{"title":"Den Tod mit dem Tod bekämpfen. Suizid als Ausweg in Wolfgang Herrndorfs Arbeit und Struktur","authors":"Zarah Rietschel","doi":"10.29162/anafora.v8i2.12","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Das vorliegende Paper widmet sich der textnahen Analyse von Wolfgang Herrndorfs autobiographischem Text Arbeit und Struktur hinsichtlich des Zusammenhangs von der Suizidentscheidung des autobiographischen Ich und der ihm gestellten Diagnose eines tödlichen Hirntumors (Glioblastoms). Es lässt sich erkennen, dass die wiederholten Untersuchungen und deren Ergebnisse sowie eigens angestellte Recherchen und das Heranziehen von Statistiken hinsichtlich der Selbsttötungsabsicht als sogenannte ,Entscheidensressourcen‘ fungieren. Sie nehmen demnach Einfluss auf die dem autobiographischen Ich verbleibende Zeit und zeitgleich auf die Frage nach einem geeigneten Zeitpunkt für den visierten Suizid. Neben der Untersuchung unterschiedlicher Reaktionen auf den fortschreitenden Krankheitsverlauf anhand der Methode des Close Readings nimmt das Paper außerdem eine Parallelisierung der geäußerten Suizidabsicht und des intensiven Arbeitens des autobiographischen Ich als Formen der Bewältigungsstrategie für die diagnostizierte Erkrankung vor. Dem Arbeiten in Form des Schreibens kommt dabei in erster Linie die Rolle einer sinnstiftenden Beschäftigung zu, während der geplante Suizid als ,Exitstrategie‘ fungiert, die als letztmögliche Lösung herangezogen wird, um nicht der Krankheit zu erliegen. Während eine Vielzahl von interdisziplinären Diskursen dem Thema Suizid seit jeher mit Ablehnung begegnet, erfährt der Suizid als Krankheit eine historisch verankerte Legitimation, die sich auch in dem untersuchten Text anhand der Reaktionen des sozialen Umfeldes des autobiographischen Ich erkennen lässt. Der unabdingbare Tod angesichts der medizinischen Diagnosen legitimiert somit die Selbsttötung.","PeriodicalId":40415,"journal":{"name":"Anafora","volume":null,"pages":null},"PeriodicalIF":0.1000,"publicationDate":"2021-01-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Anafora","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.29162/anafora.v8i2.12","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"0","JCRName":"LITERATURE","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Das vorliegende Paper widmet sich der textnahen Analyse von Wolfgang Herrndorfs autobiographischem Text Arbeit und Struktur hinsichtlich des Zusammenhangs von der Suizidentscheidung des autobiographischen Ich und der ihm gestellten Diagnose eines tödlichen Hirntumors (Glioblastoms). Es lässt sich erkennen, dass die wiederholten Untersuchungen und deren Ergebnisse sowie eigens angestellte Recherchen und das Heranziehen von Statistiken hinsichtlich der Selbsttötungsabsicht als sogenannte ,Entscheidensressourcen‘ fungieren. Sie nehmen demnach Einfluss auf die dem autobiographischen Ich verbleibende Zeit und zeitgleich auf die Frage nach einem geeigneten Zeitpunkt für den visierten Suizid. Neben der Untersuchung unterschiedlicher Reaktionen auf den fortschreitenden Krankheitsverlauf anhand der Methode des Close Readings nimmt das Paper außerdem eine Parallelisierung der geäußerten Suizidabsicht und des intensiven Arbeitens des autobiographischen Ich als Formen der Bewältigungsstrategie für die diagnostizierte Erkrankung vor. Dem Arbeiten in Form des Schreibens kommt dabei in erster Linie die Rolle einer sinnstiftenden Beschäftigung zu, während der geplante Suizid als ,Exitstrategie‘ fungiert, die als letztmögliche Lösung herangezogen wird, um nicht der Krankheit zu erliegen. Während eine Vielzahl von interdisziplinären Diskursen dem Thema Suizid seit jeher mit Ablehnung begegnet, erfährt der Suizid als Krankheit eine historisch verankerte Legitimation, die sich auch in dem untersuchten Text anhand der Reaktionen des sozialen Umfeldes des autobiographischen Ich erkennen lässt. Der unabdingbare Tod angesichts der medizinischen Diagnosen legitimiert somit die Selbsttötung.