{"title":"Anti-Diskriminierung Zivilrechtsverkehr在例子中“第三选项”(同时也有重要的信息注LG法兰克福a.M .判决从3.12.2020‑2 13 131/20啊!)","authors":"Selma Gather","doi":"10.5771/0023-4834-2021-3-302","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Mehrere Zivilgerichte haben in jüngerer Vergangenheit über Klagen von Personen mit nicht-binärer Geschlechtsidentität entschieden, die sich dagegen wehrten, im Geschäftsverkehr als „Herr“ oder „Frau“ adressiert zu werden. Mediale Aufmerksamkeit erlangte im Dezember 2020 ein Urteil des Landgerichts Frankfurt a.M., wonach die klagende Person ein Recht auf Unterlassung der binären Anrede hat. Das klingt erst einmal erfreulich - aber nur auf den ersten Blick. Geldentschädigung, die die klagende Person begehrte, sprach ihr das Gericht nämlich nicht zu. In der erwähnten Entscheidung wählte das Gericht zudem einen Lösungsweg, der es lohnenswert macht, sich eingehender mit der Entscheidung auseinanderzusetzen: Das LG Frankfurt a.M. stützte den Unterlassungsanspruch nämlich nicht auf das speziell auf Diskriminierungen im Zivilrechtsverkehr zugeschnittene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), sondern auf allgemeines Deliktsrecht. Überzeugend ist diese deliktsrechtliche Lösung nicht, aus mehreren Gründen: Diskriminierungsfälle dogmatisch (allein) als Persönlichkeitsrechtsverletzungen - und damit im Kern als Würdeverletzung - zu behandeln, wird der Gleichheitsdimension in der Regel nicht gerecht. Auch auf Rechtsfolgenebene kann auf die Diskriminierung allein mit § 823 BGB häufig nicht angemessen reagiert werden. Das AGG hingegen hält adäquate Sanktionen bereit. Der deliktsrechtlichen Lösung kann schließlich vorgehalten werden, die in diesem Heft interessierende „Beziehungsdimension“ nicht richtig zu verarbeiten.","PeriodicalId":282992,"journal":{"name":"Kritische Justiz","volume":"10 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2021-08-24","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":"{\"title\":\"Anti-Diskriminierung im Zivilrechtsverkehr am Beispiel der „Dritten Option“ (zugleich eine kritische Anmerkung zu LG Frankfurt a.M., Urteil vom 3.12.2020 – 2‑13 O 131/20)\",\"authors\":\"Selma Gather\",\"doi\":\"10.5771/0023-4834-2021-3-302\",\"DOIUrl\":null,\"url\":null,\"abstract\":\"Mehrere Zivilgerichte haben in jüngerer Vergangenheit über Klagen von Personen mit nicht-binärer Geschlechtsidentität entschieden, die sich dagegen wehrten, im Geschäftsverkehr als „Herr“ oder „Frau“ adressiert zu werden. Mediale Aufmerksamkeit erlangte im Dezember 2020 ein Urteil des Landgerichts Frankfurt a.M., wonach die klagende Person ein Recht auf Unterlassung der binären Anrede hat. Das klingt erst einmal erfreulich - aber nur auf den ersten Blick. Geldentschädigung, die die klagende Person begehrte, sprach ihr das Gericht nämlich nicht zu. In der erwähnten Entscheidung wählte das Gericht zudem einen Lösungsweg, der es lohnenswert macht, sich eingehender mit der Entscheidung auseinanderzusetzen: Das LG Frankfurt a.M. stützte den Unterlassungsanspruch nämlich nicht auf das speziell auf Diskriminierungen im Zivilrechtsverkehr zugeschnittene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), sondern auf allgemeines Deliktsrecht. Überzeugend ist diese deliktsrechtliche Lösung nicht, aus mehreren Gründen: Diskriminierungsfälle dogmatisch (allein) als Persönlichkeitsrechtsverletzungen - und damit im Kern als Würdeverletzung - zu behandeln, wird der Gleichheitsdimension in der Regel nicht gerecht. Auch auf Rechtsfolgenebene kann auf die Diskriminierung allein mit § 823 BGB häufig nicht angemessen reagiert werden. Das AGG hingegen hält adäquate Sanktionen bereit. Der deliktsrechtlichen Lösung kann schließlich vorgehalten werden, die in diesem Heft interessierende „Beziehungsdimension“ nicht richtig zu verarbeiten.\",\"PeriodicalId\":282992,\"journal\":{\"name\":\"Kritische Justiz\",\"volume\":\"10 1\",\"pages\":\"0\"},\"PeriodicalIF\":0.0000,\"publicationDate\":\"2021-08-24\",\"publicationTypes\":\"Journal Article\",\"fieldsOfStudy\":null,\"isOpenAccess\":false,\"openAccessPdf\":\"\",\"citationCount\":\"0\",\"resultStr\":null,\"platform\":\"Semanticscholar\",\"paperid\":null,\"PeriodicalName\":\"Kritische Justiz\",\"FirstCategoryId\":\"1085\",\"ListUrlMain\":\"https://doi.org/10.5771/0023-4834-2021-3-302\",\"RegionNum\":0,\"RegionCategory\":null,\"ArticlePicture\":[],\"TitleCN\":null,\"AbstractTextCN\":null,\"PMCID\":null,\"EPubDate\":\"\",\"PubModel\":\"\",\"JCR\":\"\",\"JCRName\":\"\",\"Score\":null,\"Total\":0}","platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Kritische Justiz","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.5771/0023-4834-2021-3-302","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"","JCRName":"","Score":null,"Total":0}
Anti-Diskriminierung im Zivilrechtsverkehr am Beispiel der „Dritten Option“ (zugleich eine kritische Anmerkung zu LG Frankfurt a.M., Urteil vom 3.12.2020 – 2‑13 O 131/20)
Mehrere Zivilgerichte haben in jüngerer Vergangenheit über Klagen von Personen mit nicht-binärer Geschlechtsidentität entschieden, die sich dagegen wehrten, im Geschäftsverkehr als „Herr“ oder „Frau“ adressiert zu werden. Mediale Aufmerksamkeit erlangte im Dezember 2020 ein Urteil des Landgerichts Frankfurt a.M., wonach die klagende Person ein Recht auf Unterlassung der binären Anrede hat. Das klingt erst einmal erfreulich - aber nur auf den ersten Blick. Geldentschädigung, die die klagende Person begehrte, sprach ihr das Gericht nämlich nicht zu. In der erwähnten Entscheidung wählte das Gericht zudem einen Lösungsweg, der es lohnenswert macht, sich eingehender mit der Entscheidung auseinanderzusetzen: Das LG Frankfurt a.M. stützte den Unterlassungsanspruch nämlich nicht auf das speziell auf Diskriminierungen im Zivilrechtsverkehr zugeschnittene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), sondern auf allgemeines Deliktsrecht. Überzeugend ist diese deliktsrechtliche Lösung nicht, aus mehreren Gründen: Diskriminierungsfälle dogmatisch (allein) als Persönlichkeitsrechtsverletzungen - und damit im Kern als Würdeverletzung - zu behandeln, wird der Gleichheitsdimension in der Regel nicht gerecht. Auch auf Rechtsfolgenebene kann auf die Diskriminierung allein mit § 823 BGB häufig nicht angemessen reagiert werden. Das AGG hingegen hält adäquate Sanktionen bereit. Der deliktsrechtlichen Lösung kann schließlich vorgehalten werden, die in diesem Heft interessierende „Beziehungsdimension“ nicht richtig zu verarbeiten.