{"title":"Der Doppelcharakter biografischer Krisen","authors":"Walter Gehres","doi":"10.1515/sosi-2015-0203","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Thema dieses Beitrages sind biographische Krisen, genauer ihr Doppelcharakter, der sich in verschiedenen Facetten zeigt: als traumatisierende Krise bei einem „kritischen“ (Fillipp 1997) oder nicht-normativen Lebensereignis wie Partnerverlust, schwere chronischer Erkrankung, Unfall usw., als existenzielle Krise beim Scheitern an zentralen Statuspassagen des Lebenslaufs wie Berufseinmündung, Familiengründung, etc., einer so genannten normativen Krise, als Orientierungskrise angesichts gesellschaftlichen Wandels, von Kriegsereignissen oder Naturkatastrophen, einem Krisentypus in dem normative und nicht-normative Aspekte ineinanderfließen. Im folgenden selektiven Überblick über einige zentrale Konzepte zu biographischen Krisenerfahrungen erhebe ich nicht den Anspruch den zahlreichen Ansätzen einen Neuen hinzufügen, sondern der Überblick soll die Problematik moderner Krisenerfahrungen, vor allem aus soziologischer Perspektive illustrieren und auf die möglichen Potentiale von Krisen als entwicklungsfördernde Erfahrungen an einem Beispiel aus der eigenen Forschung im Kontext von Fremdunterbringung von Kindern und Jugendlichen in Pflegefamilien vorbereiten. Heuristische Implikationen am Beispiel eines Forschungsdesiderats runden den Beitrag ab. Der Diskurs über Krisen im Allgemeinen ist facettenreich und letztlich, wenn man Gerhard Schulzes Essay (2011) über das Alarmdilemma liest, relativ und konstruiert: Krisen sind, so Schulze „Normalitätsbrüche und manchmal Normalitätskatastrophen (...) jeder sieht doch, was normal ist! Mag sein, aber jeder sieht auf seine Weise“ (a. a. O.: 84-85). Daher macht Schulze es sich zur Aufgabe, Elemente einer „Relativitätstheorie der Krise“ zu beschreiben. Auch bei ihm zeigt sich ein Doppelcharakter von Krisen insofern, dass er auf ein Dilemma hinweist, das darin besteht, dass Krisendiskurse immer implizite Normalitätsmodelle beinhalten und dabei häufig nicht zwischen","PeriodicalId":110821,"journal":{"name":"Sozialer Sinn","volume":"16 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2015-11-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"2","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Sozialer Sinn","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.1515/sosi-2015-0203","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"","JCRName":"","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Thema dieses Beitrages sind biographische Krisen, genauer ihr Doppelcharakter, der sich in verschiedenen Facetten zeigt: als traumatisierende Krise bei einem „kritischen“ (Fillipp 1997) oder nicht-normativen Lebensereignis wie Partnerverlust, schwere chronischer Erkrankung, Unfall usw., als existenzielle Krise beim Scheitern an zentralen Statuspassagen des Lebenslaufs wie Berufseinmündung, Familiengründung, etc., einer so genannten normativen Krise, als Orientierungskrise angesichts gesellschaftlichen Wandels, von Kriegsereignissen oder Naturkatastrophen, einem Krisentypus in dem normative und nicht-normative Aspekte ineinanderfließen. Im folgenden selektiven Überblick über einige zentrale Konzepte zu biographischen Krisenerfahrungen erhebe ich nicht den Anspruch den zahlreichen Ansätzen einen Neuen hinzufügen, sondern der Überblick soll die Problematik moderner Krisenerfahrungen, vor allem aus soziologischer Perspektive illustrieren und auf die möglichen Potentiale von Krisen als entwicklungsfördernde Erfahrungen an einem Beispiel aus der eigenen Forschung im Kontext von Fremdunterbringung von Kindern und Jugendlichen in Pflegefamilien vorbereiten. Heuristische Implikationen am Beispiel eines Forschungsdesiderats runden den Beitrag ab. Der Diskurs über Krisen im Allgemeinen ist facettenreich und letztlich, wenn man Gerhard Schulzes Essay (2011) über das Alarmdilemma liest, relativ und konstruiert: Krisen sind, so Schulze „Normalitätsbrüche und manchmal Normalitätskatastrophen (...) jeder sieht doch, was normal ist! Mag sein, aber jeder sieht auf seine Weise“ (a. a. O.: 84-85). Daher macht Schulze es sich zur Aufgabe, Elemente einer „Relativitätstheorie der Krise“ zu beschreiben. Auch bei ihm zeigt sich ein Doppelcharakter von Krisen insofern, dass er auf ein Dilemma hinweist, das darin besteht, dass Krisendiskurse immer implizite Normalitätsmodelle beinhalten und dabei häufig nicht zwischen