{"title":"Kunstfuck","authors":"A. Meyer","doi":"10.1515/zkg-2020-3011","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Mit seiner Monographie zur Vermittlung bildender Kunst im ältesten elektronischen Breitenmedium, dem Radio, betritt Andreas Zeising Neuland. Zwar haben sich Medientheorie, Geschichtsund Politikwissenschaften bereits intensiv mit verschiedenen Aspekten des Hörfunks beschäftigt. Die historischen Wechselwirkungen zwischen dem Medium und der Kunstvermittlung beziehungsweise Kunstgeschichte blieben dabei jedoch ausgeblendet, sieht man von den Vorarbeiten ab, die der Autor in vergangenen Jahren als kürzere Beiträge in Tagungsbänden und Zeitschriften veröffentlicht hat. Zeisings Buch, das zugleich seine Habilitationsschrift ist, widmet sich dem Thema für die Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus nun in ganzer Breite: In siebzehn Kapiteln schlägt es den Bogen von der ersten Radioübertragung im Herbst 1923 in Berlin bis in die unmittelbare Nachkriegszeit, als der Bayerische Rundfunk in München Wiederannäherungsversuche an die während der Hitlerdiktatur verfemte Moderne startete. Da die in Frankfurt, Köln, München und Wien angesiedelten Sender eine ähnlich große Hörerdichte wie in den Metropolen an Spree und Isar erreichten, finden auch diese ebenso wie die Deutsche Welle Berücksichtigung. Zeisings Forschungsziel ist es, die Annäherung der Kunstgeschichte an das neue Massenmedium für den deutschsprachigen Raum zu rekonstruieren, die für die Radiokunstgeschichte charakteristischen Inhalte und Methoden herauszuarbeiten und so auch die spezifische Medienpraxis dieser Form der populären Wissensvermittlung zu erfassen. Die Quellenlage, auf der das Vorhaben basiert, ist disparat und lückenhaft. Von einer systematischen Archivierung historischer Tonaufzeichnungen und Sendemanuskripte etwa kann keine Rede sein, wie Zeising einleitend hervorhebt. Daher hat sich neben der Auswertung von Nachlässen von Vortragenden und Redakteuren die Sichtung zeitgenössischer Zeitungen und Zeitschriften, insbesondere der Funkpresse, als unverzichtbar erwiesen. Letztere umfasst Sendepläne, Programmhinweise und Zusammenfassungen von Sendeinhalten. Hinzu kommen begleitende Bildmaterialien, die vor allem in den frühen Jahren des Radios veröffentlicht wurden. Methodisch treibt Zeising mit seinem Fokus auf der Popularisierung der bildenden Künste im Hörfunk folglich nicht nur die Fachgeschichte der Kunstwissenschaft und die Bildungsforschung voran, sondern leistet zugleich einen wichtigen medienarchäologischen Beitrag. Zeisings knapp 700 Seiten starkes Buch ist chronologisch gegliedert. Die Kapitel zu den Weimarer Jahren und zur NS-Zeit sind vom Umfang her ähnlich gewichtet, setzen aber angesichts der verstreuten Standorte der Sendeanstalten jeweils unterschiedliche regionale Akzente. Kenntnisreich verortet Zeising seine Programmanalysen in den jeweiligen kulturellen, wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Zusammenhängen. Dabei behält er die sich mit ihnen wandelnden Bildungskonzepte ebenso wie die Entwicklung technischer Neuerungen stets im Auge. Übersichtlich bleibt die Darstellung nicht zuletzt dadurch, dass Zeising die zahlreichen, in verschiedensten Berufsfeldern tätigen Akteure – Politiker, Journalisten, Kunstkritiker, Künstler, Museumsleute, Pädagogen, Universitätsund Kunsthochschullehrer,","PeriodicalId":43164,"journal":{"name":"ZEITSCHRIFT FUR KUNSTGESCHICHTE","volume":"83 1","pages":"433 - 439"},"PeriodicalIF":0.1000,"publicationDate":"2020-09-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"https://sci-hub-pdf.com/10.1515/zkg-2020-3011","citationCount":"0","resultStr":"{\"title\":\"Kunstfunk\",\"authors\":\"A. Meyer\",\"doi\":\"10.1515/zkg-2020-3011\",\"DOIUrl\":null,\"url\":null,\"abstract\":\"Mit seiner Monographie zur Vermittlung bildender Kunst im ältesten elektronischen Breitenmedium, dem Radio, betritt Andreas Zeising Neuland. Zwar haben sich Medientheorie, Geschichtsund Politikwissenschaften bereits intensiv mit verschiedenen Aspekten des Hörfunks beschäftigt. 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