Wegweisender Auftakt, A. Probst, Prof. Annette Probst
{"title":"Wegweisender前奏","authors":"Wegweisender Auftakt, A. Probst, Prof. Annette Probst","doi":"10.1055/s-0029-1245200","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Korrespondenzadresse Prof. Annette Probst HAWK FH Hildesheim/Holzminden/Göttingen Soziale Arbeit und Gesundheit Goschentor 1 31134 Hildesheim Probst@hawk-hhg.de Noch ist das Jahr 2010 nur wenige Wochen alt, schon zeichnen sich wegweisende gesundheitspolitische Veränderungen ab, die das Gesundheitswesen in Deutschland unter der schwarzgelben Regierungskoalition nehmen wird. Hier nur einige „Zeitzeichen“: Der oberste „Pharmawächter“ Peter Sawicki, Leiter des 2004 gegründeten Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) muss gehen. Sawicki zeigte sich konsequent als Interessenvertreter der Versicherten gegenüber der Arzneimittelindustrie und als Gegner eines ausufernden Gesundheitswesens. Nun können wir gespannt sein, wer seine Nachfolge antreten wird. Es ist nicht zu vermuten, dass sich derzeit ein Kandidat mit einer kritischen Geisteshaltung durchsetzen wird. Der Gesundheitsminister trifft Personalentscheidungen, deren klientelpolitische Absichten kaum zu verhehlen sind. So ernennt er den PKV-Manager Christian Weber zum Leiter der Grundsatzabteilung in seinem Bundesministerium. Hier wird sich Weber vermutlich mit der geplanten Umstellung der beitragsfinanzierten Krankenversicherung auf Prämien befassen. Die gesetzlich möglichen Zusatzbeiträge zum Krankenkassenbeitrag von wenigstens 8 Euro sind schon durchgesetzt. Es zeichnet sich also deutlich der Umbau des Gesundheitswesens hin zu einer Kopfpauschale ab – ein Begriff, den die Befürworter aus Union und FDP wegen der Assoziation zu „Kopfgeldjäger“ lieber vermeiden und in Gesundheitsprämie umgetauft haben. Der Gesundheitsminister will die Beiträge zur Krankenversicherung vom Gehalt entkoppeln. Das wäre das Ende einer großen und klugen Institution, des solidarisch finanzierten Gesundheitssystems. Die gesundheitspolitische Umwelt, in die die Physiotherapie eingebettet ist, ist im Wandel begriffen. Das zieht Veränderungsprozesse in der Physiotherapie nach sich, auf die sie Antworten finden muss und wird. Veränderungen bieten auch immer eine Chance, sich neu zu positionieren, sich aktiv am Wandel zu beteiligen und sich in diesem als präsente gut vorbereitete Akteure und Partner in der Gesundheitsversorgung zu zeigen. Dazu bietet z.B. die anstehende Novellierung der Heilmittelrichtlinien schon eine erste Gelegenheit. Soweit vom Gemeinsamen Bundesausschuss bekannt, soll der Richtlinientext neu strukturiert werden. Im Entwurf, der den Heilmittelverbänden zur Stellungnahme vorgelegt ist, heißt es in §3 Absatz 5 „Voraussetzung der Verordnung“: „Die Indikation für die Verordnung von Heilmitteln ergibt sich nicht aus der Diagnose allein, sondern nur dann, wenn unter Gesamtbetrachtungen (ICF) der funktionellen/strukturellen Schädigungen, der Beeinträchtigung der Aktivitäten (Fähigkeitsstörungen) unter Berücksichtigung der individuellen Kontextfaktoren in Bezug auf Person und Umwelt einen Heilmittelanwendung notwendig ist“ [2]. Die Tatsache, dass die ICF-Domänen bei der Diagnosestellung berücksichtigt werden sollen, ist eine kluge Idee und ein Erfolg der unermüdlichen Bemühungen der Verfechter der ICF. Möglicherweise ergeben sich daraus – als eine Konsequenz unter mehreren – präzisere Diagnosen; vorausgesetzt, die ICF ist bei allen Akteuren bekannt bzw. kann von diesen umgesetzt und in praktisches Handeln überführt werden. Sicherlich steckt darin der Auftrag einer ausführlicheren Anamnese und Diagnostik an die verordnenden Ärzte. Ob das unter den bestehenden personalen, organisatorischen und strukturellen Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen möglich sein wird, möchte ich Ihrer Phantasie überlassen. Die Physiotherapie, so meine Beobachtung, ist inzwischen gut auf die Umsetzung der ICF vorbereitet. Diese Beobachtung stützt sich auf mehrere Faktoren: Zunehmend zeigen Absolventen der Berufsfachschulen ein Fundament an ICF-Kenntnissen, an den Fachhochschulen ist die ICF in den Modulen fester Bestandteil des Wissensund Kompetenzerwerbs. Sichtet man die Veröffentlichungen in der Physiotherapie zu diesem Thema, so finden sich nicht allein in der physioscience viele Arbeiten, die ICF-basierte Grundannahmen enthalten. Jetzt gilt es meines Erachtens, für die Physiotherapie zu zeigen und dafür auch politisch einzutreten, dass ihr Tun und Handeln im Sinne einer klugen Gesundheitsversorgung für ihre Klienten und Patienten auf alle Ebenen der ICF Einfluss nimmt, da der Gegenstand ihres Handelns Bewegungshandlung [1] ist und bekanntlich Leben Bewegung ist und damit die Förderung von Bewegung(-shandlung) das Leben fördert. Mischen wir uns also selbstbewusst ein, um den Wandel im Gesundheitswesen aktiv mitzugestalten! Jetzt!","PeriodicalId":42379,"journal":{"name":"Physio-Geo","volume":null,"pages":null},"PeriodicalIF":0.9000,"publicationDate":"2010-03-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":"{\"title\":\"Wegweisender Auftakt\",\"authors\":\"Wegweisender Auftakt, A. 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Im Entwurf, der den Heilmittelverbänden zur Stellungnahme vorgelegt ist, heißt es in §3 Absatz 5 „Voraussetzung der Verordnung“: „Die Indikation für die Verordnung von Heilmitteln ergibt sich nicht aus der Diagnose allein, sondern nur dann, wenn unter Gesamtbetrachtungen (ICF) der funktionellen/strukturellen Schädigungen, der Beeinträchtigung der Aktivitäten (Fähigkeitsstörungen) unter Berücksichtigung der individuellen Kontextfaktoren in Bezug auf Person und Umwelt einen Heilmittelanwendung notwendig ist“ [2]. Die Tatsache, dass die ICF-Domänen bei der Diagnosestellung berücksichtigt werden sollen, ist eine kluge Idee und ein Erfolg der unermüdlichen Bemühungen der Verfechter der ICF. Möglicherweise ergeben sich daraus – als eine Konsequenz unter mehreren – präzisere Diagnosen; vorausgesetzt, die ICF ist bei allen Akteuren bekannt bzw. kann von diesen umgesetzt und in praktisches Handeln überführt werden. 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