{"title":"介绍","authors":"J. Stenzel","doi":"10.1515/asch-2019-0015","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Constantin Brunner (1862–1937) – »einer der besten Schreiber, die wir heut haben«, urteilte Franz Rosenzweig 1928 – war und blieb lange eine umstrittene Persönlichkeit.1 Mit seiner 1908 erschienenen Lehre von den Geistigen und vom Volk, einem vergessenen Hauptwerk der Philosophie, setzte er sich von Anfang an zwischen alle Stühle.2 Er war ein eigenbrötlerischer Privatgelehrter, ein Polemiker und Provokateur, der aus der Zeit gefallen schien und doch mitten im Geschehen stand. Vom Pathos des absoluten Einheitsgedankens getrieben, war er zugleich der überzeugteste Relativist, ein Vorkämpfer für Recht und Freiheit, durchdrungen von Vaterlandsliebe, aber zugleich auch der schärfste Kritiker des Nationalsozialismus, einer, der den Geist des Judentums pathetisch besang und als das welthistorisch Bewegendste pries, sich aber zugleich als »Exjudaeus und atheista«3 bezeichnete, ein Kritiker des lebensfern Akademischen, des Professoralen, ebenso wie eines nietzscheanischen Ästhetizismus, bürgerlich arriviert zwar, aber doch mehr noch ein Verehrer des Einfachen, Echten, Unmittelbaren – kurz: ein irgendwie unbequemer, sperriger Denker, um den man entweder einen weiten Bogen machte oder dem man sich begeistert zuwendete und, so Rose Ausländer, als »Meister« verehrte.4 »Es tröstet mich, daß Sie da sind«, hatte Walther Rathenau ihm gestanden.5 Mit Gustav Landauer verband ihn eine innige Freundschaft, und auch Martin Buber war beeindruckt von Brunners Persönlichkeit.","PeriodicalId":40863,"journal":{"name":"Aschkenas-Zeitschrift fuer Geschichte und Kultur der Juden","volume":"29 1","pages":"235 - 239"},"PeriodicalIF":0.1000,"publicationDate":"2019-11-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"https://sci-hub-pdf.com/10.1515/asch-2019-0015","citationCount":"0","resultStr":"{\"title\":\"Einführung\",\"authors\":\"J. Stenzel\",\"doi\":\"10.1515/asch-2019-0015\",\"DOIUrl\":null,\"url\":null,\"abstract\":\"Constantin Brunner (1862–1937) – »einer der besten Schreiber, die wir heut haben«, urteilte Franz Rosenzweig 1928 – war und blieb lange eine umstrittene Persönlichkeit.1 Mit seiner 1908 erschienenen Lehre von den Geistigen und vom Volk, einem vergessenen Hauptwerk der Philosophie, setzte er sich von Anfang an zwischen alle Stühle.2 Er war ein eigenbrötlerischer Privatgelehrter, ein Polemiker und Provokateur, der aus der Zeit gefallen schien und doch mitten im Geschehen stand. Vom Pathos des absoluten Einheitsgedankens getrieben, war er zugleich der überzeugteste Relativist, ein Vorkämpfer für Recht und Freiheit, durchdrungen von Vaterlandsliebe, aber zugleich auch der schärfste Kritiker des Nationalsozialismus, einer, der den Geist des Judentums pathetisch besang und als das welthistorisch Bewegendste pries, sich aber zugleich als »Exjudaeus und atheista«3 bezeichnete, ein Kritiker des lebensfern Akademischen, des Professoralen, ebenso wie eines nietzscheanischen Ästhetizismus, bürgerlich arriviert zwar, aber doch mehr noch ein Verehrer des Einfachen, Echten, Unmittelbaren – kurz: ein irgendwie unbequemer, sperriger Denker, um den man entweder einen weiten Bogen machte oder dem man sich begeistert zuwendete und, so Rose Ausländer, als »Meister« verehrte.4 »Es tröstet mich, daß Sie da sind«, hatte Walther Rathenau ihm gestanden.5 Mit Gustav Landauer verband ihn eine innige Freundschaft, und auch Martin Buber war beeindruckt von Brunners Persönlichkeit.\",\"PeriodicalId\":40863,\"journal\":{\"name\":\"Aschkenas-Zeitschrift fuer Geschichte und Kultur der Juden\",\"volume\":\"29 1\",\"pages\":\"235 - 239\"},\"PeriodicalIF\":0.1000,\"publicationDate\":\"2019-11-01\",\"publicationTypes\":\"Journal Article\",\"fieldsOfStudy\":null,\"isOpenAccess\":false,\"openAccessPdf\":\"https://sci-hub-pdf.com/10.1515/asch-2019-0015\",\"citationCount\":\"0\",\"resultStr\":null,\"platform\":\"Semanticscholar\",\"paperid\":null,\"PeriodicalName\":\"Aschkenas-Zeitschrift fuer Geschichte und Kultur der Juden\",\"FirstCategoryId\":\"1085\",\"ListUrlMain\":\"https://doi.org/10.1515/asch-2019-0015\",\"RegionNum\":0,\"RegionCategory\":null,\"ArticlePicture\":[],\"TitleCN\":null,\"AbstractTextCN\":null,\"PMCID\":null,\"EPubDate\":\"\",\"PubModel\":\"\",\"JCR\":\"0\",\"JCRName\":\"HUMANITIES, MULTIDISCIPLINARY\",\"Score\":null,\"Total\":0}","platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Aschkenas-Zeitschrift fuer Geschichte und Kultur der Juden","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.1515/asch-2019-0015","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"0","JCRName":"HUMANITIES, MULTIDISCIPLINARY","Score":null,"Total":0}
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