{"title":"维也纳启蒙运动的辉煌与苦难。诺贝特-克里斯蒂安-沃尔夫的《先决条件-制度-文本》(评论)","authors":"Wynfrid Kriegleder","doi":"10.1353/oas.2023.a914879","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"<span><span>In lieu of</span> an abstract, here is a brief excerpt of the content:</span>\n<p> <span>Reviewed by:</span> <ul> <li><!-- html_title --> <em>Glanz und Elend der Aufklärung in Wien. Voraussetzungen—Institutionen—Texte</em> by Norbert Christian Wolf <!-- /html_title --></li> <li> Wynfrid Kriegleder </li> </ul> Norbert Christian Wolf, <em>Glanz und Elend der Aufklärung in Wien. Voraussetzungen—Institutionen—Texte</em>. Wien: Böhlau 2023. 451 S. <p>Norbert Christian Wolfs Bilanz der literarischen Aufklärung in Wien—in erster Linie: des josephinischen Jahrzehnts (1780–1790)—ist quasi eine Parallelaktion zu Franz Leander Fillafers historiographischer Studie von 2020, <em>Aufklärung habsburgisch. Staatsbildung, Wissenskultur und Geschichtspolitik in Zentraleuropa 1750–1850</em>. Wolf wählt einen literatursoziologischen Zugang. Seine Gewährsleute sind Pierre Bourdieu im Allgemeinen und Alain Viala mit seiner Rekonstruktion des Pariser literarischen Felds seit dem späten 17. Jahrhundert, <em>Naissance de l'ècrivaine. Sociologie de la littérature à l'âge classique</em> von 1985.</p> <p>Der komparatistische Zugang (Wien versus Paris) ist einer der großen Pluspunkte dieser Untersuchung. Denn eine Analyse des Literaturbetriebs in der Metropole Wien muss sich an vergleichbaren Phänomenen in anderen Metropolen orientieren, an Paris oder London, und nicht an den Geschehnissen in deutschen Provinzstädten wie Leipzig oder Weimar—oder auch Berlin, das in den 1780er Jahren noch lange keine Metropole war, trotz gegenteiliger Meinung der deutschen Germanistik seit dem 19. Jahrhundert.</p> <p>Freilich ist die Differenz zwischen Paris und Wien erheblich, wie Wolf betont: Anders als dort, wo die französische Sprache zum Integrationsfaktor für die Nation wurde, gab es in Wien, der Hauptstadt des multilingualen Habsburger Imperiums, keinen Bedarf der höfischen Gesellschaft an <strong>[End Page 102]</strong> einer deutschsprachigen Literatur, deshalb auch keinen besonderen Distinktionsgewinn für Autoren, keine nennenswerten Akademien und Salons—und es kam auch nicht zur Etablierung eines autonomen literarischen Feldes. Die Literatur der josephinischen Aufklärung blieb im Wesentlichen heteronom bestimmt, engagierte sich politisch, ließ sich kaum auf ästhetische Debatten ein und wurde daher aus dem Kanon der deutschsprachigen Literatur ausgeschlossen, der sich an den Autonomievorstellungen der Weimarer Klassiker orientieren sollte.</p> <p>Das Buch besteht aus drei Abschnitten. Zuerst geht es um \"Probleme einer Literaturgeschichte der österreichischen Aufklärung\". Wolf referiert das Klischee der preußen-zentrierten Germanistik vom rückständigen süddeutschen Raum, in den die Aufklärung kaum vorgedrungen sei. Gegen die gelegentlichen Forderungen nach einem regionalgeschichtlichen Zugang zur österreichischen Literatur betont er die gerade seit der Aufklärung immer stärker werdende Entregionalisierung. Der Rezensent merkt zusätzlich an: Sofern man deutsch(sprachig)e Literatur als regional bzw. plurizentrisch betrachtet—ein durchaus sinnvoller Ansatz—, müsste man Abstand nehmen von einem Schema, das den diversen Regionen nach wie vor ein Zentrum gegenüberstellt. Denn wo sollte dieses Zentrum sein? Für die deutsche Germanistik ist die Antwort wohl klar: In Weimar und Berlin. Dort wurde selbstverständlich angeblich keine Regionalliteratur betrieben, in Gegensatz zu all den anderen \"Regionen\".</p> <p>Wolf definiert die österreichische Aufklärung als eine \"relativ spät einsetzende und auch deshalb beschleunigte Partizipation am Vorgang einer gesamtgesellschaftlichen Modernisierung der deutschsprachigen Territorien, ja der west- und mitteleuropäischen Länder generell\" (41). Als zwei wichtige Merkmale der österreichischen Ideengeschichte nennt er die Konfessionalität, die in der Aufklärung zu umso schärferer Kirchenkritik führen sollte, und den Antisubjektivismus, eine Skepsis gegenüber dem Individualismus protestantischer Provenienz, die mit einer gelegentlichen Staatsidolatrie Hand in Hand gingt.</p> <p>Der umfangreiche zweite Abschnitt, \"Das Entstehen eines Literatursystems im Wien des 18. Jahrhunderts\", rekonstruiert die Voraussetzungen der literarischen Produktion. Viele Themen werden hier angesprochen: Die Rolle der Zensur, das Desinteresse des Hofes und der Universitäten an einer deutschsprachigen Literatur, die Rolle der Freimaurerei als Ersatz für eine fehlende Akademie der Wissenschaften und Künste, die Funktion von Salons <strong>[End Page 103]</strong> und Cafés, die habsburgische Wirtschaftspolitik, die das Aufkommen eines konkurrenzfähigen Buchdruck- und Buchhandelsbetriebs verhinderte und paradoxerweise mit der Förderung des illegalen Nachdrucks ausländischer Werke ein höheres Sozialprestige der einheimischen Autoren nicht aufkommen ließ. Dem \"ambivalenten Status von Autoren\" gilt Wolfs besonderes Interesse. Einige wenige—vor allem die Radikalaufklärer des Josephinismus—lassen sich auf den entstehenden literarischen Markt ein und bedienen die berüchtigte \"Broschürenflut\". Die etablierten Autoren distanzieren sich allerdings von den \"Lohnschreibern\". Wolf berücksichtigt hier aber wohl eine Besonderheit des österreichischen Literatursystems zu wenig: Die vielen beamteten Autoren, die in der Regierung zwar keinen persönlichen...</p> </p>","PeriodicalId":40350,"journal":{"name":"Journal of Austrian Studies","volume":"197 1","pages":""},"PeriodicalIF":0.2000,"publicationDate":"2023-12-15","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":"{\"title\":\"Glanz und Elend der Aufklärung in Wien. Voraussetzungen—Institutionen—Texte by Norbert Christian Wolf (review)\",\"authors\":\"Wynfrid Kriegleder\",\"doi\":\"10.1353/oas.2023.a914879\",\"DOIUrl\":null,\"url\":null,\"abstract\":\"<span><span>In lieu of</span> an abstract, here is a brief excerpt of the content:</span>\\n<p> <span>Reviewed by:</span> <ul> <li><!-- html_title --> <em>Glanz und Elend der Aufklärung in Wien. 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Glanz und Elend der Aufklärung in Wien. Voraussetzungen—Institutionen—Texte by Norbert Christian Wolf (review)
In lieu of an abstract, here is a brief excerpt of the content:
Reviewed by:
Glanz und Elend der Aufklärung in Wien. Voraussetzungen—Institutionen—Texte by Norbert Christian Wolf
Wynfrid Kriegleder
Norbert Christian Wolf, Glanz und Elend der Aufklärung in Wien. Voraussetzungen—Institutionen—Texte. Wien: Böhlau 2023. 451 S.
Norbert Christian Wolfs Bilanz der literarischen Aufklärung in Wien—in erster Linie: des josephinischen Jahrzehnts (1780–1790)—ist quasi eine Parallelaktion zu Franz Leander Fillafers historiographischer Studie von 2020, Aufklärung habsburgisch. Staatsbildung, Wissenskultur und Geschichtspolitik in Zentraleuropa 1750–1850. Wolf wählt einen literatursoziologischen Zugang. Seine Gewährsleute sind Pierre Bourdieu im Allgemeinen und Alain Viala mit seiner Rekonstruktion des Pariser literarischen Felds seit dem späten 17. Jahrhundert, Naissance de l'ècrivaine. Sociologie de la littérature à l'âge classique von 1985.
Der komparatistische Zugang (Wien versus Paris) ist einer der großen Pluspunkte dieser Untersuchung. Denn eine Analyse des Literaturbetriebs in der Metropole Wien muss sich an vergleichbaren Phänomenen in anderen Metropolen orientieren, an Paris oder London, und nicht an den Geschehnissen in deutschen Provinzstädten wie Leipzig oder Weimar—oder auch Berlin, das in den 1780er Jahren noch lange keine Metropole war, trotz gegenteiliger Meinung der deutschen Germanistik seit dem 19. Jahrhundert.
Freilich ist die Differenz zwischen Paris und Wien erheblich, wie Wolf betont: Anders als dort, wo die französische Sprache zum Integrationsfaktor für die Nation wurde, gab es in Wien, der Hauptstadt des multilingualen Habsburger Imperiums, keinen Bedarf der höfischen Gesellschaft an [End Page 102] einer deutschsprachigen Literatur, deshalb auch keinen besonderen Distinktionsgewinn für Autoren, keine nennenswerten Akademien und Salons—und es kam auch nicht zur Etablierung eines autonomen literarischen Feldes. Die Literatur der josephinischen Aufklärung blieb im Wesentlichen heteronom bestimmt, engagierte sich politisch, ließ sich kaum auf ästhetische Debatten ein und wurde daher aus dem Kanon der deutschsprachigen Literatur ausgeschlossen, der sich an den Autonomievorstellungen der Weimarer Klassiker orientieren sollte.
Das Buch besteht aus drei Abschnitten. Zuerst geht es um "Probleme einer Literaturgeschichte der österreichischen Aufklärung". Wolf referiert das Klischee der preußen-zentrierten Germanistik vom rückständigen süddeutschen Raum, in den die Aufklärung kaum vorgedrungen sei. Gegen die gelegentlichen Forderungen nach einem regionalgeschichtlichen Zugang zur österreichischen Literatur betont er die gerade seit der Aufklärung immer stärker werdende Entregionalisierung. Der Rezensent merkt zusätzlich an: Sofern man deutsch(sprachig)e Literatur als regional bzw. plurizentrisch betrachtet—ein durchaus sinnvoller Ansatz—, müsste man Abstand nehmen von einem Schema, das den diversen Regionen nach wie vor ein Zentrum gegenüberstellt. Denn wo sollte dieses Zentrum sein? Für die deutsche Germanistik ist die Antwort wohl klar: In Weimar und Berlin. Dort wurde selbstverständlich angeblich keine Regionalliteratur betrieben, in Gegensatz zu all den anderen "Regionen".
Wolf definiert die österreichische Aufklärung als eine "relativ spät einsetzende und auch deshalb beschleunigte Partizipation am Vorgang einer gesamtgesellschaftlichen Modernisierung der deutschsprachigen Territorien, ja der west- und mitteleuropäischen Länder generell" (41). Als zwei wichtige Merkmale der österreichischen Ideengeschichte nennt er die Konfessionalität, die in der Aufklärung zu umso schärferer Kirchenkritik führen sollte, und den Antisubjektivismus, eine Skepsis gegenüber dem Individualismus protestantischer Provenienz, die mit einer gelegentlichen Staatsidolatrie Hand in Hand gingt.
Der umfangreiche zweite Abschnitt, "Das Entstehen eines Literatursystems im Wien des 18. Jahrhunderts", rekonstruiert die Voraussetzungen der literarischen Produktion. Viele Themen werden hier angesprochen: Die Rolle der Zensur, das Desinteresse des Hofes und der Universitäten an einer deutschsprachigen Literatur, die Rolle der Freimaurerei als Ersatz für eine fehlende Akademie der Wissenschaften und Künste, die Funktion von Salons [End Page 103] und Cafés, die habsburgische Wirtschaftspolitik, die das Aufkommen eines konkurrenzfähigen Buchdruck- und Buchhandelsbetriebs verhinderte und paradoxerweise mit der Förderung des illegalen Nachdrucks ausländischer Werke ein höheres Sozialprestige der einheimischen Autoren nicht aufkommen ließ. Dem "ambivalenten Status von Autoren" gilt Wolfs besonderes Interesse. Einige wenige—vor allem die Radikalaufklärer des Josephinismus—lassen sich auf den entstehenden literarischen Markt ein und bedienen die berüchtigte "Broschürenflut". Die etablierten Autoren distanzieren sich allerdings von den "Lohnschreibern". Wolf berücksichtigt hier aber wohl eine Besonderheit des österreichischen Literatursystems zu wenig: Die vielen beamteten Autoren, die in der Regierung zwar keinen persönlichen...
期刊介绍:
The Journal of Austrian Studies is an interdisciplinary quarterly that publishes scholarly articles and book reviews on all aspects of the history and culture of Austria, Austro-Hungary, and the Habsburg territory. It is the flagship publication of the Austrian Studies Association and contains contributions in German and English from the world''s premiere scholars in the field of Austrian studies. The journal highlights scholarly work that draws on innovative methodologies and new ways of viewing Austrian history and culture. Although the journal was renamed in 2012 to reflect the increasing scope and diversity of its scholarship, it has a long lineage dating back over a half century as Modern Austrian Literature and, prior to that, The Journal of the International Arthur Schnitzler Research Association.