{"title":"合作企业治理的新领域","authors":"D. Gerst","doi":"10.5771/0342-300x-2020-4-295","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Wer im Betrieb die Interessen der Beschäftigten vertritt, hat insbesondere das Ziel im Blick, diese bei Veränderungen zu schützen. Betriebsräte tun dies mit Erfolg, indem sie vor allem die Mitbestimmungsrechte zu sozialen Angelegenheiten nutzen, die im Betriebsverfassungsgesetz verankert sind, und indem sie zugleich darauf dringen, möglichst früh über geplante Modernisierungsprozesse informiert zu werden. Darin sehen die meisten Betriebsräte ihre Hauptaufgabe. Deutlich weniger Wert legen sie darauf, sich aktiv an der Entwicklung von Innovationsstrategien und Geschäftsmodellen des Unternehmens zu beteiligen. In aller Regel gilt : Nicht nur die Unternehmensleitung sieht die übergeordnete Unternehmensstrategie und deren Entwicklung allein in ihrer Verantwortung, das sehen auch die meisten Betriebsräte und Vertrauensleute so. Damit gibt es eine Arbeitsteilung, die von beiden Seiten gleichermaßen akzeptiert wird : Das Management entscheidet über die Strategie, der Betriebsrat reguliert die Folgen. Warum verhalten sich Betriebsräte so ? Warum bringen sie sich kaum in die strategische Modernisierung von Betrieben ein ? Das hat mehrere Gründe. Der erste : Wer sich da einmischt, bewegt sich rechtlich auf dünnem Eis. Denn das Betriebsverfassungsgesetz bietet dafür nur schwache Beteiligungsrechte, sodass diejenigen, die sich aktiv in das Innovationsgeschehen im Betrieb einbringen, das hohe Risiko eingehen, im Konfliktfall zu unterliegen. Und solche Konflikte könnten zudem eskalieren, wenn Management und Eigentümer für dieses Feld ihr Recht auf unternehmerische Selbstbestimmung reklamieren. Einen weiteren Grund halte ich jedoch für schwererwiegend : Betriebsräte, die auf dem Feld der Unternehmensstrategie aktiv sind, gelten gemeinhin als Co-Manager. Und die Strategie des Co-Managements hat in Teilen der Gewerkschaften immer noch einen schlechten Ruf. Wer sich gemeinsam mit dem Management engagiert, um Produktpaletten und Herstellungsprozesse zu modernisieren, setzt sich als Betriebsrat auch heute noch dem Verdacht aus, im Zweifel dem Management näher zu stehen als den Beschäftigten. Zwar haben Betriebsräte mit der gewerkschaftlichen Strategie „Besser statt billiger“ in ausgewählten Betrieben gute Erfahrungen gemacht, gelang es ihnen doch damit, eine nachhaltige betriebliche Innovationspolitik einzufordern. 1 Auch wegen dieser Erfahrungen ist die Sicht auf die Strategie des Co-Managements heute weniger ideologisch geprägt als zuvor. Dennoch hat sich das Selbstverständnis vieler Betriebsräte noch nicht grundlegend geändert. Betriebsstrategien mit zu entwickeln ist wichtiger denn je. Das zeigt der 2019 erstellte Transformationsatlas der IG Metall. 2 Basierend auf den Befragungen von Betriebsräten in mehr als 2000 Betrieben zeigt sich hier ein wichtiges Ergebnis : Etwa die Hälfte der Unternehmen kümmert sich unzureichend um ihre strategische Ausrichtung und damit um ihre Zukunft – ein großes Defizit, das erneut die Frage aufwirft, ob das Thema Strategieentwicklung wirklich allein der Arbeitgeberseite überlassen werden darf. Deshalb diskutiere ich im Folgenden genauer die Auswertung der Befragung.","PeriodicalId":255082,"journal":{"name":"WSI-Mitteilungen","volume":"17 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2020-07-20","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"1","resultStr":"{\"title\":\"Geschäftsmodelle mitentwickeln – ein neues Handlungsfeld der Betriebsräte\",\"authors\":\"D. 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Geschäftsmodelle mitentwickeln – ein neues Handlungsfeld der Betriebsräte
Wer im Betrieb die Interessen der Beschäftigten vertritt, hat insbesondere das Ziel im Blick, diese bei Veränderungen zu schützen. Betriebsräte tun dies mit Erfolg, indem sie vor allem die Mitbestimmungsrechte zu sozialen Angelegenheiten nutzen, die im Betriebsverfassungsgesetz verankert sind, und indem sie zugleich darauf dringen, möglichst früh über geplante Modernisierungsprozesse informiert zu werden. Darin sehen die meisten Betriebsräte ihre Hauptaufgabe. Deutlich weniger Wert legen sie darauf, sich aktiv an der Entwicklung von Innovationsstrategien und Geschäftsmodellen des Unternehmens zu beteiligen. In aller Regel gilt : Nicht nur die Unternehmensleitung sieht die übergeordnete Unternehmensstrategie und deren Entwicklung allein in ihrer Verantwortung, das sehen auch die meisten Betriebsräte und Vertrauensleute so. Damit gibt es eine Arbeitsteilung, die von beiden Seiten gleichermaßen akzeptiert wird : Das Management entscheidet über die Strategie, der Betriebsrat reguliert die Folgen. Warum verhalten sich Betriebsräte so ? Warum bringen sie sich kaum in die strategische Modernisierung von Betrieben ein ? Das hat mehrere Gründe. Der erste : Wer sich da einmischt, bewegt sich rechtlich auf dünnem Eis. Denn das Betriebsverfassungsgesetz bietet dafür nur schwache Beteiligungsrechte, sodass diejenigen, die sich aktiv in das Innovationsgeschehen im Betrieb einbringen, das hohe Risiko eingehen, im Konfliktfall zu unterliegen. Und solche Konflikte könnten zudem eskalieren, wenn Management und Eigentümer für dieses Feld ihr Recht auf unternehmerische Selbstbestimmung reklamieren. Einen weiteren Grund halte ich jedoch für schwererwiegend : Betriebsräte, die auf dem Feld der Unternehmensstrategie aktiv sind, gelten gemeinhin als Co-Manager. Und die Strategie des Co-Managements hat in Teilen der Gewerkschaften immer noch einen schlechten Ruf. Wer sich gemeinsam mit dem Management engagiert, um Produktpaletten und Herstellungsprozesse zu modernisieren, setzt sich als Betriebsrat auch heute noch dem Verdacht aus, im Zweifel dem Management näher zu stehen als den Beschäftigten. Zwar haben Betriebsräte mit der gewerkschaftlichen Strategie „Besser statt billiger“ in ausgewählten Betrieben gute Erfahrungen gemacht, gelang es ihnen doch damit, eine nachhaltige betriebliche Innovationspolitik einzufordern. 1 Auch wegen dieser Erfahrungen ist die Sicht auf die Strategie des Co-Managements heute weniger ideologisch geprägt als zuvor. Dennoch hat sich das Selbstverständnis vieler Betriebsräte noch nicht grundlegend geändert. Betriebsstrategien mit zu entwickeln ist wichtiger denn je. Das zeigt der 2019 erstellte Transformationsatlas der IG Metall. 2 Basierend auf den Befragungen von Betriebsräten in mehr als 2000 Betrieben zeigt sich hier ein wichtiges Ergebnis : Etwa die Hälfte der Unternehmen kümmert sich unzureichend um ihre strategische Ausrichtung und damit um ihre Zukunft – ein großes Defizit, das erneut die Frage aufwirft, ob das Thema Strategieentwicklung wirklich allein der Arbeitgeberseite überlassen werden darf. Deshalb diskutiere ich im Folgenden genauer die Auswertung der Befragung.