{"title":"购买高端媒体哲学","authors":"Volkmar Mühleis","doi":"10.1515/jbmp-2020-0019","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"»Wir wissen ungemein viel, was aber, wenn wir das Verkehrte wissen?« Knapper als mit dieser Frage Rudolf Boehms an den Interviewer des flämischen Nachrichtenmagazins Knack vom 23. August 2011 kann man seine Philosophie kaum zusammenfassen.1 Wissen steht nicht für sich, es sollte dem Menschen dienen. Was er in eingehenden Studien von Das Grundlegende und das Wesentliche (1965) über Kritik der Grundlagen des Zeitalters (1974) bis hin zu Ökonomie und Metaphysik (2004) philosophisch wie philosophiehistorisch aufzeigte, ist zum einen ein Denken mit und gegen Martin Heidegger, zum anderen der Aufriss einer alternativen Fragestellung für die Zukunft, der nach einer Poetik der Lebenswelt.2 Boehm, der bei Hans-Georg Gadamer und Karl-Heinz VolkmannSchluck in Leipzig studiert hatte, wendete sich mit Heidegger gegen das aristotelische Streben nach einem Wissen um des Wissens willen, die Vorstellung eines vermeintlich rein theoretischen, metaphysischen Wissens. Dass Heidegger im Rückgang auf die Vorsokratiker Aristoteles und die metaphysische Tradition bis hin zu seinem eigenen Denken des Seins zu überwinden versuchte, hielt Boehm dagegen für verfehlt, wie er in Das Grundlegende und das Wesentliche zeigte, da ihm die kritische Analyse vorsokratischer Prämissen durch Aristoteles selbst bereits schlüssig erschien. Während Heidegger mit den Vorsokratikern auf das Zugrundeliegende (hypokeimenon) zurückverwies, bewies nach Boehm die aristotelische Analyse im Buch Z von dessen Metaphysik bereits die Irreführung eines solchen Vorhabens, indem sich die Seinsfrage nach dem Rückbezug des Zugrundeliegenden auf das Wesentliche zu richten habe, das in diesem Fall nicht darin bestehen kann, die Materie zum Beispiel als Seinsgrund, als hypokeimenon, auszumachen, vielmehr das Zusammenwirken klären muss vom Primat der Materie mit dem Erscheinenden, woraus das Wesentliche des Ganzen erst ersichtlich zu werden verspricht – ein Gedankengang, der sich derart nicht bei den Vorsokratikern findet und der bis hin zur Phänomenologie Edmund Husserls die zentrale erkenntnistheoretische Problematik aufzeigt. 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