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Abstract
Wie es um das Verhältnis von Archiv und Edition bestellt sein müsste, scheint auf den ersten Blick klar zu sein: Das Archiv sammelt und verwahrt die Dokumente in ihrer physischen Materialität. Die Edition wertet die Dokumente aus und erarbeitet Präsentationsformen der in diesen Dokumenten beinhalteten Medieninhalte. Und wenn wir in unserem spezifischen Zusammenhang, nämlich dem der Literatur, diese Medieninhalte betrachten, so handelt es sich dabei in der Regel um schriftliche Texte. Folglich präsentiert die Edition den Text der Dokumente, während das Archiv den physischen Träger mitsamt der originalen Niederschrift in seiner ursprünglichen Materialität verwahrt und bewahrt, also schützend lagert und somit seine Erhaltung und Benutzung gewährleistet. Insofern handelt es sich bei Archiv und Edition um unterschiedliche Wissensformationen – also unterschiedliches Wissen produzierende und inkarnierende Instanzen,1 wobei der Formationsbegriff durchaus an Michel Foucaults Vorstellung der „diskursiven Formation“ anschließen kann, nämlich für den „Fall, in dem man bei den Objekten, den Typen der Äußerung, den Begriffen, den thematischen Entscheidungen eine Regelmäßigkeit (eine Ordnung, Korrelationen, Positionen und Abläufe, Transformationen) definieren könnte“ (Foucault 1973, 58). Ganz jenseits metaphorischer Archivbegriffe, wie sie als Zeitschriftentitel auftauchen – zuerst übrigens im Zusammenhang des geschichtswissenschaftlichen Editionsprojekts der Monumenta Germaniae Historica die ab 1820 erscheinende Zeitschrift Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtkunde zur Beförderung einer Gesammtausgabe der Quellenschriften deutscher Geschichten des Mittelalters (vgl. Lütteken 2016, 51) – oder im diskursanalytischen Zugriff auf Textmengen genutzt werden,2 geht es im Folgenden allein um die lebensweltliche Instanz des gegenständlichen Archivs. Dieses Archiv ist zunächst eine Sammlungsstätte, also ein Gebäude oder eine Räumlichkeit, in der Material verwahrt