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Dies subvertierte die Grundlagen literarischen Schreibens selbst – wie am Beispiel von Michel Butors Mobile gezeigt – und ließ nach neuen textuellen Ufern Ausschau halten. Dabei ging es schon bald nicht mehr um Subjektivität, insofern das Subjekt gleichsam abgeschafft worden war, zusammen mit allem Muff und den Konventionen der Psychologie und des psychologischen Romans. Die ‚Tiefe‘ literarischer Figuren erschien als nicht weniger bürgerlich, rückständig und reaktionär als die herkömmliche Darstellung literarischer Subjektivität, wie sie sich kanonisch innerhalb von Erzählwerken in einer Figurenkonstellation ausdrückt. Nicht die Figuren und deren Variationen des Autors, sondern allerhöchstens die Autorfunktion und deren Textualität waren Themen, denen man sich (zumindest in den Theorie-Eliten) noch mit großem Eifer zuwandte. Die Figur des Lesers rückte in den Mittelpunkt und die Markierung des Autors schien in den ausgehenden sechziger sowie beginnenden siebziger Jahren keine größere Aufmerksamkeit mehr zu verdienen. Und doch: Gerade jener Theoretiker und Essayist, der durchaus öffentlichkeitswirksam den Tod des Autors verkündet hatte, legte im Jahre 1975, also gerade einmal sieben Jahre nach seinem vielbeachteten Aufsatz, selbst eine Autobiographie vor, zudem in jener Reihe „Ecrivains de toujours“, in der er zu Beginn seiner Karriere eine dem Historiker Michelet gewidmete Biographie veröffentlicht hatte. War Barthes damit definitiv zu einem Schriftsteller geworden? Roland Barthes par Roland Barthes war durchaus keine gewöhnliche Autobiographie. 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摘要
在千禧年初期,自传和自传的书写就变得十分重要。这句话让那些听信我们演讲的人不知凡几。因为正在那你知道了60年代的压力下的环境中的Textualitäts-Dogmas小组从好到如此"气象员"的位置,更严厉的攻击一直在细菌战传统主流Subjektphilosophie和常在文学领域vehementere Hinterfragung对象”或“作家”的概念”的.这是对文学作品基础的注解——正如作者米歇尔·巴克的莫比尔所展示的那样——然后促使人们挖掘出大量新的文本。但这一切很快就不再是关于主题性的,因为主题者已经摆脱了。‚深度一般法国文学人物出现时不像中产阶级、落后和反动分子并不像传统的法国文学正典主观判断,如何内Erzählwerken刚好在一个Figurenkonstellation .不是主角及其作者的变体,最多是作者的功能和字体是仍热烈投入的主题(至少在理论精英们当中)。读者的角色被焦点所吸引,作者的标记在20世纪60年代和70年代似乎已经不值得关注了。然而:现在的理论家和随笔作家、作者的死亡完全öffentlichkeitswirksam宣布1975年就有了,所以现在有一次vielbeachteten文章,后7年现代图书出版公司”;此外,那排Ecrivains de toujours”,在职业生涯初期的历史学家Michelet的传记出版有.”巴斯是否确定自己成了作家Roland Barthes并非普通的自传我认为我们应该有一点时间
Clarice Lispector, Nathalie Sarraute oder die literarische Behandlung autobiographischer Oberflächen
Während des nun ins Auge gefassten Zeitraums erhielten autobiographische und autofiktionale Schreibformen eine solche Bedeutung, dass man ohne jede Übertreibung sagen könnte, dass autobiographisches Schreiben in seinen vielfältigen Variationen zu einer der Hauptgattungen der Literaturen im Zeichen der Postmoderne geworden ist. Diese Aussage hat das Zeug, zumindest all jenen als paradox zu erscheinen, die unserer Vorlesung aufmerksam gefolgt sind. Denn dann wissen Sie, dass sich gerade in den sechziger Jahren unter dem Druck des Textualitäts-Dogmas im Umfeld der Gruppe Tel Quel die Positionen derart radikalisierten, dass immer schärfere Angriffe gegen eine im Abendland traditionell vorherrschende Subjektphilosophie und eine im literarischen Bereich immer vehementere Hinterfragung der Begriffe „Subjekt“ oder „Autor“ erfolgten. Dies subvertierte die Grundlagen literarischen Schreibens selbst – wie am Beispiel von Michel Butors Mobile gezeigt – und ließ nach neuen textuellen Ufern Ausschau halten. Dabei ging es schon bald nicht mehr um Subjektivität, insofern das Subjekt gleichsam abgeschafft worden war, zusammen mit allem Muff und den Konventionen der Psychologie und des psychologischen Romans. Die ‚Tiefe‘ literarischer Figuren erschien als nicht weniger bürgerlich, rückständig und reaktionär als die herkömmliche Darstellung literarischer Subjektivität, wie sie sich kanonisch innerhalb von Erzählwerken in einer Figurenkonstellation ausdrückt. Nicht die Figuren und deren Variationen des Autors, sondern allerhöchstens die Autorfunktion und deren Textualität waren Themen, denen man sich (zumindest in den Theorie-Eliten) noch mit großem Eifer zuwandte. Die Figur des Lesers rückte in den Mittelpunkt und die Markierung des Autors schien in den ausgehenden sechziger sowie beginnenden siebziger Jahren keine größere Aufmerksamkeit mehr zu verdienen. Und doch: Gerade jener Theoretiker und Essayist, der durchaus öffentlichkeitswirksam den Tod des Autors verkündet hatte, legte im Jahre 1975, also gerade einmal sieben Jahre nach seinem vielbeachteten Aufsatz, selbst eine Autobiographie vor, zudem in jener Reihe „Ecrivains de toujours“, in der er zu Beginn seiner Karriere eine dem Historiker Michelet gewidmete Biographie veröffentlicht hatte. War Barthes damit definitiv zu einem Schriftsteller geworden? Roland Barthes par Roland Barthes war durchaus keine gewöhnliche Autobiographie. Uns fehlt ein wenig die Zeit, uns mit diesem für die Entwicklung