C. Schneider-Gold, F. Weber, B. Schoser, G. Ellrichmann, S. Quasthoff, F. Lehmann-Horn, M. Sinnreich
{"title":"Myotone Dystrophien, nicht dystrophe Myotonien und periodische Paralysen","authors":"C. Schneider-Gold, F. Weber, B. Schoser, G. Ellrichmann, S. Quasthoff, F. Lehmann-Horn, M. Sinnreich","doi":"10.1055/s-0043-125352","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Zusammenfassung In der Behandlung der myotonen Dystrophien, nicht dystrophen Myotonien und periodischen Paralysen haben sich in den letzten Jahren einige neue Aspekte ergeben, die in der aktualisierten Leitlinie zu myotonen Dystrophien, nicht dystrophen Myotonien und periodischen Paralysen zusammenfassend dargestellt sind. Nach wie vor besteht eine europaweit nur sehr eingeschränkte Verfügbarkeit von Mexiletin, welches in Deutschland nur noch über die Auslandsapotheke aus z. B. Japan, den USA oder Kanada in einer Dosierung von 100 mg oder 200 mg bezogen werden kann, wenngleich die Wirksamkeit von Mexiletin bei myotoner Dystrophie Typ 1 in einer amerikanischen Studie erneut bestätigt wurde (Logigian et al., 2010). In einer rezenten Studie konnte gezeigt werden, dass der Carboanhydrasehemmer Dichlorphenamid sowohl bei hypokaliämischer als auch bei hyperkaliämischer periodischer Paralyse die Attackenfrequenz senkt, allerdings war der Unterschied bei der hyperkaliämischen Lähmung nicht signifikant (Sansone et al., 2016). Bei dieser Studie handelt es sich um die Kombination zweier randomisierter Untersuchungen über 9 Wochen, kombiniert mit einer einjährigen Extensionsphase, bei der alle Teilnehmer Dichlorphenamid erhielten. Die Studie wurde gegen Placebo durchgeführt; der ursprünglich geplante Vergleich mit Acetazolamid wurde abgebrochen, weil die an der Studie teilnehmenden Patienten Dichlorphenamid aufgrund subjektiv besserer Wirksamkeit vorzogen und deshalb keine Gruppe für einen Vergleich Dichlorphenamid/Acetazolamid gebildet werden konnte. Die Hauptnebenwirkungen waren Parästhesien, Nierensteinbildung und eine Verlangsamung des Denkens. Die Studie erlaubte keine Rückschlüsse auf die Beziehung zwischen Wirksamkeit und Genotyp; die häufigste Mutation war T704 M (Nav1.4) bei der hyperkaliämischen Lähmung und R528H (Cav1.1) und R1239H (Cav1.1) bei der hypokaliämischen Lähmung. Ein Patient in der hypokaliämischen Gruppe mit der Mutation pR222 W (Nav1.4) verschlechterte sich. Dichlorphenamid ist inzwischen als Keveyis in den USA im Handel. In der Europäischen Union ist Dichlorphenamid (noch) nicht zugelassen; es hat aber den Status einer „orphan drug“ und ist somit verordnungsfähig. In einer doppelblinden randomisierten placebokontrollierten Studie mit 22 Patienten mit nicht dystrophen Myotonien konnte gezeigt werden, dass Lamotrigin in einer Dosierung von 300 mg/d die myotone Symptomatik signifikant gegenüber dem Ausgangsbefund verbesserte (Anderson G et al., 2017). Eine offene Behandlungsstudie mit Ranolazin, einem Piperazinderivat, in einer Dosierung von 2 × 500 mg bei 13 Patienten mit Chloridkanalmyotonie ergab eine signifikant reduzierte EMG-Myotonie, eine nach Patientenangaben signifikant reduzierte Muskelsteifigkeit und geringer auch reduzierte Muskelschwäche und eine reduzierte Myotonie in den klinischen Tests (Arnold WD et al., 2017).","PeriodicalId":50832,"journal":{"name":"Aktuelle Neurologie","volume":"45 1","pages":"167 - 177"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2018-02-23","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"https://sci-hub-pdf.com/10.1055/s-0043-125352","citationCount":"8","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Aktuelle Neurologie","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.1055/s-0043-125352","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"Q4","JCRName":"Medicine","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Zusammenfassung In der Behandlung der myotonen Dystrophien, nicht dystrophen Myotonien und periodischen Paralysen haben sich in den letzten Jahren einige neue Aspekte ergeben, die in der aktualisierten Leitlinie zu myotonen Dystrophien, nicht dystrophen Myotonien und periodischen Paralysen zusammenfassend dargestellt sind. Nach wie vor besteht eine europaweit nur sehr eingeschränkte Verfügbarkeit von Mexiletin, welches in Deutschland nur noch über die Auslandsapotheke aus z. B. Japan, den USA oder Kanada in einer Dosierung von 100 mg oder 200 mg bezogen werden kann, wenngleich die Wirksamkeit von Mexiletin bei myotoner Dystrophie Typ 1 in einer amerikanischen Studie erneut bestätigt wurde (Logigian et al., 2010). In einer rezenten Studie konnte gezeigt werden, dass der Carboanhydrasehemmer Dichlorphenamid sowohl bei hypokaliämischer als auch bei hyperkaliämischer periodischer Paralyse die Attackenfrequenz senkt, allerdings war der Unterschied bei der hyperkaliämischen Lähmung nicht signifikant (Sansone et al., 2016). Bei dieser Studie handelt es sich um die Kombination zweier randomisierter Untersuchungen über 9 Wochen, kombiniert mit einer einjährigen Extensionsphase, bei der alle Teilnehmer Dichlorphenamid erhielten. Die Studie wurde gegen Placebo durchgeführt; der ursprünglich geplante Vergleich mit Acetazolamid wurde abgebrochen, weil die an der Studie teilnehmenden Patienten Dichlorphenamid aufgrund subjektiv besserer Wirksamkeit vorzogen und deshalb keine Gruppe für einen Vergleich Dichlorphenamid/Acetazolamid gebildet werden konnte. Die Hauptnebenwirkungen waren Parästhesien, Nierensteinbildung und eine Verlangsamung des Denkens. Die Studie erlaubte keine Rückschlüsse auf die Beziehung zwischen Wirksamkeit und Genotyp; die häufigste Mutation war T704 M (Nav1.4) bei der hyperkaliämischen Lähmung und R528H (Cav1.1) und R1239H (Cav1.1) bei der hypokaliämischen Lähmung. Ein Patient in der hypokaliämischen Gruppe mit der Mutation pR222 W (Nav1.4) verschlechterte sich. Dichlorphenamid ist inzwischen als Keveyis in den USA im Handel. In der Europäischen Union ist Dichlorphenamid (noch) nicht zugelassen; es hat aber den Status einer „orphan drug“ und ist somit verordnungsfähig. In einer doppelblinden randomisierten placebokontrollierten Studie mit 22 Patienten mit nicht dystrophen Myotonien konnte gezeigt werden, dass Lamotrigin in einer Dosierung von 300 mg/d die myotone Symptomatik signifikant gegenüber dem Ausgangsbefund verbesserte (Anderson G et al., 2017). Eine offene Behandlungsstudie mit Ranolazin, einem Piperazinderivat, in einer Dosierung von 2 × 500 mg bei 13 Patienten mit Chloridkanalmyotonie ergab eine signifikant reduzierte EMG-Myotonie, eine nach Patientenangaben signifikant reduzierte Muskelsteifigkeit und geringer auch reduzierte Muskelschwäche und eine reduzierte Myotonie in den klinischen Tests (Arnold WD et al., 2017).