Leben und Reflexion

Eine Philosophie, die seit der cartesischen Trennung von „imaginatio" und „intellectio" 1 sich darin gefiel, das Denken von der unmittelbaren Wahrnehmung, der lebendigen Vorstellung wegzulenken und immerfort auf sich selbst zuruckzubeugen, hat nicht wenig dazu beigetragen, das das Reflektieren uberhaupt als ein vom Lebensvolzug abgeschnittenes oder gar als dessen Widerpart 2 angesehen und daher nicht mehr in seiner Bedeutung erkannt wurde, die es gerade fur die Entfaltung des Lebens, insbesondere des menschlichen, hat. Zeigt sich doch das Spezifische menschlichen Daseins nicht zuletzt darin, das der Mensch im Unterschied zu allen ubrigen Seienden nicht einfachhin leben und blos da sein kann, sondern darauf angelegt ist, sich auf Leben und Dasein zuruckzubeugen, alle Wirklichkeit - eigene wie fremde - vor ein inneres Forum zu bringen, zu sich selbst wie zu allem Begegnenden in ein einzigartiges Verhaltnis zu treten. Denn wollte er ganz unreflektiert leben und einfach nur da sein, so muste er doch diese Lebensform bejahen und wollen, das heist, bereits zu ihr Stellung nehmen, sich zu ihr verhalten, heist, sie reflektieren.