{"title":"在时间的漩涡中","authors":"Friedrich Voit","doi":"10.1515/asch-2020-0007","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Es war ein kurzer Essay von Leonard Bell The Lost Writer,1 der mein Interesse weckte für den Autor Simon Hochberger und dessen episches Gedicht Warsaw Ghetto – Tale of Valor, das 1946 in Melbourne in einem schmalen Broschurband erschienen war und in Australien wie Neuseeland einige bewegte Aufmerksamkeit gefunden hatte. Es war nicht schwer, den Text des Gedichtes kennenzulernen, da eine australische Bibliothek eine Faksimilekopie des inzwischen sehr selten gewordenen Originals online gestellt hat.2 Über den Autor jedoch war nur wenig bekannt – Sohn Galizischer Juden, geboren 1906 in Kesmark (damals zur österreichisch-ungarischen Monarchie gehörend), aufgewachsen in Deutschland, journalistische Tätigkeit, 1938 Flucht nach England, Deportation nach und Internierung in Australien, dort 1945 naturalisiert, Umzug nach Neuseeland, wo er Ende 1947 41jährig starb. Schon eine erste Lektüre des Gedichts lässt eine poetische Kraft und Emphase spüren, die es nahe legt, dass dies kaum Hochbergers erste oder einzige Dichtung gewesen sein konnte. Zu sorgfältig und gekonnt ist das Gedicht angelegt und komponiert. Das journalistische und literarische Werk Hochbergers fiel freilich bis auf einige wenige marginale ›Überlebsel‹ – um einen Ausdruck des Dichters Karl Wolfskehl zu gebrauchen, den es 1938 ins Exil nach Neuseeland verschlagen hatte – den bewegten Zeitläuften zum Opfer, scheinen unwiederbringlich verloren. Nicht vergessen werden aber sollte das große Gedicht Warsaw Ghetto, mit dem Hochberger dem so heroischen wie aussichtlosen Aufstand der gequälten Juden des Ghettos ein noch immer beeindruckendes poetisches Denkmal setzte. Als Hochberger das Gedicht zwischen 1944 und 1945 schrieb, stand er einerseits noch ganz unter dem Eindruck der Warschauer Tragödie, doch verband sich auch das Gedenken mit der erlösenden Genugtuung des dann errungenen Sieges","PeriodicalId":40863,"journal":{"name":"Aschkenas-Zeitschrift fuer Geschichte und Kultur der Juden","volume":"30 1","pages":"151 - 178"},"PeriodicalIF":0.1000,"publicationDate":"2020-05-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"https://sci-hub-pdf.com/10.1515/asch-2020-0007","citationCount":"0","resultStr":"{\"title\":\"Im Mahlstrom der Zeit\",\"authors\":\"Friedrich Voit\",\"doi\":\"10.1515/asch-2020-0007\",\"DOIUrl\":null,\"url\":null,\"abstract\":\"Es war ein kurzer Essay von Leonard Bell The Lost Writer,1 der mein Interesse weckte für den Autor Simon Hochberger und dessen episches Gedicht Warsaw Ghetto – Tale of Valor, das 1946 in Melbourne in einem schmalen Broschurband erschienen war und in Australien wie Neuseeland einige bewegte Aufmerksamkeit gefunden hatte. 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Es war ein kurzer Essay von Leonard Bell The Lost Writer,1 der mein Interesse weckte für den Autor Simon Hochberger und dessen episches Gedicht Warsaw Ghetto – Tale of Valor, das 1946 in Melbourne in einem schmalen Broschurband erschienen war und in Australien wie Neuseeland einige bewegte Aufmerksamkeit gefunden hatte. Es war nicht schwer, den Text des Gedichtes kennenzulernen, da eine australische Bibliothek eine Faksimilekopie des inzwischen sehr selten gewordenen Originals online gestellt hat.2 Über den Autor jedoch war nur wenig bekannt – Sohn Galizischer Juden, geboren 1906 in Kesmark (damals zur österreichisch-ungarischen Monarchie gehörend), aufgewachsen in Deutschland, journalistische Tätigkeit, 1938 Flucht nach England, Deportation nach und Internierung in Australien, dort 1945 naturalisiert, Umzug nach Neuseeland, wo er Ende 1947 41jährig starb. Schon eine erste Lektüre des Gedichts lässt eine poetische Kraft und Emphase spüren, die es nahe legt, dass dies kaum Hochbergers erste oder einzige Dichtung gewesen sein konnte. Zu sorgfältig und gekonnt ist das Gedicht angelegt und komponiert. Das journalistische und literarische Werk Hochbergers fiel freilich bis auf einige wenige marginale ›Überlebsel‹ – um einen Ausdruck des Dichters Karl Wolfskehl zu gebrauchen, den es 1938 ins Exil nach Neuseeland verschlagen hatte – den bewegten Zeitläuften zum Opfer, scheinen unwiederbringlich verloren. Nicht vergessen werden aber sollte das große Gedicht Warsaw Ghetto, mit dem Hochberger dem so heroischen wie aussichtlosen Aufstand der gequälten Juden des Ghettos ein noch immer beeindruckendes poetisches Denkmal setzte. Als Hochberger das Gedicht zwischen 1944 und 1945 schrieb, stand er einerseits noch ganz unter dem Eindruck der Warschauer Tragödie, doch verband sich auch das Gedenken mit der erlösenden Genugtuung des dann errungenen Sieges