{"title":"威斯特伐利亚和平与威斯特伐利亚体制","authors":"G. Schmidt","doi":"10.5771/9783845299822-431","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Das Westfälische System ist nicht am Ende, sondern steht vor einer großen Zukunft. Diese These ist die Konsequenz einer Neueinschätzung des Westfälischen Friedens.1 Als multilateral garantiertes Grundgesetz für das Heilige Römische Reich deutscher Nation entsprach er den Sicherheitsbedürfnissen der Reichsstände und der europäischen Nachbarn. Einen europäischen Frieden gab es 1648 nicht; der Krieg zwischen Frankreich und Spanien ging weiter. Über eine auf Souveränität und einem territorial begrenzten Gewaltmonopol, auf Gleichrangigkeit und Interventionsverzicht gründende europäische Staatenordnung findet sich im Westfälischen Frieden kein Wort. Auch für die Behauptung, dass der Westfälische Frieden den Krieg reguliert und ihn als Recht jedes Souveräns festgeschrieben habe, sodass die „Äquivalenz der Souveräne an die Stelle der Hierarchie“ mit dem Kaiser an der Spitze getreten sei, findet sich im Vertragstext kein Beleg.2 Dass das Westfälische System als Erklärungsmodell der internationalen Beziehungen im späten 20. Jahrhundert kollabierte, ist die Folge einer fragwürdigen Inanspruchnahme. Die auf Susan Stranges Begriffsprägung zurückgehende griffige Formel „from Westfalia to Westfailure“3 ist zum geflügelten Wort geworden. Sie hat dazu geführt, dass der Wert des Westfälischen Friedens für die heutige, unsicher und ungewiss gewordene Welt unentdeckt geblieben ist. Erklärungsbedürftig ist daher (1.), warum das Souveränitätsmuster auf den Frieden von 1648 projiziert wurde und wird. 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