新的反犹之争

IF 0.1 4区 哲学 0 RELIGION
H. Reuter
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Auch über seine wichtigsten historischen Ausdrucksformen besteht weitgehend Einigkeit: den religiösen Antijudaismus des traditionellen Christentums, den im Mittelalter aufkommenden sozialen Antisemitismus, der an die Abdrängung der Juden in bestimmte Berufe (namentlich solche der Handelsund Kapitalsphäre) anknüpft, den (anti-)modernen europäischen Antisemitismus mit seinen verschwörungsmythischen, nationalistischen und rassistischen Ideologien, sowie den spezifisch deutschen sekundären Antisemitismus, der sich als Schuldabwehr-Reaktion auf die Verbrechen des Nationalsozialismus darstellt, den Holocaust leugnet bzw. relativiert oder qua Täter-Opfer-Umkehr die Juden beispielsweise bezichtigt, aus Auschwitz Profit zu schlagen. Gibt es seit der Jahrtausendwende über den altbekannten hinaus einen neuen, israelbezogenen Antisemitismus? 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摘要

到了140年前,德意志帝国的头条引起了争议,首都的知识分子们为犹太人实现统一的能力大吵了一场激烈的争论。这一辩论不仅助长了犹太复国主义,而且在它作为柏林反犹主义者之争进入犹太人历史册之前很久,犹太人仇视了19世纪。世纪原始的概念:可持续的受欢迎度的反犹»«.这是个错误的概念—因为他不是指犹太人,而是指语言一家。这就需要精确反犹太主义其实是指仇恨驱动的、用文化表现模式来歧视犹太人的人。我们对其重要的历史表现形式也有大致的共识:传统基督教的宗教Antijudaismus、中世纪的社会反犹太人的毒品问题在某些职业(包括这种Handelsund Kapitalsphäre)纪录,与其verschwörungsmythischen(反)现代欧洲的反犹主义、民族主义和种族主义意识形态,以及德国反犹,针对性他表现的是对纳粹犯罪的在押反应,否认并否认纳粹大屠杀,或者至少否认大屠杀数千年来,以以色列为基础的反犹太主义是否在旧人们的面前诞生了呢?其说法是反犹太的陈词滥调会适用于以色列国家,还是不一样的是针对以色列所有国籍的犹太人进行政治批评?他是否对穆斯林移民作出回应,还是对中东冲突作出反应?反对反犹主义和以色列批评的区别何在?那么新的左翼反犹主义是否也像大多数的老式反犹主义一样从右翼出现呢?结果是舆论,发现以及它的解释都受到了争议。到目前为止,当你追查反犹主义犯罪——关于哈诺的犹太教堂的凶残袭击令人震惊的记忆——2019年政府数据表明,这类犯罪中有93.4%属于右翼,与政治动机相关。这类反犹事件的受害者的自报还可编于已被公布的反犹事件花旗联盟(恐怖分子恐怖分子,黎波里)的官方记录中,认为这是一个明显的标志性事件,具有政治权利(极)的背景。评论
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Der neue Antisemitismusstreit
Vor 140 Jahren machte im deutschen Kaiserreich eine Kontroverse Schlagzeilen, in der Intellektuelle der Hauptstadt heftig über die Integrationsfähigkeit der Juden in die deutsche Nation stritten. Die Debatte schob nicht nur den politischen Zionismus kräftig an, sie verhalf auch, lange bevor sie als Berliner Antisemitismusstreit in die Annalen einging, einem von Judenfeinden des ausgehenden 19. Jahrhunderts erfundenen Begriff zu nachhaltiger Popularität: dem »Antisemitismus«. Genau genommen ist er falsch – bezieht er sich doch nicht auf Juden, sondern auf eine ganze Sprachfamilie. Schon deshalb ist Präzision geboten. Als Minimalkonsens der Forschung lässt sich festhalten: Antisemitismus bezeichnet die ressentimentgeleitete Abwertung von Menschen als Juden, die sich stereotyper kultureller Deutungsmuster bedient. Auch über seine wichtigsten historischen Ausdrucksformen besteht weitgehend Einigkeit: den religiösen Antijudaismus des traditionellen Christentums, den im Mittelalter aufkommenden sozialen Antisemitismus, der an die Abdrängung der Juden in bestimmte Berufe (namentlich solche der Handelsund Kapitalsphäre) anknüpft, den (anti-)modernen europäischen Antisemitismus mit seinen verschwörungsmythischen, nationalistischen und rassistischen Ideologien, sowie den spezifisch deutschen sekundären Antisemitismus, der sich als Schuldabwehr-Reaktion auf die Verbrechen des Nationalsozialismus darstellt, den Holocaust leugnet bzw. relativiert oder qua Täter-Opfer-Umkehr die Juden beispielsweise bezichtigt, aus Auschwitz Profit zu schlagen. Gibt es seit der Jahrtausendwende über den altbekannten hinaus einen neuen, israelbezogenen Antisemitismus? Soll dieser besagen, dass judenfeindliche Klischees auf den israelischen Staat projiziert werden, oder, was nicht dasselbe wäre, dass politische Israelkritik auf alle Juden gleich welcher Nationalität übertragen wird? Geht er auf die Religion muslimischer Zuwanderer zurück oder reagiert er auf den Nahostkonflikt? Wie wäre legitime von antisemitischer Israelkritik abzugrenzen? Kommt der neue Antisemitismus von links statt – wie zumeist der alte – von rechts? Dazu sind die Meinungen, Befunde und ihre Deutung kontrovers. Hält man sich einstweilen an die antisemitischen Straftaten – der mörderische Anschlag auf die Synagoge zu Halle ist noch in schockierender Erinnerung –, so gehen sie nach den amtlichen Zahlen für 2019 zu 93,4 Prozent auf politisch motivierte Kriminalität von rechts zurück. Auch die Selbstauskünfte der Opfer antisemitischer Vorfälle, die neuerdings in ein Register des Bundesverbands der Rechercheund Informationsstellen Antisemitismus e.V. (RIAS) eingetragen werden können, sprechen für einen deutlichen Vorrang der Übergriffe mit politisch rechts(extrem) gerichtetem Hintergrund. Kommentar
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