{"title":"馆长算艺术家?","authors":"H. Huber","doi":"10.14361/transcript.9783839425695.201","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Cod Is A Curator, lautet der Titel eines Vortrages des Münchner Künstlers, Musikers, Kritikers und Kurators Justin Hoffmann. Thank Cod I am not a Carator, träumt der polnisch-britische Soziologe Zygmunt Bauman an lässlich des Kongresses Stopping the Process? Contem porary Views on Art and Exhibitions im Nifca Center Hel sinki 1997. Woraus man den Schluss ziehen kann, dass Zygmunt Bauman weder Gott noch Kurator ist. Man sollte vielleicht noch ergänzend hinzufügen, dass Gott selbst natürlich auch kein Kurator ist, sondern dafür sei ne Stellvertreter auf Erden hat. So ist nämlich der Kura tor im Kirchen recht ein bestellter Vormund oder Pfleger, der im kirchlichen Prozess für den Geisteskranken und Geistesschwachen handelt.(l) Der Kuratus bezeichnet in der deutschen Kirchenrechtssprache den Seelsorger eines zum Verband einer Pfarrei gehörigen Gebietes. Er ist eine Art Hilfspriester, der seine Tätigkeit in Unter ordnung unter den Pfarrer ausübt, zuweilen aber auch davon unabhängig ist. Gerade, wenn man einmal be obachtet hat, wie beliebt sonntagvormittägliche Vernissagen zur Gottesdienstzeit sind, könnte man eini ge Parallelen in der Geschichte dieses Konzeptes erkennen. Meistens verbindet sich mit bestimmten Kuratoren auch eine mehr oder weniger bestimmbare Gruppe von Künstlern, die im Schlepptau einzelner Kuratoren von einer Ausstellung zur näch sten mitgenommen werden. Kuratoren besetzen und definie ren damitzunehmend die Schnittstelle zwischen Künstler, Insti tution und Publikum. Die Frage ist, ob wir es wollen, dass sich die Definitionsmacht für zeitgenössische Kunst in der Hand einer Person konzentriert. Die Frage ist also, wo befinden wir uns? In einer Zeit des zunehmenden kuratorialen Absolutismus oder schon in einem Zeitalter der kuratorialen Aufklärung? Der Kurator wird zunehmend selbstreflexiv. Er reflektiert kritisch oder unkritisch seine Tätigkeit. Es ist kein Geheimnis der Kom munikationswissenschaft, dass sich durch verstärkte Selbstreflexivität und verstärkten Diskurs ein autonomes Subsystem herausdifferenziert, welches ich als Kuratorensystem bezeich nen möchte. Allerdings scheint es noch nicht vollständig autonomisiert und ausdifferenziert zu sein, denn viele Kuratoren sind gleichzeitig auch als Kunstkritiker tätig, manche auch als Künstler. Die verschiedenen gesellschaftlichen Rollen oder Posi tionen überschneiden sich hier in einzelnen Persönlichkeiten. Der gegenwärtige Trend, „Kuratorenschulen“ zu gründen, beschleunigt die institutioneile Abkopplung und Autonomisierung eines eigenen Kuratorensubsystems. Nach diesem Zeit punkt kann eine Ausstellung, die ohne Beteiligung eines fach männisch ausgebildeten Kurators vorgenommen wurde, nur noch eine inkompetente Ausstellung sein, und die Kritik wird ihr das vorwerfen.","PeriodicalId":423581,"journal":{"name":"Kritische Szenografie","volume":"30 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2014-12-31","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":"{\"title\":\"Künstler Als Kuratoren – Kuratoren Als Künstler?\",\"authors\":\"H. Huber\",\"doi\":\"10.14361/transcript.9783839425695.201\",\"DOIUrl\":null,\"url\":null,\"abstract\":\"Cod Is A Curator, lautet der Titel eines Vortrages des Münchner Künstlers, Musikers, Kritikers und Kurators Justin Hoffmann. Thank Cod I am not a Carator, träumt der polnisch-britische Soziologe Zygmunt Bauman an lässlich des Kongresses Stopping the Process? Contem porary Views on Art and Exhibitions im Nifca Center Hel sinki 1997. Woraus man den Schluss ziehen kann, dass Zygmunt Bauman weder Gott noch Kurator ist. Man sollte vielleicht noch ergänzend hinzufügen, dass Gott selbst natürlich auch kein Kurator ist, sondern dafür sei ne Stellvertreter auf Erden hat. So ist nämlich der Kura tor im Kirchen recht ein bestellter Vormund oder Pfleger, der im kirchlichen Prozess für den Geisteskranken und Geistesschwachen handelt.(l) Der Kuratus bezeichnet in der deutschen Kirchenrechtssprache den Seelsorger eines zum Verband einer Pfarrei gehörigen Gebietes. Er ist eine Art Hilfspriester, der seine Tätigkeit in Unter ordnung unter den Pfarrer ausübt, zuweilen aber auch davon unabhängig ist. Gerade, wenn man einmal be obachtet hat, wie beliebt sonntagvormittägliche Vernissagen zur Gottesdienstzeit sind, könnte man eini ge Parallelen in der Geschichte dieses Konzeptes erkennen. Meistens verbindet sich mit bestimmten Kuratoren auch eine mehr oder weniger bestimmbare Gruppe von Künstlern, die im Schlepptau einzelner Kuratoren von einer Ausstellung zur näch sten mitgenommen werden. Kuratoren besetzen und definie ren damitzunehmend die Schnittstelle zwischen Künstler, Insti tution und Publikum. Die Frage ist, ob wir es wollen, dass sich die Definitionsmacht für zeitgenössische Kunst in der Hand einer Person konzentriert. Die Frage ist also, wo befinden wir uns? In einer Zeit des zunehmenden kuratorialen Absolutismus oder schon in einem Zeitalter der kuratorialen Aufklärung? Der Kurator wird zunehmend selbstreflexiv. Er reflektiert kritisch oder unkritisch seine Tätigkeit. Es ist kein Geheimnis der Kom munikationswissenschaft, dass sich durch verstärkte Selbstreflexivität und verstärkten Diskurs ein autonomes Subsystem herausdifferenziert, welches ich als Kuratorensystem bezeich nen möchte. 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