{"title":"„Wir sind allzumal Sünder“ – Der Verbrecher als Sünder und Bruder","authors":"T. Kaufmann","doi":"10.5771/9783748922186-89","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Die Rede von der Sünde gehört gewiss zu den abständigsten, mit dem Selbstverständnis eines autonomen, eigenverantwortlichen Subjekts nicht zu vereinbarenden Zumutungen der christlich-jüdischen Tradition.1 „Aufklärung“ impliziert, so scheint es, die Fesseln jener Fremdbestimmung zu sprengen, mit der die Rede von der „Sünde“ die Menschheit beschwert und behaftet. Dass ein Aufklärer vom Schlage Immanuel Kants seinen Philosophenmantel gleichwohl mit dem „radikalen Bösen“ beschlabberte2, verargte ihm der Weimarer Olympier sehr3; aber zu denken gibt es doch. Insbesondere die dramatischste Variante der Sündenlehre in der westlichen Christentumstradition widerstreitet, so scheint es, einem an Autonomie, Selbstverantwortung und persönlicher Schuldfähigkeit orientierten Menschenbild. Denn in der lateinischen Tradition wurde im Anschluss an den Kirchenvater Augustin die Lehre von der Uroder Erbsünde, dem peccatum haereditarium, ausgebildet, gepflegt und tradiert.4 Noch Luther folgte ihr, weshalb er, wie der einem lutherischen Pfarrhaus glücklich entronI.","PeriodicalId":215954,"journal":{"name":"Das sogenannte Böse","volume":"82 12 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2020-11-16","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Das sogenannte Böse","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.5771/9783748922186-89","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"","JCRName":"","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Die Rede von der Sünde gehört gewiss zu den abständigsten, mit dem Selbstverständnis eines autonomen, eigenverantwortlichen Subjekts nicht zu vereinbarenden Zumutungen der christlich-jüdischen Tradition.1 „Aufklärung“ impliziert, so scheint es, die Fesseln jener Fremdbestimmung zu sprengen, mit der die Rede von der „Sünde“ die Menschheit beschwert und behaftet. Dass ein Aufklärer vom Schlage Immanuel Kants seinen Philosophenmantel gleichwohl mit dem „radikalen Bösen“ beschlabberte2, verargte ihm der Weimarer Olympier sehr3; aber zu denken gibt es doch. Insbesondere die dramatischste Variante der Sündenlehre in der westlichen Christentumstradition widerstreitet, so scheint es, einem an Autonomie, Selbstverantwortung und persönlicher Schuldfähigkeit orientierten Menschenbild. Denn in der lateinischen Tradition wurde im Anschluss an den Kirchenvater Augustin die Lehre von der Uroder Erbsünde, dem peccatum haereditarium, ausgebildet, gepflegt und tradiert.4 Noch Luther folgte ihr, weshalb er, wie der einem lutherischen Pfarrhaus glücklich entronI.