{"title":"Zwei Herrscherakklamationen in einer griechischen Handschrift aus Süditalien (Codex Messina gr. 161)","authors":"Neil Moran","doi":"10.52412/mf.1977.h1.1820","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Seit Gibbon schon gilt es als eine der klassischen Aufgaben der byzantinischen Kulturgeschichte das verwickelte Huldigungszeremoniell, mit dem die ostromischen Kaiser sich umgaben, wissenschaftlich zu erfassen und zu untersuchen. Wiederholt ist in zahlreichen Studien der juristische Charakter und der geschichtliche Werdegang dieses Zeremoniells eingehend erlautert worden1 , jedoch ist von musikwissenschaftlicher Seite der Gegenstand zum grosten Teil eine terra incognita geblieben. Im folgenden werden zwei Herrscherakklamationen in einer Handschrift des 13. Jahrhunderts aus Suditalien (Messina gr. 161) in moderne Notation transkribiert und naher interpretiert. Gleichzeitig mochte ich diese Gelegenheit benutzen, um zum erstenmal auf die liturgische Stellung dieser Akklamationen innerhalb eines merkwurdigen, hochst melismatischen Gesangsrepertoires in einer Reihe mittelbyzantinischer Handschriften aufmerksam zu machen. Im Rahmen einer groseren, noch nicht erschienenen Arbeit zu den Orthrosgesangen der byzantinischen Liturgie konnte ich beweisen, das das Repertoire im Codex Messina gr. 161 und in einigen wenigen anderen Handschriften die Praxis der Hagia Sophia darstellt, wie sie in Konstantinopel vor der lateinischen Eroberung gepflegt wurde, ehe diese weltliche Gesangspraxis durch die monastische Ordnung im 14. und 15. Jahrhundert allmahlich ersetzt wurde. Bei der Analyse der zwei hier veroffentlichten Akklamationen hebe ich einige Beobachtungen hervor, die geeignet sind, das gelaufige Bild der byzantinischen Musik des Duecento in Italien zu korrigieren; ein Bild, das unter anderem dazu fuhrt, das diese Musik immer noch als „Musik der Textaussprache\" unter der Rubrik „Sprache, Metrik, Musik\" in der einschlagigen Literatur gefuhrt wird2. Die Erforschung der in Byzanz ublichen sprechchorartigen «Zurufe des Beifalls, Lobes und Gluckwunsches am kaiserlichen Hof, ist durch die Quellenlage stark beeintrachtigt. Ihr stehen namlich im wesentlichen nur zwei fragmentarisch uberlieferte Sammelwerke zur Verfugung: das in einer einzigen Handschrift uberlieferte Zeremonien werk De caeremoniis aulae byzantinae3 des Kaisers Konstantin VII.","PeriodicalId":42161,"journal":{"name":"MUSIKFORSCHUNG","volume":" ","pages":""},"PeriodicalIF":0.1000,"publicationDate":"2021-09-22","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"MUSIKFORSCHUNG","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.52412/mf.1977.h1.1820","RegionNum":3,"RegionCategory":"艺术学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"0","JCRName":"MUSIC","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Seit Gibbon schon gilt es als eine der klassischen Aufgaben der byzantinischen Kulturgeschichte das verwickelte Huldigungszeremoniell, mit dem die ostromischen Kaiser sich umgaben, wissenschaftlich zu erfassen und zu untersuchen. Wiederholt ist in zahlreichen Studien der juristische Charakter und der geschichtliche Werdegang dieses Zeremoniells eingehend erlautert worden1 , jedoch ist von musikwissenschaftlicher Seite der Gegenstand zum grosten Teil eine terra incognita geblieben. Im folgenden werden zwei Herrscherakklamationen in einer Handschrift des 13. Jahrhunderts aus Suditalien (Messina gr. 161) in moderne Notation transkribiert und naher interpretiert. Gleichzeitig mochte ich diese Gelegenheit benutzen, um zum erstenmal auf die liturgische Stellung dieser Akklamationen innerhalb eines merkwurdigen, hochst melismatischen Gesangsrepertoires in einer Reihe mittelbyzantinischer Handschriften aufmerksam zu machen. Im Rahmen einer groseren, noch nicht erschienenen Arbeit zu den Orthrosgesangen der byzantinischen Liturgie konnte ich beweisen, das das Repertoire im Codex Messina gr. 161 und in einigen wenigen anderen Handschriften die Praxis der Hagia Sophia darstellt, wie sie in Konstantinopel vor der lateinischen Eroberung gepflegt wurde, ehe diese weltliche Gesangspraxis durch die monastische Ordnung im 14. und 15. Jahrhundert allmahlich ersetzt wurde. Bei der Analyse der zwei hier veroffentlichten Akklamationen hebe ich einige Beobachtungen hervor, die geeignet sind, das gelaufige Bild der byzantinischen Musik des Duecento in Italien zu korrigieren; ein Bild, das unter anderem dazu fuhrt, das diese Musik immer noch als „Musik der Textaussprache" unter der Rubrik „Sprache, Metrik, Musik" in der einschlagigen Literatur gefuhrt wird2. Die Erforschung der in Byzanz ublichen sprechchorartigen «Zurufe des Beifalls, Lobes und Gluckwunsches am kaiserlichen Hof, ist durch die Quellenlage stark beeintrachtigt. Ihr stehen namlich im wesentlichen nur zwei fragmentarisch uberlieferte Sammelwerke zur Verfugung: das in einer einzigen Handschrift uberlieferte Zeremonien werk De caeremoniis aulae byzantinae3 des Kaisers Konstantin VII.