{"title":"Tuvia Ruebner in Memoriam","authors":"H. Horch","doi":"10.1515/asch-2020-0016","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Am 29. Juli 2019 ist der israelische Dichter Tuvia Ruebner im Alter von 95 Jahren im Kibbutz Merchavia bei Afula gestorben. In den letzten Lebensjahren wurde er hoch geehrt in Israel wie in Deutschland, aber auch in der Slowakei und Österreich – so erhielt er für sein Lebenswerk in Israel 2008 den höchsten Staatspreis des Landes, in Deutschland 2012 den Literaturpreis der Konrad-Adenauer Stiftung. Diese späten Anerkennungen – seine Art lyrisch-pointierten Schreibens entsprach nicht dem jeweiligen Zeitgeist – machten ihn zu einem Solitär. Am Tag von Hitlers Machtergreifung, deren Folgen sein Leben bestimmen sollten, war Ruebner neun Jahre alt. Am 30. Januar 1924 als erstes Kind von Manfred-Moritz Ruebner und seiner Gattin Elsa geb. Grünwald in Preßburg/Bratislava geboren, wuchs er – was für viele bürgerliche jüdische Familien der Slowakei selbstverständlich war – deutschsprachig auf, besuchte bis zum Verbot 1938 das Deutsche Staats-Realgymnasium. Als einzigem seiner Familie ‒ die Eltern und die fünf Jahre jüngere Schwester Alice wurden 1942 in Auschwitz ermordet ‒ gelang ihm 1941 die Flucht aus der von einer nazihörigen Regierung beherrschten Slowakei: über Ungarn, Rumänien, die Türkei, Syrien, den Libanon führte ihn sein Weg nach Palästina, in den Kibbutz Merchavia. Ruebners erste Frau Ada geb. Klein war 1950 durch einen Verkehrsunfall ums Leben gekommen, er selbst wurde schwer verletzt und musste sich allein um seine Tochter Miriam kümmern. 1953 heiratete er die Pianistin Galila Jisreeli, mit der er die Söhne Idan und Moran hatte. Der jüngere Sohn Moran verschwand 1983 auf einer Reise nach Mittelamerika spurlos ‒ ein Schicksalsschlag, der das Leben des Ehepaars Ruebner fortan bestimmen sollte. Beruflich hatte sich Ruebner eigentlich der Fotografie zugewandt, ein Fotoband über den Kibbutz Merchavia gehört zu den wichtigsten Zeugnissen dokumentarischer Überlieferung in Israel. Zunächst arbeitete Ruebner als Schafhirte und auf dem Feld. Nach seiner unfallbedingten Verletzung, die ihm schwere körperliche Arbeit unmöglich machte, übernahm er die Bibliothek des Kibbutz, wurde dann ohne ein akademisches Studium Literaturlehrer an einem Lehrerseminar, Dozent an der Universität Tel Aviv und schließlich Professor für Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Haifa, wo er 1992 emeritiert","PeriodicalId":40863,"journal":{"name":"Aschkenas-Zeitschrift fuer Geschichte und Kultur der Juden","volume":"30 1","pages":"341 - 348"},"PeriodicalIF":0.1000,"publicationDate":"2020-11-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"https://sci-hub-pdf.com/10.1515/asch-2020-0016","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Aschkenas-Zeitschrift fuer Geschichte und Kultur der Juden","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.1515/asch-2020-0016","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"0","JCRName":"HUMANITIES, MULTIDISCIPLINARY","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Am 29. Juli 2019 ist der israelische Dichter Tuvia Ruebner im Alter von 95 Jahren im Kibbutz Merchavia bei Afula gestorben. In den letzten Lebensjahren wurde er hoch geehrt in Israel wie in Deutschland, aber auch in der Slowakei und Österreich – so erhielt er für sein Lebenswerk in Israel 2008 den höchsten Staatspreis des Landes, in Deutschland 2012 den Literaturpreis der Konrad-Adenauer Stiftung. Diese späten Anerkennungen – seine Art lyrisch-pointierten Schreibens entsprach nicht dem jeweiligen Zeitgeist – machten ihn zu einem Solitär. Am Tag von Hitlers Machtergreifung, deren Folgen sein Leben bestimmen sollten, war Ruebner neun Jahre alt. Am 30. Januar 1924 als erstes Kind von Manfred-Moritz Ruebner und seiner Gattin Elsa geb. Grünwald in Preßburg/Bratislava geboren, wuchs er – was für viele bürgerliche jüdische Familien der Slowakei selbstverständlich war – deutschsprachig auf, besuchte bis zum Verbot 1938 das Deutsche Staats-Realgymnasium. Als einzigem seiner Familie ‒ die Eltern und die fünf Jahre jüngere Schwester Alice wurden 1942 in Auschwitz ermordet ‒ gelang ihm 1941 die Flucht aus der von einer nazihörigen Regierung beherrschten Slowakei: über Ungarn, Rumänien, die Türkei, Syrien, den Libanon führte ihn sein Weg nach Palästina, in den Kibbutz Merchavia. Ruebners erste Frau Ada geb. Klein war 1950 durch einen Verkehrsunfall ums Leben gekommen, er selbst wurde schwer verletzt und musste sich allein um seine Tochter Miriam kümmern. 1953 heiratete er die Pianistin Galila Jisreeli, mit der er die Söhne Idan und Moran hatte. Der jüngere Sohn Moran verschwand 1983 auf einer Reise nach Mittelamerika spurlos ‒ ein Schicksalsschlag, der das Leben des Ehepaars Ruebner fortan bestimmen sollte. Beruflich hatte sich Ruebner eigentlich der Fotografie zugewandt, ein Fotoband über den Kibbutz Merchavia gehört zu den wichtigsten Zeugnissen dokumentarischer Überlieferung in Israel. Zunächst arbeitete Ruebner als Schafhirte und auf dem Feld. Nach seiner unfallbedingten Verletzung, die ihm schwere körperliche Arbeit unmöglich machte, übernahm er die Bibliothek des Kibbutz, wurde dann ohne ein akademisches Studium Literaturlehrer an einem Lehrerseminar, Dozent an der Universität Tel Aviv und schließlich Professor für Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Haifa, wo er 1992 emeritiert