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Abstract
Das europaische Haushaltsrecht zeichnet sich im Vergleich mit dem deutschen durch eine Reihe von Besonderheiten aus: Es ist in seiner heutigen Gestalt ein sehr junges, im Grunde erst im Zuge der Prodi-Kinnock-Reformen 1999–2002 entstandenes Recht. Es kennt die fur das deutsche Haushaltsrecht charakteristische Trennung von Innenrecht und Ausenrecht nicht und ist deswegen selbst materielles Verwaltungsrecht der Leistungsverwaltung der Union. Soweit es um die Verwendung von Unionsmitteln geht, erfullt es zugleich Funktionen eines Aufsichtsrechts der Kommission auserhalb des Vertragsverletzungsverfahrens. Schlieslich werden im europaischen Haushaltsrecht in exemplarischer Weise die okonomischen, sozialen, territorialen und politischen Asymmetrien der Union verarbeitet, kurz: das Verhaltnis von Zentrum und Peripherie im Verwaltungsverbund. Im Mittelpunkt des Beitrags steht die Frage nach der gegenwartigen Leistungsfahigkeit und der Zukunft des Modells der Gemeinsamen Mittelverwaltung nach Art. 59 EHO und der VO 1303/2013, nach dessen Grundidee den Mitgliedstaaten die dezentrale Finanzierungskompetenz ubertragen wird, die Kommission aber die politische Haushaltsverantwortung behalt und dafur uber eine Reihe von Kontroll-, Aufsichts-, Mitsteuerungs- und Sanktionsbefugnissen verfugt. Dieses Modell ist aber inzwischen in einer schweren institutionellen Krise: Dem Haushaltsrecht sind in den letzten anderthalb Jahrzehnten sowohl im Recht der Struktur- und Investitionsfonds als auch beispielsweise bei der Finanzierung der Migrations- und Grenzsicherungspolitik politische Aufgaben zugefallen, die das unpolitisch-administrative Vollzugsmodell grundsatzlich in Frage stellen. Eine deswegen an sich folgerichtige, starkere direkte haushaltsrechtliche Steuerung durch die Kommission wird jedoch durch den gegenwartigen Rechtszustand strukturell unterlaufen. Die immer starkere Mobilisierung der Kontrollschiene fuhrt zu nichtintendierten Effekten. Der Beitrag diskutiert schlieslich Auswege aus der gegenwartigen Situation und zeigt die politischen Perspektiven einer Reform des europaischen Haushaltsrechts auf.