{"title":"艾斯特班Echeverría或浪漫的箱子里","authors":"Esteban Echeverría","doi":"10.1515/9783110703443-015","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Bleiben wir an dieser Stelle unserer Vorlesung auf der amerikanischen Seite des Atlantik, wechseln wir aber die kulturelle Area und begeben wir uns nach Argentinien, wo wir erstmals auf eine sich entfaltende Romantik im Süden des amerikanischen Kontinents treffen! Wir haben uns bei unserer Beschäftigung mit den Entwicklungen hin zu einer europäischen Romantik ausführlich mit der literarischen Gestaltung vermeintlich (da aus europäischem Blickwinkel betrachteter) exotischer Welten beschäftigt. Nun wird es darauf ankommen, wie die von Europa aus Exotisierten ihre eigene Welt betrachten und zu diesem Zweck bestimmte aus Europa stammende literarische Verfahren oder Versatzstücke mit neuen Funktionen ausstatten und versehen. Bei näherer Betrachtung der Entwicklung der Romantik in jener Welt, für die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Bezeichnung „Lateinamerika“ aufkommt, zeigt sich bald, dass die vielleicht entscheidenden Impulse für die künftige Gestaltung dieses Genres von zwei Areas oder Teilregionen ausgehen, ohne dass damit gesagt wäre, dass sich lediglich eine Analyse dieser Areas lohnen würde. Da ist zum einen die Area des Cono Sur, insbesondere die sich herausbildende argentinische Nationalliteratur, sowie zum anderen die literarische Vielfalt der spanischsprachigen Karibik, wobei wir uns auf die Literatur der Insel Kuba konzentrieren wollen. Diese beiden ‚Motoren‘ der Entwicklung, wie wir sie nennen dürfen, könnten nicht unterschiedlicher gewählt sein. Argentinien zählte zu jenen Regionen des Subkontinents, in denen sich die Independencia am frühesten und auch am erfolgreichsten entwickelte. In der Figur von General José de San Martín läuft die große Tradition der Freiheitskämpfer und ihrer Generäle zusammen, eine Tradition, die bis ins 20. Jahrhundert wachgeblieben ist und sich etwa auch in den ständigen Anspielungen von Jorge Luis Borges auf seine militärischen Vorfahren zeigt. Kuba dagegen gehört jenem Raum an, der sich am spätesten von der spanischen Kolonialherrschaft befreite, gelang es der Insel doch erst mit dem Martí’schen Freiheitskrieg von 1895 bis 1898 jenen Weg einzuschlagen, der schließlich zu einer prekären politischen Unabhängigkeit führte. im Gegensatz zur Schwesterinsel Puerto Rico, die – wie Sie wissen – bis heute zu den Vereinigten Staaten von Amerika gehört, sowie zur Dominikanischen Republik, die sich mit Haiti die Insel Hispaniola teilt, hat Kuba freilich schon sehr früh und ohne eine eigenständige Nation zu sein eine Nationalliteratur entwickelt. So gibt es in einigen Aspekten durchaus Parallelen zu Deutschland, wo die Kulturnation der Nationalstaatsgründung vorausging. In Kuba entspricht der Figur des argenti-","PeriodicalId":169273,"journal":{"name":"Romantik zwischen zwei Welten","volume":"14 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2021-08-23","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":"{\"title\":\"Esteban Echeverría oder die Romantik aus dem Koffer\",\"authors\":\"Esteban Echeverría\",\"doi\":\"10.1515/9783110703443-015\",\"DOIUrl\":null,\"url\":null,\"abstract\":\"Bleiben wir an dieser Stelle unserer Vorlesung auf der amerikanischen Seite des Atlantik, wechseln wir aber die kulturelle Area und begeben wir uns nach Argentinien, wo wir erstmals auf eine sich entfaltende Romantik im Süden des amerikanischen Kontinents treffen! Wir haben uns bei unserer Beschäftigung mit den Entwicklungen hin zu einer europäischen Romantik ausführlich mit der literarischen Gestaltung vermeintlich (da aus europäischem Blickwinkel betrachteter) exotischer Welten beschäftigt. Nun wird es darauf ankommen, wie die von Europa aus Exotisierten ihre eigene Welt betrachten und zu diesem Zweck bestimmte aus Europa stammende literarische Verfahren oder Versatzstücke mit neuen Funktionen ausstatten und versehen. Bei näherer Betrachtung der Entwicklung der Romantik in jener Welt, für die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Bezeichnung „Lateinamerika“ aufkommt, zeigt sich bald, dass die vielleicht entscheidenden Impulse für die künftige Gestaltung dieses Genres von zwei Areas oder Teilregionen ausgehen, ohne dass damit gesagt wäre, dass sich lediglich eine Analyse dieser Areas lohnen würde. Da ist zum einen die Area des Cono Sur, insbesondere die sich herausbildende argentinische Nationalliteratur, sowie zum anderen die literarische Vielfalt der spanischsprachigen Karibik, wobei wir uns auf die Literatur der Insel Kuba konzentrieren wollen. Diese beiden ‚Motoren‘ der Entwicklung, wie wir sie nennen dürfen, könnten nicht unterschiedlicher gewählt sein. Argentinien zählte zu jenen Regionen des Subkontinents, in denen sich die Independencia am frühesten und auch am erfolgreichsten entwickelte. In der Figur von General José de San Martín läuft die große Tradition der Freiheitskämpfer und ihrer Generäle zusammen, eine Tradition, die bis ins 20. Jahrhundert wachgeblieben ist und sich etwa auch in den ständigen Anspielungen von Jorge Luis Borges auf seine militärischen Vorfahren zeigt. Kuba dagegen gehört jenem Raum an, der sich am spätesten von der spanischen Kolonialherrschaft befreite, gelang es der Insel doch erst mit dem Martí’schen Freiheitskrieg von 1895 bis 1898 jenen Weg einzuschlagen, der schließlich zu einer prekären politischen Unabhängigkeit führte. im Gegensatz zur Schwesterinsel Puerto Rico, die – wie Sie wissen – bis heute zu den Vereinigten Staaten von Amerika gehört, sowie zur Dominikanischen Republik, die sich mit Haiti die Insel Hispaniola teilt, hat Kuba freilich schon sehr früh und ohne eine eigenständige Nation zu sein eine Nationalliteratur entwickelt. So gibt es in einigen Aspekten durchaus Parallelen zu Deutschland, wo die Kulturnation der Nationalstaatsgründung vorausging. In Kuba entspricht der Figur des argenti-\",\"PeriodicalId\":169273,\"journal\":{\"name\":\"Romantik zwischen zwei Welten\",\"volume\":\"14 1\",\"pages\":\"0\"},\"PeriodicalIF\":0.0000,\"publicationDate\":\"2021-08-23\",\"publicationTypes\":\"Journal Article\",\"fieldsOfStudy\":null,\"isOpenAccess\":false,\"openAccessPdf\":\"\",\"citationCount\":\"0\",\"resultStr\":null,\"platform\":\"Semanticscholar\",\"paperid\":null,\"PeriodicalName\":\"Romantik zwischen zwei Welten\",\"FirstCategoryId\":\"1085\",\"ListUrlMain\":\"https://doi.org/10.1515/9783110703443-015\",\"RegionNum\":0,\"RegionCategory\":null,\"ArticlePicture\":[],\"TitleCN\":null,\"AbstractTextCN\":null,\"PMCID\":null,\"EPubDate\":\"\",\"PubModel\":\"\",\"JCR\":\"\",\"JCRName\":\"\",\"Score\":null,\"Total\":0}","platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Romantik zwischen zwei Welten","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.1515/9783110703443-015","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"","JCRName":"","Score":null,"Total":0}
Esteban Echeverría oder die Romantik aus dem Koffer
Bleiben wir an dieser Stelle unserer Vorlesung auf der amerikanischen Seite des Atlantik, wechseln wir aber die kulturelle Area und begeben wir uns nach Argentinien, wo wir erstmals auf eine sich entfaltende Romantik im Süden des amerikanischen Kontinents treffen! Wir haben uns bei unserer Beschäftigung mit den Entwicklungen hin zu einer europäischen Romantik ausführlich mit der literarischen Gestaltung vermeintlich (da aus europäischem Blickwinkel betrachteter) exotischer Welten beschäftigt. Nun wird es darauf ankommen, wie die von Europa aus Exotisierten ihre eigene Welt betrachten und zu diesem Zweck bestimmte aus Europa stammende literarische Verfahren oder Versatzstücke mit neuen Funktionen ausstatten und versehen. Bei näherer Betrachtung der Entwicklung der Romantik in jener Welt, für die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Bezeichnung „Lateinamerika“ aufkommt, zeigt sich bald, dass die vielleicht entscheidenden Impulse für die künftige Gestaltung dieses Genres von zwei Areas oder Teilregionen ausgehen, ohne dass damit gesagt wäre, dass sich lediglich eine Analyse dieser Areas lohnen würde. Da ist zum einen die Area des Cono Sur, insbesondere die sich herausbildende argentinische Nationalliteratur, sowie zum anderen die literarische Vielfalt der spanischsprachigen Karibik, wobei wir uns auf die Literatur der Insel Kuba konzentrieren wollen. Diese beiden ‚Motoren‘ der Entwicklung, wie wir sie nennen dürfen, könnten nicht unterschiedlicher gewählt sein. Argentinien zählte zu jenen Regionen des Subkontinents, in denen sich die Independencia am frühesten und auch am erfolgreichsten entwickelte. In der Figur von General José de San Martín läuft die große Tradition der Freiheitskämpfer und ihrer Generäle zusammen, eine Tradition, die bis ins 20. Jahrhundert wachgeblieben ist und sich etwa auch in den ständigen Anspielungen von Jorge Luis Borges auf seine militärischen Vorfahren zeigt. Kuba dagegen gehört jenem Raum an, der sich am spätesten von der spanischen Kolonialherrschaft befreite, gelang es der Insel doch erst mit dem Martí’schen Freiheitskrieg von 1895 bis 1898 jenen Weg einzuschlagen, der schließlich zu einer prekären politischen Unabhängigkeit führte. im Gegensatz zur Schwesterinsel Puerto Rico, die – wie Sie wissen – bis heute zu den Vereinigten Staaten von Amerika gehört, sowie zur Dominikanischen Republik, die sich mit Haiti die Insel Hispaniola teilt, hat Kuba freilich schon sehr früh und ohne eine eigenständige Nation zu sein eine Nationalliteratur entwickelt. So gibt es in einigen Aspekten durchaus Parallelen zu Deutschland, wo die Kulturnation der Nationalstaatsgründung vorausging. In Kuba entspricht der Figur des argenti-