5. Wie grammatikalisierte Kategorien die Ereigniskonzeptualisierung für die Sprachproduktion prägen: Erkenntnisse aus Sprachanalysen, Messungen der Augenbewegungen und Gedächtnisleistungsexperimenten
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Abstract
Wahrnehmung und Konzeptualisierung von Ereignissen werden zum Teil von Fak toren wie Aufgabenstellung oder der gewählten Perspektive geprägt. Dies bele gen Studien, die Phänomene wie Unaufmerksamkeitsblindheit (Mack/Rock 1998) und Veränderungsblindheit während der Informationsaufnahme untersuchen (Simons/Levin 1997; Simons 2000). Wird beispielsweise ein Zeuge vor Gericht gebeten, sich über ein Ereignis zu äußern, wird seine Antwort sowohl durch die (z.B. zeitliche und räumliche) Einbettung des Ereignisses selbst, als auch durch die Natur der Frage bestimmt: ‘Was haben Sie zu diesem Zeitpunkt eigentlich beobachtet?’ oder: ‘Wie sah der Bankräuber aus?’. In beiden Fällen wird sich die Informationsauswahl und strukturierung in der Sprachproduktion unterschei den. Vor der Versprachlichung muss der Sprecher sein Wissen über das Ereignis als Ganzes aktivieren, das, was er in Worte fassen will, selektieren, und anschlie ßend über die Reihenfolge, in der es präsentiert werden soll, entscheiden. Dabei handelt es sich um hochautomatisierte Prozesse, die der Konzeptualisierung bei der Sprachproduktion entsprechen: jenem Prozess, in welchem der Sprecher Informationen für die Verbalisierung vorbereitet, bevor diese an den Formulator weitergeleitet werden (Levelt 1989). Offensichtlich beeinflusst die durch die expli zite oder implizite Fragestellung festgelegte Beschaffenheit der verbalen Aufgabe diese Anfangsprozesse der Sprachproduktion. Offen bleibt jedoch, ob und inwie weit Sprachverarbeitung auch durch die strukturellen Merkmale des jeweiligen Sprachsystems beeinflusst werden. Oder anders ausgedrückt: Ist die Realisierung der präverbalen Botschaft auf der Ebene des Konzeptualisierers zu einem gewis sen Grade sprachspezifisch? Eine Form der Sprachspezifität resultiert aus den in einer gegebenen Sprache lexikalisierten oder grammatikalisierten Merkmalen, da beide Kategorien Einfluss darauf nehmen, wie Ereignisse oder Teile von Ereignis sen wahrgenommen, konzeptualisiert und versprachlicht werden. Ein Bereich, für den diese Frage relevant ist, sind die Zeitkategorien und hier besonders der Begriff des Aspekts, der die Perspektive beeinflusst, aus der spezi fische temporale Eigenschaften eines Ereignisses dargestellt werden. Beispiels