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Erst in den letzten Jahren ist klar geworden, dass es notwendig ist, auch Reichtum in den Blick zu nehmen, wenn man die Entwicklung sozialer Ungleichheit erklären und verstehen möchte. Entwicklungen an der oberen Spitze der Verteilung haben große Auswirkungen auf das soziale Ungleichheitsgefüge einer Gesellschaft. Einen Abriss über den Stand der sozialwissenschaftlichen Reichtumsforschung zu geben und die aktuelle Entwicklung des Reichtums in Deutschland zu analysieren, ist Ziel dieses Beitrags. Der Beitrag gliedert sich in vier Abschnitte. Im ersten wird die Geschichte der Beschäftigung mit Reichtum in den Sozialwissenschaften dargelegt. Es wird aufgezeigt, wie und aus welchen Gründen sich Reichtum im Verlauf der letzten Jahrzehnte zu einem viel beachteten Thema entwickeln konnte. Dabei werden die Grundlagen der sozialwissenschaftlichen Verortung dieses Themas erarbeitet. Der Frage, wie sozialwissenschaftliche Reichtumskonzepte wie etwa der Ressourcenansatz, der im Zentrum dieses Beitrags steht, aussehen und wie sich solche Konzepte empirisch umsetzen lassen, wird im zweiten Abschnitt nachgegangen. Darauf aufbauend stellt der dritte Abschnitt dar, wie sich der Anteil der Einkommensreichen in Westdeutschland und im wiedervereinigten Deutschland in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat. Im Schlussabschnitt wird der aktuelle Stand der sozialwissenschaftlichen Reichtumsforschung einer kritischen Bestandsaufnahme unterzogen. Dabei wird klar: Die Reichtumsforschung steht immer noch vor großen konzeptionellen und methodischen Herausforderungen. 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Im ersten wird die Geschichte der Beschäftigung mit Reichtum in den Sozialwissenschaften dargelegt. Es wird aufgezeigt, wie und aus welchen Gründen sich Reichtum im Verlauf der letzten Jahrzehnte zu einem viel beachteten Thema entwickeln konnte. Dabei werden die Grundlagen der sozialwissenschaftlichen Verortung dieses Themas erarbeitet. Der Frage, wie sozialwissenschaftliche Reichtumskonzepte wie etwa der Ressourcenansatz, der im Zentrum dieses Beitrags steht, aussehen und wie sich solche Konzepte empirisch umsetzen lassen, wird im zweiten Abschnitt nachgegangen. Darauf aufbauend stellt der dritte Abschnitt dar, wie sich der Anteil der Einkommensreichen in Westdeutschland und im wiedervereinigten Deutschland in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat. Im Schlussabschnitt wird der aktuelle Stand der sozialwissenschaftlichen Reichtumsforschung einer kritischen Bestandsaufnahme unterzogen. 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Reichtum in Deutschland – sozialwissenschaftliche Perspektiven
In der sozialwissenschaftlichen Forschung ist Reichtum erst Ende der 1990er Jahre zu einem eigenständigen Forschungsgegenstand geworden. Dies ist erstaunlich, da das Thema »soziale Ungleichheit« im Allgemeinen und die Armutsforschung im Besonderen eine lange sozialwissenschaftliche Tradition haben. Eine Erklärung für dieses sozialwissenschaftliche Unbehagen am Thema Reichtum mag sein, dass die Frage »Wozu Reichtumsforschung?« lange ungeklärt war. Der Soziologe Ulrich Beck führt dieses Unbehagen darauf zurück, dass man sich als Soziolog_in »verdächtig« mache, wenn man sich mit Reichtum beschäftige, da »andere Soziologen [...] dann behaupten [könnten], da wolle einer die Reichen verstehen«.1 Der Anlass, Armut zu erforschen, ist gerade auch vor dem Ziel, sie zu bekämpfen oder zu verringern, sehr nachvollziehbar. Erst in den letzten Jahren ist klar geworden, dass es notwendig ist, auch Reichtum in den Blick zu nehmen, wenn man die Entwicklung sozialer Ungleichheit erklären und verstehen möchte. Entwicklungen an der oberen Spitze der Verteilung haben große Auswirkungen auf das soziale Ungleichheitsgefüge einer Gesellschaft. Einen Abriss über den Stand der sozialwissenschaftlichen Reichtumsforschung zu geben und die aktuelle Entwicklung des Reichtums in Deutschland zu analysieren, ist Ziel dieses Beitrags. Der Beitrag gliedert sich in vier Abschnitte. Im ersten wird die Geschichte der Beschäftigung mit Reichtum in den Sozialwissenschaften dargelegt. Es wird aufgezeigt, wie und aus welchen Gründen sich Reichtum im Verlauf der letzten Jahrzehnte zu einem viel beachteten Thema entwickeln konnte. Dabei werden die Grundlagen der sozialwissenschaftlichen Verortung dieses Themas erarbeitet. Der Frage, wie sozialwissenschaftliche Reichtumskonzepte wie etwa der Ressourcenansatz, der im Zentrum dieses Beitrags steht, aussehen und wie sich solche Konzepte empirisch umsetzen lassen, wird im zweiten Abschnitt nachgegangen. Darauf aufbauend stellt der dritte Abschnitt dar, wie sich der Anteil der Einkommensreichen in Westdeutschland und im wiedervereinigten Deutschland in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat. Im Schlussabschnitt wird der aktuelle Stand der sozialwissenschaftlichen Reichtumsforschung einer kritischen Bestandsaufnahme unterzogen. Dabei wird klar: Die Reichtumsforschung steht immer noch vor großen konzeptionellen und methodischen Herausforderungen. Diese gilt es zu bewältigen, ist doch die gesellschaftspolitische