{"title":"Von Rindfleisch, Tabak, Futtermitteln und Insidern – Verfassungsrechtliches Konfliktpotential bei Blankettstrafgesetzen","authors":"Carina Dorneck","doi":"10.5771/9783845297613-9","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"„[W]ie ein irrender Körper seine Seele sucht“, so suche eine Blankettvorschrift die sie ausfüllende Norm. Mit diesen Worten verglich Binding in seinem Werk „Normen und ihre Übertretung, Band 1“ aus dem Jahr 1922 die Blankettstrafgesetze.1 Blankettstrafgesetze sind solche Normen, die zur Vervollständigung des Straftatbestandes auf andere gesetzliche Bestimmungen verweisen. Der Gegenstand der Verhaltensnorm, auf der die Strafdrohung beruht, wird also erst durch die Regelung erkennbar, auf die im Strafgesetz verwiesen wird (Verweisungsobjekt).2 Das bedeutet aber, dass nicht unmittelbar erkennbar ist, welches Verhalten Unrecht darstellt. Dass solche Tatbestände insbesondere im Hinblick auf das in Art. 103 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich verankerte Bestimmtheitsgebot problematisch sind, liegt damit auf der Hand. Der Beschluss des BVerfG zum Rindfleischetikettierungsgesetz aus dem Jahr 2016 sowie die Entscheidung des BVerfG zum Finanzmarktnovellierungsgesetz aus dem vergangenen Jahr zeigen, dass fast 100 Jahre später Bindings Aussage auch heute noch den Zahn der Zeit trifft. Man könnte sich sogar zu der gewagten These hinreißen lassen, dass die Frage nach Blankettstrafgesetzen und ihrer Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben aktueller ist denn je, wird das Wirtschafts-, Steueroder Umweltstrafrecht betrachtet. 2008 behauptete Rotsch noch, dass „[n]icht nur in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, auch in der strafrechtswissenschaftlichen Literatur [...] das Bestimmtheitsgebot derzeit keine Konjunktur“ habe.3 Gute zehn Jahre später sieht dies schon wieder anders aus. Dies soll mit vorliegendem Beitrag nachgewiesen werden. A.","PeriodicalId":421411,"journal":{"name":"Der Allgemeine Teil des Strafrechts in der aktuellen Rechtsprechung","volume":"86 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"1900-01-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Der Allgemeine Teil des Strafrechts in der aktuellen Rechtsprechung","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.5771/9783845297613-9","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"","JCRName":"","Score":null,"Total":0}
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Abstract
„[W]ie ein irrender Körper seine Seele sucht“, so suche eine Blankettvorschrift die sie ausfüllende Norm. Mit diesen Worten verglich Binding in seinem Werk „Normen und ihre Übertretung, Band 1“ aus dem Jahr 1922 die Blankettstrafgesetze.1 Blankettstrafgesetze sind solche Normen, die zur Vervollständigung des Straftatbestandes auf andere gesetzliche Bestimmungen verweisen. Der Gegenstand der Verhaltensnorm, auf der die Strafdrohung beruht, wird also erst durch die Regelung erkennbar, auf die im Strafgesetz verwiesen wird (Verweisungsobjekt).2 Das bedeutet aber, dass nicht unmittelbar erkennbar ist, welches Verhalten Unrecht darstellt. Dass solche Tatbestände insbesondere im Hinblick auf das in Art. 103 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich verankerte Bestimmtheitsgebot problematisch sind, liegt damit auf der Hand. Der Beschluss des BVerfG zum Rindfleischetikettierungsgesetz aus dem Jahr 2016 sowie die Entscheidung des BVerfG zum Finanzmarktnovellierungsgesetz aus dem vergangenen Jahr zeigen, dass fast 100 Jahre später Bindings Aussage auch heute noch den Zahn der Zeit trifft. Man könnte sich sogar zu der gewagten These hinreißen lassen, dass die Frage nach Blankettstrafgesetzen und ihrer Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben aktueller ist denn je, wird das Wirtschafts-, Steueroder Umweltstrafrecht betrachtet. 2008 behauptete Rotsch noch, dass „[n]icht nur in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, auch in der strafrechtswissenschaftlichen Literatur [...] das Bestimmtheitsgebot derzeit keine Konjunktur“ habe.3 Gute zehn Jahre später sieht dies schon wieder anders aus. Dies soll mit vorliegendem Beitrag nachgewiesen werden. A.