{"title":"[安慰剂:麻烦还是同样重要的硬币另一面?]","authors":"K-L Resch","doi":"10.1159/000079442","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Wenn überzeugte Naturheilkundler oder Komplementärmediziner mit eingefleischten Schulmedizinern ins Diskutieren kommen, dann prallen konzeptionelle Welten aufeinander. Reduktionisten schimpfen die einen, die für sich selbst eine ganzheitliche (holistische) Sicht der Dinge in Anspruch nehmen – Plazebomediziner lästern die anderen, die für sich eine «objektive, wissenschaftliche» Sicht der Dinge reklamieren. Plazebo – ein Reizwort, ein Schimpfwort. Synonym für Scharlatanerie, Quacksalberei, Kurieren mit geschlossenen Augen, Betrug am Patienten? Oder einfach inhärent unethisch, da im Wesentlichen ein Phantom, ein Mythos – gegen dessen angebliche «Power» [1] die «Evidence» aus vielen Studien spricht [2]? In der Vergangenheit mit Abstand am häufigsten eingesetzt wurden Plazebos in der Arzneimittelforschung, da die Zulassungsbehörden der meisten Industrieländer grundsätzlich mindestens zwei randomisiert kontrollierte Studien fordern, bei denen in der Kontrollgruppe ein Medikament ohne einen arzneilich wirksamen Stoff einem äusserlich identischen Medikament gegenübergestellt wird, das als einzigen Unterschied den Wirkstoff enthält, für den die Zulassung beantragt wird. Es geht dabei ausschliesslich um die Frage: Was bewirkt dieser Wirkstoff? Deshalb ist es auch logisch, konsequent und richtig, dass alle anderen potenziellen Einflussfaktoren ausgeschaltet werden müssen, vor allem die Erwartungshaltung seitens des Patienten und eventuelle, auch unoder unterbewusste suggestive Einflüsse seitens des Behandlers. Das wird erreicht durch die sog. doppelte Verblindung, deren Ziel es ist, zu «maskieren», welcher Patient welches der beiden Präparate, «Verum» oder «Plazebo», erhält. Ein ausgeprägter Plazeboeffekt ist bei Arzneimittelstudien verständlicherweise nichts weniger als erwünscht, denn sein Anteil am Gesamteffekt geht zu Lasten des spezifischen Effektes. Auch damit mag das eher schlechte Image des Plazeboeffektes zusammen hängen. Gut möglich auch, dass die Ergebnisse des systematischen Reviews von Hrobjartsson und Gotzsche [2] («we found little evidence in general that placebos had powerful clinical effects») nicht nur durch einen relevanten Publication Bias, sondern auch durch den vorherrschenden Kontext Arzneimittelstudie verzerrt sind. Wenig Klarheit scheint auch konzeptionell zu bestehen, wir selbst fanden z.B. in einer systematischen MedlineAnalyse Mitte der 90er Jahre, dass in 40% der Publikationen, in denen die beiden Begriffe «Plazebo» und «unbehandelt» verwendet wurden, diese synonym verwendet wurden [3]. Dabei gibt es bemerkenswerte experimentelle Hinweise, dass nicht nur der Wirkstoff einen relevanten Effekt verursachen kann, sondern dass dies auch «unspezifische Wirkfaktoren» können. Ein Plazebo zum Einreiben wirkt besser als eines zum Einnehmen in Tropfenform [4]. Fast jeder hat die klinische Erfahrung gemacht, dass eine Injektion ohne Wirkstoff eine stärkere Wirkung hat als die perorale Form – und in der Lage ist, (zumindest temporär) klinische relevante Effekte zu induzieren. Selbst das Immunsystem kann durch bestimmte Reize nachweislich konditioniert werden [5]. Der Anteil des unspezifischen Effektes am Gesamteffekt kann auch dort erheblich sein, wo man den spezifischen Effekt klar als den entscheidenden erwartet: bei invasiven Massnahmen. Schon Ende der 50er Jahre wurde in einer bemerkenswerten Studie gezeigt, dass bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung die chirurgische Unterbindung der A. mammaria interna, die nach damaliger Vorstellung im Sinne eines «steal»-Phänomens Anfälle von Angina pectoris verursachen oder verschlimmern sollte, zu einer ebenso ausgeprägten Verbesserung des klinischen Bildes führte wie ein kleiner Hautschnitt alleine [6]. In einer anderen, jüngst ebenfalls im «New England Journal of Medicine» publizierten Studie mit 180 Patienten mit Kniegelenksarthrose unterschieden sich die Ergebnisse in Bezug auf Schmerz und Funktion im Verlauf von zwei Jahren nach einer Arthroskopie ebenfalls nicht vonein-","PeriodicalId":80278,"journal":{"name":"Forschende Komplementarmedizin und klassische Naturheilkunde = Research in complementary and natural classical medicine","volume":"11 3","pages":"140-2"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2004-06-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"https://sci-hub-pdf.com/10.1159/000079442","citationCount":"2","resultStr":"{\"title\":\"[Placebo: nuisance or the equally important other side of the coin?].\",\"authors\":\"K-L Resch\",\"doi\":\"10.1159/000079442\",\"DOIUrl\":null,\"url\":null,\"abstract\":\"Wenn überzeugte Naturheilkundler oder Komplementärmediziner mit eingefleischten Schulmedizinern ins Diskutieren kommen, dann prallen konzeptionelle Welten aufeinander. 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In der Vergangenheit mit Abstand am häufigsten eingesetzt wurden Plazebos in der Arzneimittelforschung, da die Zulassungsbehörden der meisten Industrieländer grundsätzlich mindestens zwei randomisiert kontrollierte Studien fordern, bei denen in der Kontrollgruppe ein Medikament ohne einen arzneilich wirksamen Stoff einem äusserlich identischen Medikament gegenübergestellt wird, das als einzigen Unterschied den Wirkstoff enthält, für den die Zulassung beantragt wird. Es geht dabei ausschliesslich um die Frage: Was bewirkt dieser Wirkstoff? Deshalb ist es auch logisch, konsequent und richtig, dass alle anderen potenziellen Einflussfaktoren ausgeschaltet werden müssen, vor allem die Erwartungshaltung seitens des Patienten und eventuelle, auch unoder unterbewusste suggestive Einflüsse seitens des Behandlers. Das wird erreicht durch die sog. doppelte Verblindung, deren Ziel es ist, zu «maskieren», welcher Patient welches der beiden Präparate, «Verum» oder «Plazebo», erhält. Ein ausgeprägter Plazeboeffekt ist bei Arzneimittelstudien verständlicherweise nichts weniger als erwünscht, denn sein Anteil am Gesamteffekt geht zu Lasten des spezifischen Effektes. Auch damit mag das eher schlechte Image des Plazeboeffektes zusammen hängen. Gut möglich auch, dass die Ergebnisse des systematischen Reviews von Hrobjartsson und Gotzsche [2] («we found little evidence in general that placebos had powerful clinical effects») nicht nur durch einen relevanten Publication Bias, sondern auch durch den vorherrschenden Kontext Arzneimittelstudie verzerrt sind. Wenig Klarheit scheint auch konzeptionell zu bestehen, wir selbst fanden z.B. in einer systematischen MedlineAnalyse Mitte der 90er Jahre, dass in 40% der Publikationen, in denen die beiden Begriffe «Plazebo» und «unbehandelt» verwendet wurden, diese synonym verwendet wurden [3]. Dabei gibt es bemerkenswerte experimentelle Hinweise, dass nicht nur der Wirkstoff einen relevanten Effekt verursachen kann, sondern dass dies auch «unspezifische Wirkfaktoren» können. Ein Plazebo zum Einreiben wirkt besser als eines zum Einnehmen in Tropfenform [4]. Fast jeder hat die klinische Erfahrung gemacht, dass eine Injektion ohne Wirkstoff eine stärkere Wirkung hat als die perorale Form – und in der Lage ist, (zumindest temporär) klinische relevante Effekte zu induzieren. Selbst das Immunsystem kann durch bestimmte Reize nachweislich konditioniert werden [5]. Der Anteil des unspezifischen Effektes am Gesamteffekt kann auch dort erheblich sein, wo man den spezifischen Effekt klar als den entscheidenden erwartet: bei invasiven Massnahmen. Schon Ende der 50er Jahre wurde in einer bemerkenswerten Studie gezeigt, dass bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung die chirurgische Unterbindung der A. mammaria interna, die nach damaliger Vorstellung im Sinne eines «steal»-Phänomens Anfälle von Angina pectoris verursachen oder verschlimmern sollte, zu einer ebenso ausgeprägten Verbesserung des klinischen Bildes führte wie ein kleiner Hautschnitt alleine [6]. 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[Placebo: nuisance or the equally important other side of the coin?].
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