{"title":"Editorial: Zwischen Rekonstruktion und Präskription. Entwicklungsprozesse in Schule und Unterricht verstehen","authors":"M. Schierz, Till-Sebastian Idel, Merle Hummrich","doi":"10.3224/zisu.v11i1.01","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"https://doi.org/10.3224/zisu.v11i1.01 In Prozessen der Schulund Unterrichtsentwicklung werden generalisierte Entwicklungserwartungen an Schulen und Lehrer:innen adressiert. Schulen werden als kollektive Handlungseinheiten „imaginiert“ (Lambrecht 2021), denen Verantwortlichkeit für die Lösung gesellschaftlicher Probleme und Herausforderungen übertragen wird. Unabgeschlossen und kaum systematisiert lassen sich einige derzeit der Schulund Unterrichtsentwicklung aufgegebene Themen exemplarisch aneinanderreihen: Digitalisierung, Inklusion, Ganztag, Kompetenzorientierung, Individualisierung und Öffnung der Lernkultur, Migration, Bildung für nachhaltige Entwicklung, Demokratieförderung usw. Lehrpersonen werden im Kontext solcher Entwicklungsbeauftragungen als Kreativsubjekte formiert, die in gemeinschaftlichem Handeln Veränderungen als Fortschritt und Optimierung schulischer Bildungsarbeit den Weg bereiten sollen (Idel/Rabenstein 2016). Die Erwartung, von Kontinuität auf Wandel umzustellen, ohne die Verlässlichkeit und Leistungsfähigkeit von Schule als zentralem gesellschaftlichen Problemlösungsmechanismus einzubüßen, ist heute zur bildungspolitischen und schulpädagogischen Normalanforderung an Einzelschulen als „lernende“ Organisationen wie auch an Lehrkräfte und ihre Professionalisierung geworden. Die Schulund Unterrichtsentwicklungsforschung, die diese Reformund Veränderungsprozesse begleitet, entstand in engen und zumeist anwendungsorientierten Bezügen zu den Ausdifferenzierungen und Problemlagen der im Systemkontext programmatisch intendierten und praktizierten Entwicklungsarbeit an Einzelschulen. Die Bezugsprobleme der Schulund Unterrichtsentwicklung, die in diesem Feld als nicht nur anwendungs-, sondern auch grundlagenorientierte Theorieprojekte in Handbüchern und Sammelbänden benannt werden, unterscheiden sich zwar erheblich, wenn Reformen aus schultheoretischer oder aus unterrichtstheoretischer Sicht in den Blick genommen werden (Moldenhauer et al. 2021, Bohl/Schnebel 2021). In beiden Fällen wird man auf einer entsprechend abstrakten und übergeordneten Ebene dennoch Entwicklungsarbeit in gemeinsamer Perspektive als ein mehrdimensionales und vielschichtiges, relationales und soziales Geschehen begreifen, in dem Kontinuität und Wandel keinen Dualismus bilden, sondern in praxeologischer Hinsicht als Figurationen des einen im anderen zu verstehen sind, um die zu analysierende Reformprozesse angemessen zu charakterisieren (vgl. Moldenhauer et al. 2021, 5). Eine sinnverstehende Entwicklungsforschung in den Fachdidaktiken und der Schulpädagogik macht – so könnte man den gemeinsamen Gegenstand sehr übergreifend fassen – Veränderungsvorhaben zum Thema, indem sie das handelnde Zusammenwirken in der hervorgebrachten Praxis und die jeweilige Entwicklung analysiert. Dazu eröffnet sie Zugänge zu einer Analyse des situierten Vollzugs, der Zeitlichkeit und Prozesssualität von Entwicklung. Untersucht wird die heuristische Logik von Entwicklungsvorhaben","PeriodicalId":134874,"journal":{"name":"ZISU – Zeitschrift für interpretative Schul- und Unterrichtsforschung","volume":"30 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2022-06-17","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"ZISU – Zeitschrift für interpretative Schul- und Unterrichtsforschung","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.3224/zisu.v11i1.01","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"","JCRName":"","Score":null,"Total":0}
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Abstract
https://doi.org/10.3224/zisu.v11i1.01 In Prozessen der Schulund Unterrichtsentwicklung werden generalisierte Entwicklungserwartungen an Schulen und Lehrer:innen adressiert. Schulen werden als kollektive Handlungseinheiten „imaginiert“ (Lambrecht 2021), denen Verantwortlichkeit für die Lösung gesellschaftlicher Probleme und Herausforderungen übertragen wird. Unabgeschlossen und kaum systematisiert lassen sich einige derzeit der Schulund Unterrichtsentwicklung aufgegebene Themen exemplarisch aneinanderreihen: Digitalisierung, Inklusion, Ganztag, Kompetenzorientierung, Individualisierung und Öffnung der Lernkultur, Migration, Bildung für nachhaltige Entwicklung, Demokratieförderung usw. Lehrpersonen werden im Kontext solcher Entwicklungsbeauftragungen als Kreativsubjekte formiert, die in gemeinschaftlichem Handeln Veränderungen als Fortschritt und Optimierung schulischer Bildungsarbeit den Weg bereiten sollen (Idel/Rabenstein 2016). Die Erwartung, von Kontinuität auf Wandel umzustellen, ohne die Verlässlichkeit und Leistungsfähigkeit von Schule als zentralem gesellschaftlichen Problemlösungsmechanismus einzubüßen, ist heute zur bildungspolitischen und schulpädagogischen Normalanforderung an Einzelschulen als „lernende“ Organisationen wie auch an Lehrkräfte und ihre Professionalisierung geworden. Die Schulund Unterrichtsentwicklungsforschung, die diese Reformund Veränderungsprozesse begleitet, entstand in engen und zumeist anwendungsorientierten Bezügen zu den Ausdifferenzierungen und Problemlagen der im Systemkontext programmatisch intendierten und praktizierten Entwicklungsarbeit an Einzelschulen. Die Bezugsprobleme der Schulund Unterrichtsentwicklung, die in diesem Feld als nicht nur anwendungs-, sondern auch grundlagenorientierte Theorieprojekte in Handbüchern und Sammelbänden benannt werden, unterscheiden sich zwar erheblich, wenn Reformen aus schultheoretischer oder aus unterrichtstheoretischer Sicht in den Blick genommen werden (Moldenhauer et al. 2021, Bohl/Schnebel 2021). In beiden Fällen wird man auf einer entsprechend abstrakten und übergeordneten Ebene dennoch Entwicklungsarbeit in gemeinsamer Perspektive als ein mehrdimensionales und vielschichtiges, relationales und soziales Geschehen begreifen, in dem Kontinuität und Wandel keinen Dualismus bilden, sondern in praxeologischer Hinsicht als Figurationen des einen im anderen zu verstehen sind, um die zu analysierende Reformprozesse angemessen zu charakterisieren (vgl. Moldenhauer et al. 2021, 5). Eine sinnverstehende Entwicklungsforschung in den Fachdidaktiken und der Schulpädagogik macht – so könnte man den gemeinsamen Gegenstand sehr übergreifend fassen – Veränderungsvorhaben zum Thema, indem sie das handelnde Zusammenwirken in der hervorgebrachten Praxis und die jeweilige Entwicklung analysiert. Dazu eröffnet sie Zugänge zu einer Analyse des situierten Vollzugs, der Zeitlichkeit und Prozesssualität von Entwicklung. Untersucht wird die heuristische Logik von Entwicklungsvorhaben