{"title":"逃犯到地下,德国犹太人在1941年到1945年的情况","authors":"Claudia Schoppmann","doi":"10.14361/9783839408544-012","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Am 23. Oktober 1941 verfügten die Nationalsozialisten ein Auswanderungsverbot für die jüdische Bevölkerung im Deutschen Reich. Der Zeitpunkt war bewusst gewählt: Wenige Tage zuvor, am 18. Oktober, hatten sie mit der reichsweiten Deportation der jüdischen Minderheit begonnen, die zunächst nach Polen, Weißrussland und ins Baltikum ging, ab 1942 vor allem nach Auschwitz und Theresienstadt. Damit war Deutschland für die jüdische Bevölkerung, die ihre Heimat nicht rechtzeitig hatte verlassen können, zur tödlichen Falle geworden. Betroffen waren alle Menschen, die – unabhängig von ihrem Selbstverständnis oder Glaubensbekenntnis – aufgrund der »Nürnberger Gesetze« zu Juden erklärt und im Lauf der Jahre mit Hilfe von über 1.900 Verordnungen Schritt für Schritt ausgegrenzt, entrechtet und verfolgt worden waren.1 Der Höhepunkt ihrer Stigmatisierung war mit der Polizeiverordnung vom 19. September 1941 erreicht, die die öffentliche Kennzeichnung aller Juden mit einem gelben Stern anwies. Danach war es nicht mehr möglich, antijüdische Maßnahmen zu umgehen, indem man etwa in einen anderen Stadtteil ging, in welchem einen niemand kannte. Bis zum Ende der NS-Herrschaft gab es nur zwei Möglichkeiten, sich der Deportation zu entziehen: durch die Flucht in eine illegale Existenz oder ins Ausland. Letzteres glückte nur in wenigen Fällen. Fast alle Länder, die Deutschland umgaben, waren entweder besetzt oder verbündet und kamen daher als Fluchtziel nicht in Frage. 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Flucht in den Untergrund: zur Situation der jüdischen Bevölkerung in Deutschland 1941–1945
Am 23. Oktober 1941 verfügten die Nationalsozialisten ein Auswanderungsverbot für die jüdische Bevölkerung im Deutschen Reich. Der Zeitpunkt war bewusst gewählt: Wenige Tage zuvor, am 18. Oktober, hatten sie mit der reichsweiten Deportation der jüdischen Minderheit begonnen, die zunächst nach Polen, Weißrussland und ins Baltikum ging, ab 1942 vor allem nach Auschwitz und Theresienstadt. Damit war Deutschland für die jüdische Bevölkerung, die ihre Heimat nicht rechtzeitig hatte verlassen können, zur tödlichen Falle geworden. Betroffen waren alle Menschen, die – unabhängig von ihrem Selbstverständnis oder Glaubensbekenntnis – aufgrund der »Nürnberger Gesetze« zu Juden erklärt und im Lauf der Jahre mit Hilfe von über 1.900 Verordnungen Schritt für Schritt ausgegrenzt, entrechtet und verfolgt worden waren.1 Der Höhepunkt ihrer Stigmatisierung war mit der Polizeiverordnung vom 19. September 1941 erreicht, die die öffentliche Kennzeichnung aller Juden mit einem gelben Stern anwies. Danach war es nicht mehr möglich, antijüdische Maßnahmen zu umgehen, indem man etwa in einen anderen Stadtteil ging, in welchem einen niemand kannte. Bis zum Ende der NS-Herrschaft gab es nur zwei Möglichkeiten, sich der Deportation zu entziehen: durch die Flucht in eine illegale Existenz oder ins Ausland. Letzteres glückte nur in wenigen Fällen. Fast alle Länder, die Deutschland umgaben, waren entweder besetzt oder verbündet und kamen daher als Fluchtziel nicht in Frage. Die Schweiz, als einziges angrenzendes neutrales Land, hatte aufgrund ihrer judenfeindlichen Flüchtlingspolitik schon seit August 1938 Personen ohne Visum zurückgewiesen. Vier Jahre später, ab August 1942, verwehrte man den Verfolgten – schätzungsweise mehreren Tausend Juden – generell die Einreise. Um auf