{"title":"Nachruf G. D. Maitland MBE","authors":"D. Maitland","doi":"10.1055/s-0029-1245436","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Fast genau 1 Jahr nach dem Tod seiner Frau Anne ist Geoffrey Douglas Maitland am 22. Januar 2010 in Adelaide (Australien) gestorben. Die Nachricht seines Todes hat uns als Dozentengruppe sehr berührt. Unser Beileid gilt seiner Familie. Geoffrey wurde 1924 in Adelaide geboren. Während des Zweiten Weltkriegs diente er in der australischen Luftwaffe in Großbritannien. Dort lernte er seine Frau Anne kennen, die in den folgenden Jahren eine wichtige Rolle für seine Entwicklung als Autor und Lehrer spielen sollte. Von 1946 bis 1949 ließ er sich als Physiotherapeut ausbilden und 1951 wurde er zum klinischen Tutor an der South Australian School of Physiotherapy ernannt. Im Jahr 1961 erhielt er ein Stipendium, das ihm ermöglichte, mit seiner Frau Anne auf Studienreise zu gehen. Er besuchte Osteopathen, Chiropraktiker, Ärzte und Physiotherapeuten, von denen er gehört oder gelesen hatte. Mit einigen von ihnen hatte er in vorhergehenden Jahren korrespondiert. In London führte er interessante Diskussionen und einen regen klinischen Austausch mit James Cyriax und dessen Team. Auf dieser Reise begann seine Freundschaft mit Gregory P. Grieve. Nach seiner Studienreise begann eine enorme berufliche Entwicklung. In diese Zeit fallen seine Ideen zu sanften passiven Mobilisationen, die Gründung des weltweit 1. postgraduierten Kurses in Manipulativer Physiotherapie am South Australian Institute of Technology und die Publikation seiner ersten Fachbücher (Vertebral Manipulation 1964 und Peripheral Manipulation 1970). Seine Bücher gehören heute zu den Bestsellern in der Physiotherapie. Sie wurden mehrfach neu aufgelegt und in zahlreiche Sprachen übersetzt. In den angeführten beiden Büchern beschrieb Geoffrey eines der ersten Modelle für den Clinical-Reasoning-Prozess in der Physiotherapie. Immer wieder betonte er die Notwendigkeit eines tiefen und breiten theoretischen Wissens, um die klinische Praxis zu unterstützen. Im Mittelpunkt seiner Arbeit standen die Hinwendung zum Patienten und das Bewusstsein, dass dessen Persönlichkeit einen wesentlichen Einfluss auf die Behandlung hat. Neben seinen Büchern verfasste Geoffrey Maitland zahlreiche Publikationen in wissenschaftlichen Zeitschriften. Seine Untersuchungsund Behandlungstechniken gelten heute in vielen klinischen Studien als Standard. Referenzen zu seinen Publikationen finden sich in fast allen aktuellen physiotherapeutischen Veröffentlichungen. Die entscheidende Weiterentwicklung seiner Ideen hin zu dem, was wir heute das Maitland-Konzept nennen, fand in der Schweiz statt. 1978 folgte Geoffrey einer Einladung von Dr. Zinn und Gisela Rolf in die Hermitage, einem Studienzentrum für Physiotherapeuten in Bad Ragaz. Der erste 3-wöchige Kurs war ein internationales Ereignis, an dem Therapeuten aus aller Welt teilnahmen. Durch die Begegnungen in der Hermitage nahm die Entwicklung des Kurssystems ihren Anfang. Ab 1984 wurden die ersten Instruktoren ausgebildet und die Vermittlung des Konzepts konnte europaweit ausgedehnt werden. Ab 1988 unterrichteten die ersten 5 Therapeuten selbstständig. Nachdem sich die Gruppe in den folgenden Jahren weiter vergrößerte, tauchten Gedanken auf, wie man sich organisieren könnte. Im Jahr 1992 erfolgte die offizielle Vereinsgründung der International Maitland Teachers Association (IMTA). Maitland als Gründungsmitglied und 1. Präsident übertrug der Gruppe das Recht, als einzige seinen Namen für Unterrichtszwecke zu gebrauchen. Gemeinsam mit der IMTA sicherte er die Weiterentwicklung der konzeptionellen Inhalte und die Lehrerausbildung. Vor allem durch die Arbeit von weiteren, in Australien tätigen Physiotherapeuten besteht Geoffreys Lebenswerks fort. So hat Mark Jones die Denkweise und das analytische Vorgehen des Konzepts übernommen bzw. ergänzt und daraus ein strukturiertes, evidenzbasiertes Clinical-Reasoning-Konzept entwickelt. Bob Elvey und David Butler haben Geoffreys Ideen über neuromeningeale Strukturen weitergeführt und unser Wissen und die Fähigkeiten im Umgang mit Nervengewebe und Schmerzmechanismen beträchtlich erweitert. Geoffreys enormes Engagement für unseren Beruf zeigte sich auch durch seine Mitarbeit in zahlreichen Organisationen. 1974 war er an der Gründung der International Federation of Orthopaedic Manipulative Physical Therapy (IFOMPT), der Fachgruppe für Manuelle Therapie innerhalb des WCPT beteiligt. Zahlreiche Auszeichnungen verdeutlichen die internationale Wertschätzung seiner Arbeit innerhalb unserer Berufsgruppe. All das drückt aber nicht aus, was wir durch die persönliche Begegnung mit Geoffrey erfuhren und lernten. In seinen Kursen herrschten eine Atmosphäre gegenseitiger Akzeptanz und das Gefühl vor, eine große Familie zu sein. Geoffrey und sein Frau Anne waren unzertrennlich und durch gelebten christlichen Glauben sowie dem Bedürfnis verbunden, für andere Menschen da zu sein. Anne war bei seinen Vorträgen immer anwesend, kümmerte sich um das Wohlergehen der Kursteilnehmer und lieferte ihrem Ehemann ein faires Feedback. Seine Fähigkeit zur Eigenreflexion führte dazu, dass er sich ständig verbessern und weiterentwickeln konnte. Zusammen bildeten sie ein großartiges Team. Trotz seiner großen Errungenschaften in der Physiotherapie ist Geoffrey immer ein bescheidener Mensch geblieben. Seine Haltung gegenüber Patienten drückte Wertschätzung und Empathie aus. Als gutem Zuhörer entgingen ihm keine Nuance im Gespräch mit seinen Patienten und kein Aspekt der nonverbalen Kommunikation. Mit Geoffrey Maitland verlieren wir einen Vordenker, Visionär und eine große Persönlichkeit. Er hat wie kein anderer unseren beruflichen Werdegang geprägt. Wir werden ihn als großes Vorbild und persönlichen Mentor in Erinnerung behalten.","PeriodicalId":42379,"journal":{"name":"Physio-Geo","volume":null,"pages":null},"PeriodicalIF":0.9000,"publicationDate":"2010-06-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Physio-Geo","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.1055/s-0029-1245436","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"Q4","JCRName":"GEOSCIENCES, MULTIDISCIPLINARY","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Fast genau 1 Jahr nach dem Tod seiner Frau Anne ist Geoffrey Douglas Maitland am 22. Januar 2010 in Adelaide (Australien) gestorben. Die Nachricht seines Todes hat uns als Dozentengruppe sehr berührt. Unser Beileid gilt seiner Familie. Geoffrey wurde 1924 in Adelaide geboren. Während des Zweiten Weltkriegs diente er in der australischen Luftwaffe in Großbritannien. Dort lernte er seine Frau Anne kennen, die in den folgenden Jahren eine wichtige Rolle für seine Entwicklung als Autor und Lehrer spielen sollte. Von 1946 bis 1949 ließ er sich als Physiotherapeut ausbilden und 1951 wurde er zum klinischen Tutor an der South Australian School of Physiotherapy ernannt. Im Jahr 1961 erhielt er ein Stipendium, das ihm ermöglichte, mit seiner Frau Anne auf Studienreise zu gehen. Er besuchte Osteopathen, Chiropraktiker, Ärzte und Physiotherapeuten, von denen er gehört oder gelesen hatte. Mit einigen von ihnen hatte er in vorhergehenden Jahren korrespondiert. In London führte er interessante Diskussionen und einen regen klinischen Austausch mit James Cyriax und dessen Team. Auf dieser Reise begann seine Freundschaft mit Gregory P. Grieve. Nach seiner Studienreise begann eine enorme berufliche Entwicklung. In diese Zeit fallen seine Ideen zu sanften passiven Mobilisationen, die Gründung des weltweit 1. postgraduierten Kurses in Manipulativer Physiotherapie am South Australian Institute of Technology und die Publikation seiner ersten Fachbücher (Vertebral Manipulation 1964 und Peripheral Manipulation 1970). Seine Bücher gehören heute zu den Bestsellern in der Physiotherapie. Sie wurden mehrfach neu aufgelegt und in zahlreiche Sprachen übersetzt. In den angeführten beiden Büchern beschrieb Geoffrey eines der ersten Modelle für den Clinical-Reasoning-Prozess in der Physiotherapie. Immer wieder betonte er die Notwendigkeit eines tiefen und breiten theoretischen Wissens, um die klinische Praxis zu unterstützen. Im Mittelpunkt seiner Arbeit standen die Hinwendung zum Patienten und das Bewusstsein, dass dessen Persönlichkeit einen wesentlichen Einfluss auf die Behandlung hat. Neben seinen Büchern verfasste Geoffrey Maitland zahlreiche Publikationen in wissenschaftlichen Zeitschriften. Seine Untersuchungsund Behandlungstechniken gelten heute in vielen klinischen Studien als Standard. Referenzen zu seinen Publikationen finden sich in fast allen aktuellen physiotherapeutischen Veröffentlichungen. Die entscheidende Weiterentwicklung seiner Ideen hin zu dem, was wir heute das Maitland-Konzept nennen, fand in der Schweiz statt. 1978 folgte Geoffrey einer Einladung von Dr. Zinn und Gisela Rolf in die Hermitage, einem Studienzentrum für Physiotherapeuten in Bad Ragaz. Der erste 3-wöchige Kurs war ein internationales Ereignis, an dem Therapeuten aus aller Welt teilnahmen. Durch die Begegnungen in der Hermitage nahm die Entwicklung des Kurssystems ihren Anfang. Ab 1984 wurden die ersten Instruktoren ausgebildet und die Vermittlung des Konzepts konnte europaweit ausgedehnt werden. Ab 1988 unterrichteten die ersten 5 Therapeuten selbstständig. Nachdem sich die Gruppe in den folgenden Jahren weiter vergrößerte, tauchten Gedanken auf, wie man sich organisieren könnte. Im Jahr 1992 erfolgte die offizielle Vereinsgründung der International Maitland Teachers Association (IMTA). Maitland als Gründungsmitglied und 1. Präsident übertrug der Gruppe das Recht, als einzige seinen Namen für Unterrichtszwecke zu gebrauchen. Gemeinsam mit der IMTA sicherte er die Weiterentwicklung der konzeptionellen Inhalte und die Lehrerausbildung. Vor allem durch die Arbeit von weiteren, in Australien tätigen Physiotherapeuten besteht Geoffreys Lebenswerks fort. So hat Mark Jones die Denkweise und das analytische Vorgehen des Konzepts übernommen bzw. ergänzt und daraus ein strukturiertes, evidenzbasiertes Clinical-Reasoning-Konzept entwickelt. Bob Elvey und David Butler haben Geoffreys Ideen über neuromeningeale Strukturen weitergeführt und unser Wissen und die Fähigkeiten im Umgang mit Nervengewebe und Schmerzmechanismen beträchtlich erweitert. Geoffreys enormes Engagement für unseren Beruf zeigte sich auch durch seine Mitarbeit in zahlreichen Organisationen. 1974 war er an der Gründung der International Federation of Orthopaedic Manipulative Physical Therapy (IFOMPT), der Fachgruppe für Manuelle Therapie innerhalb des WCPT beteiligt. Zahlreiche Auszeichnungen verdeutlichen die internationale Wertschätzung seiner Arbeit innerhalb unserer Berufsgruppe. All das drückt aber nicht aus, was wir durch die persönliche Begegnung mit Geoffrey erfuhren und lernten. In seinen Kursen herrschten eine Atmosphäre gegenseitiger Akzeptanz und das Gefühl vor, eine große Familie zu sein. Geoffrey und sein Frau Anne waren unzertrennlich und durch gelebten christlichen Glauben sowie dem Bedürfnis verbunden, für andere Menschen da zu sein. Anne war bei seinen Vorträgen immer anwesend, kümmerte sich um das Wohlergehen der Kursteilnehmer und lieferte ihrem Ehemann ein faires Feedback. Seine Fähigkeit zur Eigenreflexion führte dazu, dass er sich ständig verbessern und weiterentwickeln konnte. Zusammen bildeten sie ein großartiges Team. Trotz seiner großen Errungenschaften in der Physiotherapie ist Geoffrey immer ein bescheidener Mensch geblieben. Seine Haltung gegenüber Patienten drückte Wertschätzung und Empathie aus. Als gutem Zuhörer entgingen ihm keine Nuance im Gespräch mit seinen Patienten und kein Aspekt der nonverbalen Kommunikation. Mit Geoffrey Maitland verlieren wir einen Vordenker, Visionär und eine große Persönlichkeit. Er hat wie kein anderer unseren beruflichen Werdegang geprägt. Wir werden ihn als großes Vorbild und persönlichen Mentor in Erinnerung behalten.