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摘要
日耳曼文学和文学上的争论和争议早已不多了。医学界对脚注、批评言论和评论引起的争论看来少之又少。但关于学科的主流论辩——有时在文物学、编现代主义、进化论、认知科学等术语之外——往往在更具体且可识别的研究领域之外进行。这项计划一直以来带来并传播的根本原因1似乎和几十年来冗长错综复杂的文学研究和专业情况极不相称。更引人注目的是,安科马利·洛哈迈尔(anke marie Lohmeier)的公司带着一场文学研究对话,将焦点集中在某一特定的研究领域,同时却带着专注于专业研究的主导精神,进而也注重到学科的基础。本杂志中发表文章»其实潮流是什么?提议的修正literaturwissenschaftlicher Modernebegriffe«赛跑者埃尔literaturwissenschaftlich eingeübten对待文学、现代质疑gestellt.2其逻辑起点是相差、娱乐和社会现代化的、审美的历史研究结果大部分现代作家,文学文本,ideengeschichtliche概念——在极其危急的现代社会,或者意指形容为一个Verlustgeschichte .现代化进程洛哈迈尔根据自己的理论批评日耳曼文学专业及其历史,同意了这一观点,并从18世纪起引入了一套类似观点。类似于这个世纪初从历史上看属于现代社会的审美观并制定了自己的研究方案这样一来,
Debatten und Kontroversen in der germanistischen Literaturwissenschaft haben mittlerweile Seltenheitswert. Auseinandersetzungen, die sich in Fußnoten, kritischen Bezugnahmen und Rezensionen abspielen, erreichen die Fachöffentlichkeit kaum; größere Richtungsdebatten um die Disziplin als ganze hingegen – letzthin etwa unter den Stichworten Kulturwissenschaft, Rephilologisierung, Evolutionstheorie, Kognitionswissenschaften – finden zumeist abseits konkreter und erkennbarer Forschungsfelder statt. Die damit stets verbundenen und propagierten turns1 werden der seit vielen Jahrzehnten verzweigten und zerklüfteten literaturwissenschaftlichen Forschungsund Fachsituation offenbar kaum noch gerecht. Um so bemerkenswerter ist das Unternehmen von Anke-Marie Lohmeier, eine literaturwissenschaftliche Debatte zu initiieren, die auf ein konkretes Forschungsfeld gerichtet ist, gleichzeitig aber eine dominante Forschungstradition des Faches im Blick hat und dadurch auch auf die Grundlagen der Disziplin zielt. In ihrem in dieser Zeitschrift veröffentlichten Aufsatz »Was ist eigentlich modern? Vorschläge zu einer Revision literaturwissenschaftlicher Modernebegriffe« hat Lohmeier den literaturwissenschaftlich eingeübten Umgang mit der literarischen Moderne in Frage gestellt.2 Ausgangspunkt ihrer Argumentation ist die Differenz von ästhetischer und gesellschaftlicher Moderne sowie der historische Befund, dass große Teile der ästhetischen Moderne – Autoren, literarische Texte, ideengeschichtliche Konzepte – sich höchst kritisch auf die gesellschaftliche Moderne beziehen bzw. den Prozess der Modernisierung als eine Verlustgeschichte beschreiben. Lohmeier wirft der germanistischen Literaturwissenschaft – dem Fach und seiner Geschichte – prinzipiell vor, sich diese Sicht zu eigen gemacht zu haben und dabei eine seit dem 18. Jahrhundert historisch entwickelte Perspektive der ästhetischen Moderne auf die moderne Gesellschaft unreflektiert übernommen und zur Richtschnur ihrer eigenen Forschungsprogramme erhoben zu haben. Damit sei der