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Durchgesetzt hat sich nicht Winkels Prototyp, sondern das Instrument Mälzels, was vor allem der Geschäftstüchtigkeit des Wieners zu verdanken ist. Er baute nicht nur eigene Fabriken zur Herstellung des Chronometers, wie das Metronom ursprünglich hieß, sondern betrieb auch cleveres Marketing. Mälzel schickte rund 200 Metronome an Komponisten, unter anderem an Ludwig van Beethoven, der zum prominentesten Promotor und Propagandisten der mechanischen Zeitmessung in der Musik wurde. Die Vaterländischen Blätter für den österreichischen Kaiserstaat berichteten am 13.10.1813 unter dem Titel »Melzel’s musikalischer Chronometer«: »Herr Beethoven ergreift diese Erfindung als ein willkommenes Mittel, seinen genialen Compositionen aller Orten die Ausführung in dem ihnen zugedachten Zeitmass, das er so häufig verfehlt bedauert, zu verschaffen.«1 exTra","PeriodicalId":147000,"journal":{"name":"Österreichische Musikzeitschrift","volume":"37 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2014-12-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":"{\"title\":\"Das umstrittenste Musikinstrument oder Der Traum von der Messbarkeit\",\"authors\":\"Sigfried Schibli\",\"doi\":\"10.7767/OMZ-2014-0511\",\"DOIUrl\":null,\"url\":null,\"abstract\":\"Das Metronom, das der Wiener Uhrmacher Johann Nepomuk Mälzel 1815 in Paris und ein Jahr darauf in London zum Patent anmeldete, verdankt sich dem Traum von der totalen Kontrolle der Musik. 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Das umstrittenste Musikinstrument oder Der Traum von der Messbarkeit
Das Metronom, das der Wiener Uhrmacher Johann Nepomuk Mälzel 1815 in Paris und ein Jahr darauf in London zum Patent anmeldete, verdankt sich dem Traum von der totalen Kontrolle der Musik. Und wie viele Menschheitsträume hat es seinen Erfinder berühmt gemacht. Noch heute schreiben Komponisten, um die Interpretation ihrer Werke der Interpreten-Willkür zu entreißen, über ihre Stücke »M.M.« für »Metronom Mälzel«. Dabei ist nicht einmal sicher, ob Mälzel der Erfinder war. 1813 konstruierte er mit dem »Chronometer« zwar ein Vorläufer-Gerät des Metronoms, doch gleichzeitig arbeitete der in Amsterdam lebende deutsche Orgelbauer Diederich Nikolaus Winkel an einem solchen Gerät, und als Beethoven ihn im Spätsommer 1814 besuchte, hatte Winkel sein Instrument schon gebaut. Die Folge war ein Prioritätsstreit. Durchgesetzt hat sich nicht Winkels Prototyp, sondern das Instrument Mälzels, was vor allem der Geschäftstüchtigkeit des Wieners zu verdanken ist. Er baute nicht nur eigene Fabriken zur Herstellung des Chronometers, wie das Metronom ursprünglich hieß, sondern betrieb auch cleveres Marketing. Mälzel schickte rund 200 Metronome an Komponisten, unter anderem an Ludwig van Beethoven, der zum prominentesten Promotor und Propagandisten der mechanischen Zeitmessung in der Musik wurde. Die Vaterländischen Blätter für den österreichischen Kaiserstaat berichteten am 13.10.1813 unter dem Titel »Melzel’s musikalischer Chronometer«: »Herr Beethoven ergreift diese Erfindung als ein willkommenes Mittel, seinen genialen Compositionen aller Orten die Ausführung in dem ihnen zugedachten Zeitmass, das er so häufig verfehlt bedauert, zu verschaffen.«1 exTra