{"title":"Akademisierung der Gesundheitsfachberufe – ein Gewinn für die Versorgungsqualität","authors":"Autor H. Becker, A. Salomon, H. Berlin, H. Becker","doi":"10.1055/S-0029-1245163","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Korrespondenzadresse Heidrun Becker Zürcher Hochschule für AngewandteWissenschaften (ZHAW) Winterthur heidrun.becker@zhaw.ch Mit der im September vom Gesetzgeber verabschiedeten Modellklausel können nach den Pflegeberufen nun auch Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden und Hebammen in Modellstudiengängen an Hochschulen ausgebildet werden. Sie erwerben damit die Berufserlaubnis und einen Bachelorgrad. Dieses Ziel verfolgt die Arbeitsgemeinschaft Medizinalfachberufe für Therapie und Geburtshilfe (AG MTG), ein Zusammenschluss von Berufsverbänden der Ergotherapie, Logopädie, Orthoptik, Physiotherapie und Hebammen seit 2 Jahrzehnten. Ihr Sprecher Jürgen Ungerer wertet die Modellklausel deshalb als einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zur Akademisierung der Medizinalfachberufe. Die Umsetzung liegt nun in den Händen der Hochschulen mit Unterstützung der Bundesländer. Gemeinsam mit dem Hochschulverbund Gesundheitsfachberufe (HVG) e.V. lud die AG MTG etwa 100 Vertreter aus Politik, Berufsfeld und Wissenschaft am 27. November 2009 nach Berlin in die Robert-Bosch-Stiftung zur Tagung Primärqualifizierend studieren in den Gesundheitsfachberufen – ein Gewinn für die Versorgungsqualität ein. Podium und Publikum bewegte vor allem die Frage, wie zukünftige Therapeuten und Hebammen ausgebildet werden müssen, um den veränderten Anforderungen des Gesundheitswesens Rechnung tragen zu können. Im Zentrum der Veranstaltung stand eine Podiumsdiskussion. Prof. Dr. Mark Dominik Alscher vom RobertBosch-Krankenhaus Stuttgart schilderte die Situation in der stationären Versorgung. Eine älter werdende Bevölkerung konfrontiert die Gesundheitsfachberufe mit immer komplexeren Anforderungen. Gleichzeitig müssen aufgrund des Kostendrucks und kürzeren Liegezeiten Prozessabläufe optimiert, neue Technologie eingesetzt und Aufgaben neu verteilt werden. Das ist nur zu leisten, wenn Ärzte mit Partnern zusammenarbeiten, die die gleiche Sprache sprechen und ihre Arbeitsabläufe wissenschaftlich reflektieren. Vertreter der Berufsgruppen wie die Professorin für Physiotherapie an der FH Kiel Heidi Höppner und der Dozent an der Berufsfachschule für Physiotherapie in Kreischa und Master-Absolvent Holm Thieme machten deutlich, dass wissenschaftlich fundierte Reflexion, Eigenständigkeit, individuell an den Patienten angepasste Behandlungsstrategien und die Entwicklung neuer Versorgungsangebote eine grundständige akademische Ausbildung voraussetzen. Die seit 10 Jahren angebotenen dualen oder Weiterbildungsstudiengänge sind erste wichtige Schritte – sie bleiben jedoch Übergangsmodelle. Die Referenten verwiesen auf Österreich und die Schweiz, wo in den letzten Jahren ein konsequenter Wechsel der Ausbildung an Fachschulen an Hochschulen umgesetzt wurde. Berufsfachschulen können tradiertes Wissen und Können weitergeben, ihre Schüler jedoch nicht zum wissenschaftlichen Analysieren und Forschen befähigen, da dort Forschung und Lehre nicht verknüpft werden. Dies sei für die Weiterentwicklung der Berufe und ihren Beitrag im sich wandelnden Gesundheitssystem jedoch essenziell. Christina Bode, Vertreterin des GKV-Spitzenverbandes, hält hingegen den Status quo in der Versorgung für ausreichend. Die Gesetzlichen Krankenkassen befürchten einen weiteren Kostenanstieg. Eine kleine Quote akademisierter Therapeuten und Hebammen, die durch Forschung die Wirksamkeit von Maßnahmen überprüfen können, hält Bode jedoch für sinnvoll. Prof. Dr. Anne Friedrichs, Gründungsbeauftragte und Präsidentin der am 01.11. 2009 gegründeten Hochschule für Gesundheit in Bochum, betonte, dass Wissenschaftsbasierung und interdisziplinäres Arbeiten von Beginn der Ausbildung an notwendig sind. Das Ziel der Studiengänge sind vor allem reflektierende Praktiker.","PeriodicalId":42379,"journal":{"name":"Physio-Geo","volume":null,"pages":null},"PeriodicalIF":0.9000,"publicationDate":"2010-03-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"2","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Physio-Geo","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.1055/S-0029-1245163","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"Q4","JCRName":"GEOSCIENCES, MULTIDISCIPLINARY","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Korrespondenzadresse Heidrun Becker Zürcher Hochschule für AngewandteWissenschaften (ZHAW) Winterthur heidrun.becker@zhaw.ch Mit der im September vom Gesetzgeber verabschiedeten Modellklausel können nach den Pflegeberufen nun auch Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden und Hebammen in Modellstudiengängen an Hochschulen ausgebildet werden. Sie erwerben damit die Berufserlaubnis und einen Bachelorgrad. Dieses Ziel verfolgt die Arbeitsgemeinschaft Medizinalfachberufe für Therapie und Geburtshilfe (AG MTG), ein Zusammenschluss von Berufsverbänden der Ergotherapie, Logopädie, Orthoptik, Physiotherapie und Hebammen seit 2 Jahrzehnten. Ihr Sprecher Jürgen Ungerer wertet die Modellklausel deshalb als einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zur Akademisierung der Medizinalfachberufe. Die Umsetzung liegt nun in den Händen der Hochschulen mit Unterstützung der Bundesländer. Gemeinsam mit dem Hochschulverbund Gesundheitsfachberufe (HVG) e.V. lud die AG MTG etwa 100 Vertreter aus Politik, Berufsfeld und Wissenschaft am 27. November 2009 nach Berlin in die Robert-Bosch-Stiftung zur Tagung Primärqualifizierend studieren in den Gesundheitsfachberufen – ein Gewinn für die Versorgungsqualität ein. Podium und Publikum bewegte vor allem die Frage, wie zukünftige Therapeuten und Hebammen ausgebildet werden müssen, um den veränderten Anforderungen des Gesundheitswesens Rechnung tragen zu können. Im Zentrum der Veranstaltung stand eine Podiumsdiskussion. Prof. Dr. Mark Dominik Alscher vom RobertBosch-Krankenhaus Stuttgart schilderte die Situation in der stationären Versorgung. Eine älter werdende Bevölkerung konfrontiert die Gesundheitsfachberufe mit immer komplexeren Anforderungen. Gleichzeitig müssen aufgrund des Kostendrucks und kürzeren Liegezeiten Prozessabläufe optimiert, neue Technologie eingesetzt und Aufgaben neu verteilt werden. Das ist nur zu leisten, wenn Ärzte mit Partnern zusammenarbeiten, die die gleiche Sprache sprechen und ihre Arbeitsabläufe wissenschaftlich reflektieren. Vertreter der Berufsgruppen wie die Professorin für Physiotherapie an der FH Kiel Heidi Höppner und der Dozent an der Berufsfachschule für Physiotherapie in Kreischa und Master-Absolvent Holm Thieme machten deutlich, dass wissenschaftlich fundierte Reflexion, Eigenständigkeit, individuell an den Patienten angepasste Behandlungsstrategien und die Entwicklung neuer Versorgungsangebote eine grundständige akademische Ausbildung voraussetzen. Die seit 10 Jahren angebotenen dualen oder Weiterbildungsstudiengänge sind erste wichtige Schritte – sie bleiben jedoch Übergangsmodelle. Die Referenten verwiesen auf Österreich und die Schweiz, wo in den letzten Jahren ein konsequenter Wechsel der Ausbildung an Fachschulen an Hochschulen umgesetzt wurde. Berufsfachschulen können tradiertes Wissen und Können weitergeben, ihre Schüler jedoch nicht zum wissenschaftlichen Analysieren und Forschen befähigen, da dort Forschung und Lehre nicht verknüpft werden. Dies sei für die Weiterentwicklung der Berufe und ihren Beitrag im sich wandelnden Gesundheitssystem jedoch essenziell. Christina Bode, Vertreterin des GKV-Spitzenverbandes, hält hingegen den Status quo in der Versorgung für ausreichend. Die Gesetzlichen Krankenkassen befürchten einen weiteren Kostenanstieg. Eine kleine Quote akademisierter Therapeuten und Hebammen, die durch Forschung die Wirksamkeit von Maßnahmen überprüfen können, hält Bode jedoch für sinnvoll. Prof. Dr. Anne Friedrichs, Gründungsbeauftragte und Präsidentin der am 01.11. 2009 gegründeten Hochschule für Gesundheit in Bochum, betonte, dass Wissenschaftsbasierung und interdisziplinäres Arbeiten von Beginn der Ausbildung an notwendig sind. Das Ziel der Studiengänge sind vor allem reflektierende Praktiker.