{"title":"Ungeheuer. Zur Unlesbarkeit von Stifters Aus dem bairischen Walde heute","authors":"Jann Duri Bantli, A. Mohnkern","doi":"10.3368/m.114.2.200","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Wie kaum ein anderer im 19. Jahrhundert erzählt Adalbert Stifter Geschichten vom Schnee. Bekanntestes Dokument in diesem Zusammenhang bildet neben seiner in überarbeiteter Form in Bunte Steine (1853) aufgenommenen Erzählung Bergkristall ganz ohne Zweifel das erst posthum zur Veröffentlichung gekommene Prosastück Aus dem bairischen Walde (1866). Der Text, in Form und Entstehung auf den ersten Blick nur schwer einzugrenzen zwischen autobiografischem Bericht und Fiktion (vgl. Dusini und Schiffermüller), erzählt von einem Schneesturm, wie ihn Stifter selbst im November 1866 in Lackerhäuser bei einem seiner Aufenthalte im Bayerischen Wald erlebt hatte. Dabei kreist das Stück auch um die schwierige und womöglich misslingende Bestimmung der Grenze zwischen einer ungehegten und zumal formlosen Welt des Schnees, von der versucht wird, sie in dem „Bild des weißen Ungeheuers‟ (SW 15, 353) einzufangen, und dem Versuch ihrer kulturellen Bewältigung, die bei Stifter, dem Schriftsteller der „Häuslichkeit‟1, zumeist einen spezifischen Schauplatz hat: die Wohnung. Symptomatisch für den Versuch dieser Grenzbestimmung ist nämlich nicht nur am Werk, sondern auch am Leben Stifters das Bedürfnis, sich wohnlich einzurichten und jene Grenze zwischen ,drinnen‘ und ,draußen‘, zwischen ,Kultur‘ und ,Natur‘, zwischen Wohnung und Welt einzuziehen, was zugleich so etwas wie Ordnung und Einhegung bedeutet.","PeriodicalId":54028,"journal":{"name":"Monatshefte","volume":"114 1","pages":"200 - 219"},"PeriodicalIF":0.2000,"publicationDate":"2022-04-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Monatshefte","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.3368/m.114.2.200","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"0","JCRName":"LITERATURE, GERMAN, DUTCH, SCANDINAVIAN","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Wie kaum ein anderer im 19. Jahrhundert erzählt Adalbert Stifter Geschichten vom Schnee. Bekanntestes Dokument in diesem Zusammenhang bildet neben seiner in überarbeiteter Form in Bunte Steine (1853) aufgenommenen Erzählung Bergkristall ganz ohne Zweifel das erst posthum zur Veröffentlichung gekommene Prosastück Aus dem bairischen Walde (1866). Der Text, in Form und Entstehung auf den ersten Blick nur schwer einzugrenzen zwischen autobiografischem Bericht und Fiktion (vgl. Dusini und Schiffermüller), erzählt von einem Schneesturm, wie ihn Stifter selbst im November 1866 in Lackerhäuser bei einem seiner Aufenthalte im Bayerischen Wald erlebt hatte. Dabei kreist das Stück auch um die schwierige und womöglich misslingende Bestimmung der Grenze zwischen einer ungehegten und zumal formlosen Welt des Schnees, von der versucht wird, sie in dem „Bild des weißen Ungeheuers‟ (SW 15, 353) einzufangen, und dem Versuch ihrer kulturellen Bewältigung, die bei Stifter, dem Schriftsteller der „Häuslichkeit‟1, zumeist einen spezifischen Schauplatz hat: die Wohnung. Symptomatisch für den Versuch dieser Grenzbestimmung ist nämlich nicht nur am Werk, sondern auch am Leben Stifters das Bedürfnis, sich wohnlich einzurichten und jene Grenze zwischen ,drinnen‘ und ,draußen‘, zwischen ,Kultur‘ und ,Natur‘, zwischen Wohnung und Welt einzuziehen, was zugleich so etwas wie Ordnung und Einhegung bedeutet.