Die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Themenbereich Politik und Verwaltung in Deutschland, Österreich und der Schweiz

Aufgaben, Tatigkeit und Selbstverstandnis von Verwaltungen haben sich in den letzten Jahrzehnten im gesamten deutschsprachigen Raum vom ehedem geltenden Leitbild des Vollzugs rechtlicher Normen entfernt. In Verwaltungsreformdebatten und in der Umsetzung konkreter Reformen etwa im Haushaltsrecht und der Verwaltungssteuerung wird die selbstbewusste und verantwortungsvoll handelnde Verwaltung der politischen Leitungsebene bewusst gegenubergestellt. Ebenso ist es ublich und wird erwartet, dass offentlich Bedienstete Probleme, die fur losungsbedurftig gehalten werden, identifizieren und Losungsvorschlage erarbeiten. Sie koordinieren sich mit anderen AkteurInnen im Bereich von Verwaltung, Wissenschaft, Stakeholdern und Politik. Sie verfassen Politikpapiere, politische Reden und wirken masgeblich an der uberwiegenden Mehrheit der Gesetzentwurfe, mit denen sich das osterreichische Parlament beschaftigt, mit. Offentlich Bedienstete bestimmen die Anwendungspraxis von Gesetzen und Verordnungen, adaptieren diese durch Ausbildung von sozialen Praktiken und Konventionen fur die Verwaltungspraxis und sind auch dadurch MitgestalterInnen von Politik. Schlieslich beurteilen sie Masnahmen, schlagen Evaluationen vor und machen Vorschlage zur Veranderung von Politikmasnahmen. Staatliche Informationsund Serviceleistungen liegen ebenso wie die Regulierung wirtschaftlicher, technischer oder sozialpolitischer Aktivitaten weithin im alleinigen Verantwortungsbereich offentlich Bediensteter. Diese Tatigkeiten sind so jedoch weit bekannt, werden aber nur in geringem Ausmas einer wissenschaftlichen Untersuchung unterzogen. Dies gilt auch fur die Politikwissenschaft in den deutschsprachigen Landern, besonders aber fur Osterreich. In diesem Heftschwerpunkt mochten wir einen Zugang zur Praxis der wissenschaftlichen Beschaftigung mit dem Thema Politik und Verwaltung in Deutschland, Osterreich und der Schweiz und damit Anknupfungspunkte fur die – vergleichende – Politikund Verwaltungswissenschaft schaffen. Die zentrale Frage dabei ist: Wie entwickelt sich die wissenschaftliche Beschaftigung mit Politik und Verwaltung in den drei deutschsprachigen Landern und wie lasst sich jeweils der Entwicklungsstand der Forschung in den drei Landern begrunden? Der Schwerpunkt der Untersuchung soll dabei auf den letzten 30 Jahren liegen. In Deutschland sind in den letzten 30 Jahren zwei Sonderhefte der Politischen Vierteljahresschrift erschienen, die sich mit dem Thema Politik und Verwaltung auseinandergesetzt haben (zuletzt 2006 im Umfang von etwas weniger als 600 Seiten). In der Schweiz und in Osterreich stehen derartige Wegmarkierungen noch aus. Allerdings gibt es in der Schweiz und in Deutschland eine durchgehende Beschaftigung der Politikwissenschaft mit dem Thema Verwaltung, die sich auch in Lehrstuhlen und (MA-)Lehrgangen niederschlagt. In Osterreich gibt es eine eher randstandige Beschaftigung mit diesem Themenbereich, was u.a. auch auf das Fehlen einer breiteren verwaltungswissenschaftlichen Tradition im Land zuruckzufuhren ist. Auch Rechtswissenschaft und Betriebswirtschaft setzen sich in Osterreich weniger als in den beiden anderen deutschsprachigen Landern mit den Beziehungen zwischen Politik und Verwaltung auseinander. Was alle drei Lander hingegen eint, ist, dass es im Vergleich zu den meisten angelsachsischen