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Abstract
Beim Erwerb von Kunstgegenstanden muss das Recht in seiner sozialen Steuerungsfunktion einen Ausgleich von Eigentumsschutz und Verkehrsschutz schaffen: Im Interesse der Eigentumer – einschlieslich der Erben ursprunglicher Eigentumer – liegt die Aufrechterhaltung der Ursprungsposition; im Interesse potentieller Erwerber liegt eine bestandskraftige Neuordnung der Eigentumsposition zu ihren Gunsten. Zugleich kann das Privatrecht auch offentliche Anliegen integrieren – sicher die Schaffung von Rechtsfrieden und Rechtssicherheit, vielleicht aber auch Allgemeinwohlbelange wie das offentliche Interesse an der offentlichen Sichtbarkeit bedeu-tender Kunstwerke. Die erste Weichenstellung fur das sachenrechtliche Schicksal von Kunstgegenstanden stellt das internationale Privatrecht. Uber die abschliesende Eigentumszuordnung entscheidet dann das jeweils anwendbare materielle Sachenrecht. Das osterreichische Kollisionsrecht bewirkt ebenso wie das osterreichische Sachenrecht de lege lata einen angemessenen Ausgleich von Eigentumsschutz und Verkehrsschutz. Im osterreichischen Internationalen Sachenrecht ist auch bei Kunstgegenstanden gem § 31 Abs 1 IPRG an die lex rei sitae anzuknupfen. § 7 IPRG ermoglicht eine angemessene Behandlung der daraus resultierenden Probleme des Statutenwechsels. Auch der Vindikationsanspruch und seine Verjahrung unterliegen im osterreichischen Kollisionsrecht der lex rei sitae. Im osterreichischen Sachenrecht bewirken die §§ 367 und 368 ABGB einen angemessenen Ausgleich von Eigentumsschutz und Verkehrsschutz, wenn man die in § 368 Abs 2 ABGB angelegten Nachforschungsobliegenheiten fruchtbar werden lasst. So kann das Sachenrecht auch dazu beitragen, dass die Erwerber von Kunstgegenstanden besondere Sorgfalt walten lassen und in Zweifelsfallen die Provenienz der Werke erforschen. Dieser Ansatz lasst auch eine rechtsfortbildende Beweislastumkehr bezuglich der Gutglaubigkeit entbehrlich werden. Die Regeln der Ersitzung schaffen auch bei Kunstgegenstanden einen erganzenden Verkehrsschutz, der zum Rechtsfrieden beitragt. Schlieslich verhindert die Unverjahrbarkeit des Vindikationsanspruchs die dogmatisch, rechtspolitisch und verfassungsrechtlich zweifelhafte Verfestigung eines Eigentums ohne Sachherrschaft.