{"title":"需要合作吗?","authors":"Johann Brazda","doi":"10.1515/zfgg-2019-0007","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Die Genossenschaft als originärer Unternehmungstyp mit seiner Doppelnatur war stets Erkenntnisobjekt interdisziplinärer Forschung und damit auch empfänglich für neue Forschungsansätze, sowohl in der Betriebswirtschaftslehre als auch in den Sozialwissenschaften. Jeder neue Ansatz sollte deshalb für einen Erkenntnisgewinn im Rahmen der Genossenschaftswissenschaft einer Überprüfung unterzogen werden. Große Erfolge sind hier in den letzten Jahrzehnten vor allem durch die Kritik am vereinfachten Menschenbild des „Homo Economicus“ in der klassischen Ökonomie erzielt worden, wobei die Hinterfragung der Fiktion eines rationalen, seinen Eigennutz maximierenden, frei von Emotionen und keine Fehler in der Informationsaufnahme und -verarbeitung machenden Wesens im Vordergrund stand und steht. Dies zeigen auch die Beispiele Spieltheorie oder Institutionenökonomie. In diese Tradition reiht sich nun nahtlos der aktuelle Ansatz einer Verhaltensökonomie ein, mit der ein realistischeres Erklärungsmodell des Menschen in den Fokus gestellt wird. Hier werden Forschungsfelder wie Altruismus, Fairness und Reziprozität bearbeitet, mit denen auch der Genossenschaftswissenschafter weitgehend vertraut ist. Die Ausgangshypothese der Verhaltensökonomie ist, dass Menschen nicht bloß eigennützig handeln, sondern immer auch in ihren Entscheidungen die Situation des anderen ins Kalkül ziehen. Analytisch kommt dabei das gegenwärtig rasch wachsende Feld der experimentellen Wirtschaftsforschung zum Einsatz, wobei man mit einfachen Experimenten bald erkannt hat, dass bei den einfachsten zwischenmenschlichen Transaktionen Gefühle genauso wichtig sind wie Logik und Eigennutz. Verhaltensökonomen erforschen mit derartigen Experimenten die Mechanismen, die unserem sozialen und wirtschaftlichen Leben zugrunde liegen. 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