{"title":"Hörlyrik. Eine interaktive Gattungstheorie. Von Burkhard Meyer-Sickendiek. Paderborn: Brill/Fink, 2020. 376 Seiten. $71.00 gebunden oder eBook., Geschichte der literarischen Vortragskunst. Von Reinhart Meyer-Kalkus. Stuttgart: Metzler, 2020. 2 Bände. 1130 Seiten. $179.99 gebunden, $139.00 eBook.","authors":"R. Singer","doi":"10.3368/m.115.1.101","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"che Bedeutsamkeit der außersprachlichen, phänomenalen Umwelt wäre demnach eine Form von Wahnsinn – das Gefangensein in einer totalitären Zeichenwelt, deren versteckten Sinn zu entschlüsseln der Paranoiker sich auserkoren sieht. Überformungen dieses Prinzips findet Geisenhanslücke schließlich bei Nabokov und Pynchon am Werk (der Fokus liegt auf den Werken Pale Fire und V), deren Besprechung er einer einfallsreichen Analyse der Buchstäblichkeit bei Kleist (besonders in ,,Der Findling“) an die Seite stellt. Der letzte Teil des Buchs verhandelt schließlich Fragen der Übersetzbarkeit und zeichnet sich neben einer bestechenden Untersuchung Paul Celans durch eine eingehende Auseinandersetzung mit Derridas Frage nach einer ,,relevanten“ Übersetzung aus. Die Dekonstruktion rückt demnach wieder ins Zentrum der Kritik – so spiegelt sich in der Besprechung Derridas das Argument, welches sich anfänglich gegen Hamacher richtete: der Dekonstruktion mit ihrer ,,radikalen Infragestellung der Hegemonie des Sinns“ liege eine ,,aporetisch angelegte Ethik des Unmöglichen zugrunde“, welche ihrem ,,Unterfangen Grenzen einschreibt“ (204). Laut Geisenhanslüke verläuft eine dieser Grenzen eben zwischen Geist und Buchstaben; erst ihre Anerkennung böte die Grundlage einer philologischen Kritik, die ,,dem Buchstaben wie dem Geist gleichermaßen gerecht zu werden vermöchte“ (205). Wieder plädiert der Autor für den Mittelweg. Wobei er uns Leser_innen allerdings die Antwort auf die Frage schuldig bleibt, wo und wie sich etwas wie ,,Geist“ denn schlüssig denken ließe, wenn nicht als Schrifteffekt. Die Aufforderung, den Lettern wie ihrem Sinn ,,gleichermaßen gerecht zu werden“, impliziert die Annahme, beide seien gleichursprünglich und hätten Anspruch auf dieselbe Evidenz. Geisenhanslückes Pochen auf den festen Buchstaben signalisiert eigentlich überzeugend, dass dem nicht so sei.","PeriodicalId":54028,"journal":{"name":"Monatshefte","volume":"115 1","pages":"101 - 107"},"PeriodicalIF":0.1000,"publicationDate":"2023-01-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Monatshefte","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.3368/m.115.1.101","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"0","JCRName":"LITERATURE, GERMAN, DUTCH, SCANDINAVIAN","Score":null,"Total":0}
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Abstract
che Bedeutsamkeit der außersprachlichen, phänomenalen Umwelt wäre demnach eine Form von Wahnsinn – das Gefangensein in einer totalitären Zeichenwelt, deren versteckten Sinn zu entschlüsseln der Paranoiker sich auserkoren sieht. Überformungen dieses Prinzips findet Geisenhanslücke schließlich bei Nabokov und Pynchon am Werk (der Fokus liegt auf den Werken Pale Fire und V), deren Besprechung er einer einfallsreichen Analyse der Buchstäblichkeit bei Kleist (besonders in ,,Der Findling“) an die Seite stellt. Der letzte Teil des Buchs verhandelt schließlich Fragen der Übersetzbarkeit und zeichnet sich neben einer bestechenden Untersuchung Paul Celans durch eine eingehende Auseinandersetzung mit Derridas Frage nach einer ,,relevanten“ Übersetzung aus. Die Dekonstruktion rückt demnach wieder ins Zentrum der Kritik – so spiegelt sich in der Besprechung Derridas das Argument, welches sich anfänglich gegen Hamacher richtete: der Dekonstruktion mit ihrer ,,radikalen Infragestellung der Hegemonie des Sinns“ liege eine ,,aporetisch angelegte Ethik des Unmöglichen zugrunde“, welche ihrem ,,Unterfangen Grenzen einschreibt“ (204). Laut Geisenhanslüke verläuft eine dieser Grenzen eben zwischen Geist und Buchstaben; erst ihre Anerkennung böte die Grundlage einer philologischen Kritik, die ,,dem Buchstaben wie dem Geist gleichermaßen gerecht zu werden vermöchte“ (205). Wieder plädiert der Autor für den Mittelweg. Wobei er uns Leser_innen allerdings die Antwort auf die Frage schuldig bleibt, wo und wie sich etwas wie ,,Geist“ denn schlüssig denken ließe, wenn nicht als Schrifteffekt. Die Aufforderung, den Lettern wie ihrem Sinn ,,gleichermaßen gerecht zu werden“, impliziert die Annahme, beide seien gleichursprünglich und hätten Anspruch auf dieselbe Evidenz. Geisenhanslückes Pochen auf den festen Buchstaben signalisiert eigentlich überzeugend, dass dem nicht so sei.