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Abstract
Die Verbindung von Platonismus und Christentum ist für die Geistesgeschichte Europas von der Spätantike an von grundlegender Bedeutung. Das Christentum bedarf in besonderer Weise der Interpretation seines Glaubens, weil dessen Inhalte ganz verschiedenen kulturellen Welten entstammen, nämlich den Vorstellungswelten des Judentums und der griechischen Weltkultur der Antike. Seit Clemens von Alexandria und Origenes rezipierten Christen zur Interpretation ihres Glaubens zentrale Motive der Philosophie Platons und der an ihn anknüpfenden Tradition. Der Platonismus galt bereits zwei Jahrhunderte früher dem jüdischen Philosophen Philon von Alexandria als diejenige Gestalt des griechischen Denkens, die mit ihrer Ausrichtung auf Transzendenz und Einheit eine adäquate philosophische Erfassung des biblischen Monotheismus ermöglicht. Die von Philon angebahnte Verbindung von platonischer Metaphysik und biblischer Offenbarung war für die entstehende christliche Theologie von kaum zu überschätzender Bedeutung. Der Platonismus wiederum übte den stärksten und nachhaltigsten Einfluss auf das Denken der nachantiken Epochen durch seine christliche Rezeption aus. Diese setzte früh ein und intensivierte sich in mehreren Schüben während der gesamten Spätantike. Augustinus fand, niemand sei den Christen so nahe wie die Platoniker. Das Christentum übernahm, mit unabschätzbaren Folgen für die gesamte weitere Geschichte Europas, vom Platonismus die Ausrichtung auf die Transzendenz des Absoluten, die Überzeugung vom Primat des Geistes als der eigentlichen und höchsten Wirklichkeit sowie eine geistbezogene, intellektualistische Sicht des Menschen und der Welt. So wurden das Römische Reich und seine griechische _____________