{"title":"天上的火在人的地上","authors":"M. Ciccuto","doi":"10.1515/dante-2020-0006","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Riassunto Dante widmet der Beschreibung von Naturphänomenen große Sorgfalt: ganz gleich, ob es um die Bewegung der Sterne oder um die Mondflecken, um geologische Formationen oder das Verhalten von Tieren, die Bewegungen der Erdkugel oder die vielfältigen Phänomene des Lichts geht. Der Dichter, der seinen Blick auf die irdische Physik richtet, legt großen Wert auf die Kenntnis und Beschreibung des mundus elementatum – dies bereits in den Rime petrose, um nur ein Beispiel zu nennen. Nur scheinbar ist diese Welt von jeder sakralen oder himmlischen Perspektive deutlich abgeschieden (man denke nur an die Themen des Schattens oder des Winters, die alle Elemente der Physik miteinzubeziehen scheinen, oder an gewisse Stellen in Inferno XXIV und XXVI, wo die Bedeutung von Zeichen, die vom Himmel kommen, zwar bestätigt wird, diese aber zugleich so gelesen werden, als seien sie auf die irdische Welt projiziert); in Wirklichkeit trägt sie die Bedeutungen einer höheren, ›sakralen‹ Ebene fast immer schon vom Anfang an in sich. Das beste Beispiel dafür ist der berühmte Vergleich des villanello in Inferno XXVI, wo die Zeichen und Elemente der physischen Natur auf eine Lesart zugerichtet werden, die eher eine jenseitige Hoffnung ausdrückt denn menschliche Schläue. Die menschliche Kondition selbst, eingeschränkt auf begrenzte, ›niedere‹ Werte, erfährt in Dantes Reflexion eine regelrechte Umwertung: Einmal dort, wo es um den Unterschiede zwischen Machen und Erschaffen geht, einmal in der Diskussion über die Mondflecken, wo sich die bezwingende Vorstellung einer Sakralität, die – gut augustinisch – allen menschlichen Dingen innewohnt, einen Weg bahnt. Dieser Umstand wird an vielen Stellen der Commedia deutlich, an denen die Erscheinungsform des Feuers stets ein irdisches Vergleichsmoment mit sich führt. Bis am Ende alles seine deutlichste Auflösung in Beatrices Gesang erfährt, der den ganzen Kosmos in einer Perspektive erfasst, die sich endlich von der Höhe in die Tiefe richtet, um dann in einen Tanz der Sterne zu münden und in die Affirmation eines Feuers und eines Leuchtens, die ›anders‹ sind als die physischen Phänomene, auch wenn sie immer noch umgeben sind von einem Rest Nostalgie für das Menschliche, das nicht weniger werden wird, nicht einmal in der visio ultima des paradiesischen Feuers.","PeriodicalId":11276,"journal":{"name":"Deutsches Dante-Jahrbuch","volume":"26 1","pages":"69 - 79"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2020-09-23","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"1","resultStr":"{\"title\":\"Il fuoco del cielo nella terra degli uomini\",\"authors\":\"M. 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Nur scheinbar ist diese Welt von jeder sakralen oder himmlischen Perspektive deutlich abgeschieden (man denke nur an die Themen des Schattens oder des Winters, die alle Elemente der Physik miteinzubeziehen scheinen, oder an gewisse Stellen in Inferno XXIV und XXVI, wo die Bedeutung von Zeichen, die vom Himmel kommen, zwar bestätigt wird, diese aber zugleich so gelesen werden, als seien sie auf die irdische Welt projiziert); in Wirklichkeit trägt sie die Bedeutungen einer höheren, ›sakralen‹ Ebene fast immer schon vom Anfang an in sich. Das beste Beispiel dafür ist der berühmte Vergleich des villanello in Inferno XXVI, wo die Zeichen und Elemente der physischen Natur auf eine Lesart zugerichtet werden, die eher eine jenseitige Hoffnung ausdrückt denn menschliche Schläue. Die menschliche Kondition selbst, eingeschränkt auf begrenzte, ›niedere‹ Werte, erfährt in Dantes Reflexion eine regelrechte Umwertung: Einmal dort, wo es um den Unterschiede zwischen Machen und Erschaffen geht, einmal in der Diskussion über die Mondflecken, wo sich die bezwingende Vorstellung einer Sakralität, die – gut augustinisch – allen menschlichen Dingen innewohnt, einen Weg bahnt. Dieser Umstand wird an vielen Stellen der Commedia deutlich, an denen die Erscheinungsform des Feuers stets ein irdisches Vergleichsmoment mit sich führt. 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Riassunto Dante widmet der Beschreibung von Naturphänomenen große Sorgfalt: ganz gleich, ob es um die Bewegung der Sterne oder um die Mondflecken, um geologische Formationen oder das Verhalten von Tieren, die Bewegungen der Erdkugel oder die vielfältigen Phänomene des Lichts geht. Der Dichter, der seinen Blick auf die irdische Physik richtet, legt großen Wert auf die Kenntnis und Beschreibung des mundus elementatum – dies bereits in den Rime petrose, um nur ein Beispiel zu nennen. Nur scheinbar ist diese Welt von jeder sakralen oder himmlischen Perspektive deutlich abgeschieden (man denke nur an die Themen des Schattens oder des Winters, die alle Elemente der Physik miteinzubeziehen scheinen, oder an gewisse Stellen in Inferno XXIV und XXVI, wo die Bedeutung von Zeichen, die vom Himmel kommen, zwar bestätigt wird, diese aber zugleich so gelesen werden, als seien sie auf die irdische Welt projiziert); in Wirklichkeit trägt sie die Bedeutungen einer höheren, ›sakralen‹ Ebene fast immer schon vom Anfang an in sich. Das beste Beispiel dafür ist der berühmte Vergleich des villanello in Inferno XXVI, wo die Zeichen und Elemente der physischen Natur auf eine Lesart zugerichtet werden, die eher eine jenseitige Hoffnung ausdrückt denn menschliche Schläue. Die menschliche Kondition selbst, eingeschränkt auf begrenzte, ›niedere‹ Werte, erfährt in Dantes Reflexion eine regelrechte Umwertung: Einmal dort, wo es um den Unterschiede zwischen Machen und Erschaffen geht, einmal in der Diskussion über die Mondflecken, wo sich die bezwingende Vorstellung einer Sakralität, die – gut augustinisch – allen menschlichen Dingen innewohnt, einen Weg bahnt. Dieser Umstand wird an vielen Stellen der Commedia deutlich, an denen die Erscheinungsform des Feuers stets ein irdisches Vergleichsmoment mit sich führt. Bis am Ende alles seine deutlichste Auflösung in Beatrices Gesang erfährt, der den ganzen Kosmos in einer Perspektive erfasst, die sich endlich von der Höhe in die Tiefe richtet, um dann in einen Tanz der Sterne zu münden und in die Affirmation eines Feuers und eines Leuchtens, die ›anders‹ sind als die physischen Phänomene, auch wenn sie immer noch umgeben sind von einem Rest Nostalgie für das Menschliche, das nicht weniger werden wird, nicht einmal in der visio ultima des paradiesischen Feuers.