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Abstract
Die Verfechter des kapitalistischen Marktsystems pflegen dieses mindestens gegenuber der Offentlichkeit nach wie vor mit seiner komparativen Effizienz zu verteidigen, die sie mit der an Preisen orientierten Entscheidungslogik der Markt konkurrenz zu begrunden versuchen. Auf abstrakter wissenschaftlicher Ebene han delt es sich dabei hauptsachlich um die inzwischen in ein zentrales mathemati sches Theorem der modernen Wohlfahrtsokonomik ubersetzte Behauptung, die sich schon bei Adam Smith findet, das die Entscheidungslogik eines dezen tralisierten Preissystems die individuelle egoistische Verfolgung partikularer Praferenzen und Interessen wie durch eine unsichtbare Hand in die Richtung des Allgemeinwohls lenkt, welches man prazise mit dem Begriff des Pareto Optimums beschreibt. Das dieses Theorem in mehr oder weniger vulgarisierter Form immer noch das zentrale Rechtfertigungsmuster kapitalistischer Okonomien abgeben kann, entspricht mehr der Standfestigkeit der kapitalistischen Ideologie als dem inzwischen erreichten ziemlich festen Stand der Wissenschaft. Man kann namlich erstens zeigen, das das Pareto-Optimum insofern ein sehr dubioses Kri terium gesamtgesellschaftlicher Wohlfahrt ist, als es ohne zusatzliche Gerechtig keitsnormen keine eindeutige Losung bietet auser jener, welche unmittelbar an die herrschende Vermogensund Einkommensverteilung anknupft und damit diese sanktioniert. Zweitens ist nachgewiesen, das die Bedingungen des Theorems selbst im Idealfall nicht jene der Realitat sind, weil wesentliche gesellschaftliche Aspekte gegenuber dem an unabhangigen Individuen orientierten Marktkonzept „extern" sind und so von diesem nicht erfast werden konnen, wobei die grund legende Externalitat schon in einer nicht berucksichtigten bzw. erst zu spat uber den Markt konzipierten Gesellschaftlichkeit der Individuen liegt. Wenn aber die Bedingungen des Theorems verletzt sind, wird nicht einmal die fur sich genom men ohnedies dubiose Pareto-Optimalitat erreicht, und die Theorie des soge nannten „Zweitbesten* hat daruber hinaus klar bewiesen, das die partielle Re paratur verletzter Bedingungen im Gesamtzusammenhang das Ergebnis nicht verbessert, sondern eher verschlechtert. Diese Kritik hat das wissenschaftliche Interesse in verstarktem Mase auf gesell schaftliche Entscheidungsmechanismen gelenkt, die nicht notwendig am Markt orientiert und so unter Umstanden eher in der Lage sind, dessen Defizienzen zu vermeiden. Hierbei konnte und kann man sich z. B. auf die im Rahmen der