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Abstract
Eduard von Keyserling wird schon von seinen Zeitgenossen, aber auch während der späteren Rezeption als Autor aufgefasst, dessen Werke thematisch um den kulturellen Verfall seines eigenen Milieus, des deutsch-baltischen Adels, kreisen. Der schwerkranke und blinde Keyserling erscheint dabei selbst als letzte Sprosse seiner Familienlinie. Der deutsch-baltische Adel erweist sich als eine Gesellschaft, die wegen der jahrhundertealten, fast unveränderten Lebensweise beim Aufbruch der Moderne ihrem Untergang entgegenläuft. Die Verfallsstimmung lässt sich dabei durch verschiedene Anzeichen bemerken. Das familiäre und gesellschaftliche Leben dieser Menschen wird von einer Ordnung geprägt, deren Beschützer und Befürworter die alten Schlossherrschaften sind. Diese psychisch immer noch starken Menschen verlieren jedoch an Lebenskraft und blicken oft als Schwerkranke dem bevorstehenden Tod entgegen. Die Pflege der Tradition soll daher an die jüngere Generation vermittelt werden, die jedoch dieser Aufgabe nicht gewachsen ist. Die Jugend hat ebenfalls mit verschiedenen psychischen oder physischen Krankheiten zu kämpfen. Überempfindlichkeit, Reizhunger oder Neurose treiben diese jungen Menschen aus der zwar geborgenen, aber betrübenden familiären Umgebung oder schließen sie noch fester innerhalb der Schlossmauern ein, sodass jegliche äußeren Einflüsse als Bedrohung erscheinen. Beide Fälle sind dabei durch die Verneinung der Wirklichkeit zum Scheitern verurteilt. Als misslungen erweisen sich ebenfalls die häufigen Bestrebungen, über die eigene Sensibilität und Kränklichkeit durch den Genuss des häuslichen Komforts hinwegzutäuschen. Keyserling schildert eine Gesellschaft, die den eigenen Verfall mit einem Schleier des ästhetisch Schönen zu bedecken versucht, dabei jedoch von der Realität immer wieder eingeholt wird.