{"title":"Muscatblut, trefflich gut?","authors":"A. Rudolph","doi":"10.1515/9783110666816-010","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Als der Schriftsteller Marcel Beyer in den Jahren 2015 und 2016 dem Auftrag des Münchner Lyrik Kabinetts nachkam, sich in eine ‚Zwiesprache‘ mit einer verstorbenen Lyrikerin oder einem verstorbenen Lyriker zu begeben, widmete er sich – zur Überraschung seiner Auftraggeber und seines Publikums – dem Liederdichter Muskatblut.1 Ausgangspunkt war seine Recherche, dass mit dem Einsturz des Kölner Historischen Archivs 2009 die wichtigste Handschrift des Berufsdichters, der in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts als Fahrender bezeugt ist und vermutlich zeitweise im Dienst des Mainzer Hofes stand,2 verschüttgegangen war. Was er durch diesen Verlust entdeckte, stellte sich als ein Dichter heraus, der, so Beyers Pointe, „nie eine Entdeckung war“:3 Weder seinen Texten noch ihrer ersten Edition durch Eberhard von Groote konnte die ältere Forschung etwas abgewinnen; sie bescheinigte den Liedern einen „recht öden und durch individuelle züge selten lohnenden inhalt“.4 Auch in der Folge stand der Sänger lange Zeit kaum im Blickpunkt des Forschungsinteresses. „Muskatblut:“, schreibt Marcel Beyer, „schlecht erforscht, schlecht ediert und schlecht gedichtet. Wir haben einen Verlierer der Literaturgeschichte vor uns [...]“.5 Während Beyer diesen Befund in eine vielschichtige Auseinandersetzung mit Verlust und Erinnerung einbettet, lässt er sich aus aktueller mediävistischer Perspektive in Teilen relativieren. Nicht nur liegen mit den Arbeiten von Eva","PeriodicalId":231971,"journal":{"name":"Geistliche Liederdichter zwischen Liturgie und Volkssprache","volume":"55 9","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2020-07-06","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Geistliche Liederdichter zwischen Liturgie und Volkssprache","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.1515/9783110666816-010","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"","JCRName":"","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Als der Schriftsteller Marcel Beyer in den Jahren 2015 und 2016 dem Auftrag des Münchner Lyrik Kabinetts nachkam, sich in eine ‚Zwiesprache‘ mit einer verstorbenen Lyrikerin oder einem verstorbenen Lyriker zu begeben, widmete er sich – zur Überraschung seiner Auftraggeber und seines Publikums – dem Liederdichter Muskatblut.1 Ausgangspunkt war seine Recherche, dass mit dem Einsturz des Kölner Historischen Archivs 2009 die wichtigste Handschrift des Berufsdichters, der in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts als Fahrender bezeugt ist und vermutlich zeitweise im Dienst des Mainzer Hofes stand,2 verschüttgegangen war. Was er durch diesen Verlust entdeckte, stellte sich als ein Dichter heraus, der, so Beyers Pointe, „nie eine Entdeckung war“:3 Weder seinen Texten noch ihrer ersten Edition durch Eberhard von Groote konnte die ältere Forschung etwas abgewinnen; sie bescheinigte den Liedern einen „recht öden und durch individuelle züge selten lohnenden inhalt“.4 Auch in der Folge stand der Sänger lange Zeit kaum im Blickpunkt des Forschungsinteresses. „Muskatblut:“, schreibt Marcel Beyer, „schlecht erforscht, schlecht ediert und schlecht gedichtet. Wir haben einen Verlierer der Literaturgeschichte vor uns [...]“.5 Während Beyer diesen Befund in eine vielschichtige Auseinandersetzung mit Verlust und Erinnerung einbettet, lässt er sich aus aktueller mediävistischer Perspektive in Teilen relativieren. Nicht nur liegen mit den Arbeiten von Eva