diesen Dimensionen aufgehen zu lassen.","PeriodicalId":317292,"journal":{"name":"From ontos verlag: Publications of the Austrian Ludwig Wittgenstein Society - New Series","volume":"59 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2013-11-12","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"From ontos verlag: Publications of the Austrian Ludwig Wittgenstein Society - New Series","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.1515/9783110330595.111","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"","JCRName":"","Score":null,"Total":0}
引用次数: 0
Abstract
Eine der Grundgedanken des Wittgenstein'schen Spatwerks ist das Primat der Praxis: Um Worter und Handlungen zu verstehen, ist es unverzichtbar, selbst Teilnehmer an diesen Sprachspielen und ihrer Lebensform zu sein. Aus dieser Position heraus deutet Wittgenstein die philosophische Selbsterkenntnis, die Reflexion auf das eigene Sein und Tun, radikal um. Sie ist fur ihn keine Erkenntnis eines Gegenstandes, sondern eine Form der „Arbeit an Einem selbst“, wie er es nennt. In voller Konsequenz wird das Primat der Praxis auf die philosophische Erkenntnis selbst ausgeweitet: Philosophieren ist demnach kein kognitiver Akt, sondern eine praktische Ubung. Die philosophische Einsicht ist fur Wittgenstein verbunden mit einer auch korperlich gedachten Arbeit an der eigenen Wahrnehmung und an den eigenen Fahigkeiten. Der Vortrag zeigt, dass diese Idee der Philosophie einen doppelten Grund hat. Zum einen ist sie eine systematische Konsequenz aus dem Primat der Praxis, die auch das Denken selbst als Praktik zu begreifen versucht. Dieser Philosophiebegriff reagiert auf ein methodisches Problem, auf das der theoretisch-kognitive Erkenntnisbegriff keine Antwort finden kann. Wittgensteins Philosophieverstandnis steht andererseits in einer Tradition der „geistigen Ubungen“ (Hadot), die von der Antike bis zur fruhen Neuzeit reichte. Mit Foucault formuliert, bestimmt Wittgenstein Philosophie als eine Selbsttechnik, als eine Praxis, die darauf zielt, das Verhaltnis zu sich selbst zu transformieren. Aus dieser Perspektive zeichnet sich ein neues Bild des Philosophierens ab, das diese Praxis ethisch-politisch situiert, ohne sie in diesen Dimensionen aufgehen zu lassen.