{"title":"Kognitive Homogenisierung, schulische Leistungen und soziale Bildungsungleichheit","authors":"H. Esser, Julian Seuring","doi":"10.1515/zfsoz-2020-0025","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Zusammenfassung Die Differenzierung der Bildungswege nach den kognitiven Fähigkeiten wird damit begründet, dass sie eine für das Lernen förderliche Homogenisierung der schulischen Umgebung ermögliche, die allen beim Erwerb schulischer Kompetenzen zugutekäme. Dagegen wird angeführt, dass die Differenzierung keine sonderlichen Effekte habe, sondern eher nur die Effekte der sozialen Herkunft verstärke. Diese Auffassung gilt als Standardposition. Der Beitrag untersucht auf der Grundlage eines allgemeinen theoretischen Modells die Effekte einer unterschiedlich strikt geregelten Differenzierung auf die Leistungen in der Sekundarstufe. Grundlage sind Daten der „National Educational Panel Study“ (NEPS) für die deutschen Bundesländer mit ihren erheblichen Unterschieden in der Regelung der Differenzierung. Danach gibt es bei einer strikten Differenzierung keine Verstärkung der Effekte der sozialen Herkunft, wohl aber eine Zunahme der Leistungen in der Sekundarstufe, speziell in der Kombination mit einer homogeneren Zusammensetzung der Schulklassen nach den kognitiven Fähigkeiten. Das gilt gerade für die Kinder in den Schulklassen der unteren Bildungswege mit geringerem Leistungsniveau. Dort fallen die Leistungen am geringsten bei kognitiver Homogenität und einer liberalen, am besten bei Homogenität und einer strikten Differenzierung aus. In den Schulklassen mit höherem kognitiven Niveau ist die Streuung dagegen gleichgültig, dort wäre die kognitive Heterogenität eher sogar besser. Die Befunde widersprechen der Standardposition deutlich, womöglich wohl, weil in den bisherigen Analysen die theoretisch erforderlichen Daten nicht zur Verfügung standen oder die nötigen Analysen nicht vorgenommen wurden, insbesondere nicht in den Beiträgen mit den bisher meist verwendeten internationalen Vergleichsstudien.","PeriodicalId":47292,"journal":{"name":"Zeitschrift Fur Soziologie","volume":"49 1","pages":"277 - 301"},"PeriodicalIF":0.8000,"publicationDate":"2020-10-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"7","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Zeitschrift Fur Soziologie","FirstCategoryId":"90","ListUrlMain":"https://doi.org/10.1515/zfsoz-2020-0025","RegionNum":4,"RegionCategory":"社会学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"Q3","JCRName":"SOCIOLOGY","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Zusammenfassung Die Differenzierung der Bildungswege nach den kognitiven Fähigkeiten wird damit begründet, dass sie eine für das Lernen förderliche Homogenisierung der schulischen Umgebung ermögliche, die allen beim Erwerb schulischer Kompetenzen zugutekäme. Dagegen wird angeführt, dass die Differenzierung keine sonderlichen Effekte habe, sondern eher nur die Effekte der sozialen Herkunft verstärke. Diese Auffassung gilt als Standardposition. Der Beitrag untersucht auf der Grundlage eines allgemeinen theoretischen Modells die Effekte einer unterschiedlich strikt geregelten Differenzierung auf die Leistungen in der Sekundarstufe. Grundlage sind Daten der „National Educational Panel Study“ (NEPS) für die deutschen Bundesländer mit ihren erheblichen Unterschieden in der Regelung der Differenzierung. Danach gibt es bei einer strikten Differenzierung keine Verstärkung der Effekte der sozialen Herkunft, wohl aber eine Zunahme der Leistungen in der Sekundarstufe, speziell in der Kombination mit einer homogeneren Zusammensetzung der Schulklassen nach den kognitiven Fähigkeiten. Das gilt gerade für die Kinder in den Schulklassen der unteren Bildungswege mit geringerem Leistungsniveau. Dort fallen die Leistungen am geringsten bei kognitiver Homogenität und einer liberalen, am besten bei Homogenität und einer strikten Differenzierung aus. In den Schulklassen mit höherem kognitiven Niveau ist die Streuung dagegen gleichgültig, dort wäre die kognitive Heterogenität eher sogar besser. Die Befunde widersprechen der Standardposition deutlich, womöglich wohl, weil in den bisherigen Analysen die theoretisch erforderlichen Daten nicht zur Verfügung standen oder die nötigen Analysen nicht vorgenommen wurden, insbesondere nicht in den Beiträgen mit den bisher meist verwendeten internationalen Vergleichsstudien.
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