{"title":"Wandlungen der Dido-Figur in Text und Bild. Vergil, ‚Roman d’Eneas‘, Veldeke und die Illustrationen des cpg 403","authors":"Bettina Peterli","doi":"10.5771/9783956505140-233","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Vergils Aeneis (Aen.), das Nationalepos, das dem römischen Kaiserreich seinen mythologischen Ursprung lieferte, wurde im Mittelalter nicht nur gelesen und kommentiert, sondern auch produktiv rezipiert, wie das Beispiel der Liebeslieder in den Carmina Burana (CB)1 zeigt. Dort wird das bei Vergil nur angedeutete Gespräch zwischen der liebeskranken Dido und ihrer Schwester Anna ausgeführt (CB 98), die Trennung von dem Trojaner Eneas und ihr unvermeidbarer Tod in der Folge von Dido selbst reflektiert (CB 100), dann aber auch Eneas’ in der Aeneis fehlende Reaktion auf die Nachricht von Didos Schicksal geschildert (CB 99). Die beiden mittelalterlichen Adaptionen, die sich anders als die Carmina Burana nicht nur mit Episoden und Einzelaspekten befassen, sondern aus dem Epos einen Roman gestaltet haben, stellen Wiedererzählungen des antiken Textes dar, welcher seinerseits eine Wiederaufnahme eines vorhandenen Stoffes repräsentiert. Bei diesen mittelalterlichen Adaptionen handelt es sich um den altfranzösischen Roman d’Eneas (RdE) eines Anonymus um 1160 und den Eneasroman (En.) Heinrichs von Veldeke um 1185/90, der den altfranzösischen Text übernommen, den Inhalt aber gerade in der Feinausgestaltung den veränderten Bedürfnissen seines Publikums angepasst hat. Dieses Wiedererzählen im Mittelalter sei hier als ein „ambitioniertes Neu und anders Erzählen des Überlieferten“2 aufgefasst. Was das heißt, möchte ich im Folgenden anhand der Didofigur erläutern. Gezeigt werden soll, dass die Renarrativierung des Eneas-Stoffes unter dem Vorzeichen höfischer Wertvorstellungen steht; anschließend soll die Wei-","PeriodicalId":242261,"journal":{"name":"Renarrativierung in der Vormoderne","volume":"44 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2019-11-14","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Renarrativierung in der Vormoderne","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.5771/9783956505140-233","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"","JCRName":"","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Vergils Aeneis (Aen.), das Nationalepos, das dem römischen Kaiserreich seinen mythologischen Ursprung lieferte, wurde im Mittelalter nicht nur gelesen und kommentiert, sondern auch produktiv rezipiert, wie das Beispiel der Liebeslieder in den Carmina Burana (CB)1 zeigt. Dort wird das bei Vergil nur angedeutete Gespräch zwischen der liebeskranken Dido und ihrer Schwester Anna ausgeführt (CB 98), die Trennung von dem Trojaner Eneas und ihr unvermeidbarer Tod in der Folge von Dido selbst reflektiert (CB 100), dann aber auch Eneas’ in der Aeneis fehlende Reaktion auf die Nachricht von Didos Schicksal geschildert (CB 99). Die beiden mittelalterlichen Adaptionen, die sich anders als die Carmina Burana nicht nur mit Episoden und Einzelaspekten befassen, sondern aus dem Epos einen Roman gestaltet haben, stellen Wiedererzählungen des antiken Textes dar, welcher seinerseits eine Wiederaufnahme eines vorhandenen Stoffes repräsentiert. Bei diesen mittelalterlichen Adaptionen handelt es sich um den altfranzösischen Roman d’Eneas (RdE) eines Anonymus um 1160 und den Eneasroman (En.) Heinrichs von Veldeke um 1185/90, der den altfranzösischen Text übernommen, den Inhalt aber gerade in der Feinausgestaltung den veränderten Bedürfnissen seines Publikums angepasst hat. Dieses Wiedererzählen im Mittelalter sei hier als ein „ambitioniertes Neu und anders Erzählen des Überlieferten“2 aufgefasst. Was das heißt, möchte ich im Folgenden anhand der Didofigur erläutern. Gezeigt werden soll, dass die Renarrativierung des Eneas-Stoffes unter dem Vorzeichen höfischer Wertvorstellungen steht; anschließend soll die Wei-