{"title":"作为历史性的时刻德国人逃亡特遣","authors":"Vincent Regente","doi":"10.14361/9783839451694-004","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Sowohl Flucht als auch Vertreibung scheinen auf den ersten Blick anthropologische Konstanten zu sein. In der westlichen Kulturgeschichte gilt die Vertreibung der Juden in das babylonische Exil als ein frühes Beispiel für eine staatlich forcierte kollektive Zwangsumsiedlung. Die Flucht der Bevölkerung vor Kriegszügen und Frontverläufen aus Angst vor Übergriffen und Kriegsgewalt erscheint als eine unausweichliche Begleiterscheinung der Menschheitsgeschichte – und so scheinen sich sogar die Bilder über die unterschiedlichen Epochen bis hin in unsere Gegenwart zu gleichen. Dennoch unterscheiden sich Fluchtund Vertreibungsbewegungen sowie Genozide im 19. und 20. Jahrhundert durch verschiedene Spezifika von ihren historischen Vorläufern: Zum einen entwickelte sich das Modell des ethnisch homogenen Nationalstaates mit »einer einheitlichen Kultur und Sprache des Staatsvolkes« zu einem Sinnbild moderner Staatlichkeit. Zum anderen handelt es sich um eine andere Größenordnung, denn ganze Bevölkerungsgruppen – zumeist als eine Ethnie definiert – wurden geschlossen und dauerhaft aus einem Gebiet entfernt und die Möglichkeit eines Arrangements mit der neuenHerrschaft oder die Schaffung spezifischerMinderheitenrechte ausgeschlossen. In den letzten Jahren haben Historiker wie Michael Schwartz oder Philipp Ther den engen Zusammenhang von ethnischer Gewalt und modernem Staat hervorgehoben: »Ethnische Säuberungen sind ein Kind des Nationalstaats und damit ein zentraler Bestandteil der europäischen Moderne.« Vertreibungsaktionen, Flüchtlingstrecks, Deportationen, Internierungen und ›ethnische Säuberungen‹ prägten Teile des Kontinents entscheidend. Konservativ geschätzt waren etwa 40MillionenMenschen aufgrund ihrerNationalität, Religion oder Klasse im Europa des 20. Jahrhunderts von Zwangsmigrationsprozessen betroffen. In Deutsch-","PeriodicalId":395507,"journal":{"name":"Flucht und Vertreibung in europäischen Museen","volume":"331 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2020-12-31","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":"{\"title\":\"Flucht und Vertreibung der Deutschen als historisches Ereignis\",\"authors\":\"Vincent Regente\",\"doi\":\"10.14361/9783839451694-004\",\"DOIUrl\":null,\"url\":null,\"abstract\":\"Sowohl Flucht als auch Vertreibung scheinen auf den ersten Blick anthropologische Konstanten zu sein. In der westlichen Kulturgeschichte gilt die Vertreibung der Juden in das babylonische Exil als ein frühes Beispiel für eine staatlich forcierte kollektive Zwangsumsiedlung. Die Flucht der Bevölkerung vor Kriegszügen und Frontverläufen aus Angst vor Übergriffen und Kriegsgewalt erscheint als eine unausweichliche Begleiterscheinung der Menschheitsgeschichte – und so scheinen sich sogar die Bilder über die unterschiedlichen Epochen bis hin in unsere Gegenwart zu gleichen. Dennoch unterscheiden sich Fluchtund Vertreibungsbewegungen sowie Genozide im 19. und 20. Jahrhundert durch verschiedene Spezifika von ihren historischen Vorläufern: Zum einen entwickelte sich das Modell des ethnisch homogenen Nationalstaates mit »einer einheitlichen Kultur und Sprache des Staatsvolkes« zu einem Sinnbild moderner Staatlichkeit. Zum anderen handelt es sich um eine andere Größenordnung, denn ganze Bevölkerungsgruppen – zumeist als eine Ethnie definiert – wurden geschlossen und dauerhaft aus einem Gebiet entfernt und die Möglichkeit eines Arrangements mit der neuenHerrschaft oder die Schaffung spezifischerMinderheitenrechte ausgeschlossen. In den letzten Jahren haben Historiker wie Michael Schwartz oder Philipp Ther den engen Zusammenhang von ethnischer Gewalt und modernem Staat hervorgehoben: »Ethnische Säuberungen sind ein Kind des Nationalstaats und damit ein zentraler Bestandteil der europäischen Moderne.« Vertreibungsaktionen, Flüchtlingstrecks, Deportationen, Internierungen und ›ethnische Säuberungen‹ prägten Teile des Kontinents entscheidend. Konservativ geschätzt waren etwa 40MillionenMenschen aufgrund ihrerNationalität, Religion oder Klasse im Europa des 20. Jahrhunderts von Zwangsmigrationsprozessen betroffen. In Deutsch-\",\"PeriodicalId\":395507,\"journal\":{\"name\":\"Flucht und Vertreibung in europäischen Museen\",\"volume\":\"331 1\",\"pages\":\"0\"},\"PeriodicalIF\":0.0000,\"publicationDate\":\"2020-12-31\",\"publicationTypes\":\"Journal Article\",\"fieldsOfStudy\":null,\"isOpenAccess\":false,\"openAccessPdf\":\"\",\"citationCount\":\"0\",\"resultStr\":null,\"platform\":\"Semanticscholar\",\"paperid\":null,\"PeriodicalName\":\"Flucht und Vertreibung in europäischen Museen\",\"FirstCategoryId\":\"1085\",\"ListUrlMain\":\"https://doi.org/10.14361/9783839451694-004\",\"RegionNum\":0,\"RegionCategory\":null,\"ArticlePicture\":[],\"TitleCN\":null,\"AbstractTextCN\":null,\"PMCID\":null,\"EPubDate\":\"\",\"PubModel\":\"\",\"JCR\":\"\",\"JCRName\":\"\",\"Score\":null,\"Total\":0}","platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Flucht und Vertreibung in europäischen Museen","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.14361/9783839451694-004","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"","JCRName":"","Score":null,"Total":0}
Flucht und Vertreibung der Deutschen als historisches Ereignis
Sowohl Flucht als auch Vertreibung scheinen auf den ersten Blick anthropologische Konstanten zu sein. In der westlichen Kulturgeschichte gilt die Vertreibung der Juden in das babylonische Exil als ein frühes Beispiel für eine staatlich forcierte kollektive Zwangsumsiedlung. Die Flucht der Bevölkerung vor Kriegszügen und Frontverläufen aus Angst vor Übergriffen und Kriegsgewalt erscheint als eine unausweichliche Begleiterscheinung der Menschheitsgeschichte – und so scheinen sich sogar die Bilder über die unterschiedlichen Epochen bis hin in unsere Gegenwart zu gleichen. Dennoch unterscheiden sich Fluchtund Vertreibungsbewegungen sowie Genozide im 19. und 20. Jahrhundert durch verschiedene Spezifika von ihren historischen Vorläufern: Zum einen entwickelte sich das Modell des ethnisch homogenen Nationalstaates mit »einer einheitlichen Kultur und Sprache des Staatsvolkes« zu einem Sinnbild moderner Staatlichkeit. Zum anderen handelt es sich um eine andere Größenordnung, denn ganze Bevölkerungsgruppen – zumeist als eine Ethnie definiert – wurden geschlossen und dauerhaft aus einem Gebiet entfernt und die Möglichkeit eines Arrangements mit der neuenHerrschaft oder die Schaffung spezifischerMinderheitenrechte ausgeschlossen. In den letzten Jahren haben Historiker wie Michael Schwartz oder Philipp Ther den engen Zusammenhang von ethnischer Gewalt und modernem Staat hervorgehoben: »Ethnische Säuberungen sind ein Kind des Nationalstaats und damit ein zentraler Bestandteil der europäischen Moderne.« Vertreibungsaktionen, Flüchtlingstrecks, Deportationen, Internierungen und ›ethnische Säuberungen‹ prägten Teile des Kontinents entscheidend. Konservativ geschätzt waren etwa 40MillionenMenschen aufgrund ihrerNationalität, Religion oder Klasse im Europa des 20. Jahrhunderts von Zwangsmigrationsprozessen betroffen. In Deutsch-