{"title":"Narrative Bewältigung von einschneidenden Erlebnissen eines Rückkehrers in der deutschen und türkischen Lebenswelt","authors":"Serap Devran","doi":"10.37307/j.1868-775x.2019.03.05","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Mein Beitrag entstand im Rahmen meiner biografieund interaktionsanalytischen Studie zu sozialen und sprachlichen Erfahrungen junger „Rückkehrer/innen“, d. h. junger Frauen und Männer türkischer Herkunft, die in Deutschland oder Österreich aufwuchsen, und als Jugendliche bzw. junge Erwachsene in die Türkei migrierten. Furkan, der Informant, den ich hier vorstelle, schildert Ausgrenzungserfahrungen in Deutschland aufgrund seiner ethnischen Herkunft und Anpassungsprobleme in der Türkei aufgrund sprachlicher und sozialer Auffälligkeiten. Ziel meiner Analyse ist es, die verschiedenen Phasen seiner Lebensgeschichte in beiden Lebenswelten zu beschreiben, den Zusammenhang zwischen Ausgrenzungserlebnissen, ihrer Deutung und ihrer narrativen Bewältigung zu rekonstruieren und die Unterschiede zwischen der Schilderung in beiden Lebenswelten herauszuarbeiten. Auf dieser Basis lässt sich die narrative Bewältigung der Erlebnisse in Kindheit und früher Jugend in Deutschland mit Erzählformen für Traumata in Beziehung setzen. This article is based on data from my biographically and interactionally oriented pilot study on the sociolinguistic experiences of “returners”, i. e. young men and women of Turkish origin who grew up in Germany or Austria and who migrated to Turkey as young adults. Furkan, the informant who figures here, describes experiences of exclusion in Germany because of his ethnic background, and problems in adjusting to life in Turkey because of his social and linguistic conspicuousness. The aim of my analysis is to describe the different phases of his biography in the two different environments, to reconstruct the relationship between experiences of exclusion in both environments, the ways they are interpreted and presented in his narrative, and finally to analyse the differences of the narratives referring to one or the other environment. On the basis of all of this, Furkan’s narratives about his experiences as a child in Germany may be related to narrative forms characteristic of coping with traumatic experiences. 1. Einleitung: Gegenstand und Ziel des Beitrags In meiner biografieund interaktionsanalytischen Pilotstudie „Deutsch-Türkische Migration: Die Darstellung narrativer Identitäten von Studentinnen in Istanbul“ (Devran 2017) untersuchte ich die sozialen und sprachlichen Erfahrungen von drei jungen Frauen, die in Deutschland und Österreich aufwuchsen, und als Jugendliche bzw. junge Erwachsene in die Türkei migrierten. Typische Erfahrungen der „Rückkehrerinnen“ sind beispielsweise 1 Der Beitrag ist während eines dreimonatigen Forschungsaufenthalts am Leibniz-Institut für Deutsche Sprache (IDS) Mannheim im Sommer 2018 entstanden. Mein besonderer Dank gilt dem Deutschen Akademischen Austauschdienst für seine großzügige finanzielle Förderung durch ein DAAD Stipendium für ausländische Hochschullehrer. 2 Der Begriff „Rückkehrer/innen“ ist in Anführungszeichen gesetzt, da es sich nicht um Rückkehrer/innen im eigentlichen Sinne handelt. Die betreffenden Personen haben die Bezeichnung von ihren Eltern bzw. Großeltern übernommen, die als Arbeitermigrant/innen nach Deutschland migriert und später in die Türkei zurückgekehrt sind (vgl. Devran 2017, S. 14). 5 8 7 0 1 3 0 5 3 8 7 9 Originalveröffentlichung in: Deutsche Sprache Jg. 47 (2019) Nr. 3, S. 258-282. Publikationsserver des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:mh39-91698 259 die Vorurteile gegenüber Türken in Schule und Gesellschaft in Deutschland. In der Türkei werden die Informantinnen aufgrund sprachlicher und sozialer Auffälligkeiten ausgegrenzt; sie fühlen sich als „Almancı“ abgelehnt und abgewertet. Aufgrund von sprachlichen und sozio-kulturellen Gemeinsamkeiten fühlen sie sich in gleichaltrigen „Rückkehrergruppen“ am wohlsten; dort gelingt ihnen die soziale Verortung als Deutsch-Türken oder Weltbürger (ebd., S. 17 ff.). Furkan, der Informant, den ich im Folgenden vorstelle, schildert ebenfalls das Erleben ethnischer Ausgrenzung in der Schule in Deutschland, ebenso wie das Erleben sprachlicher und kultureller Anpassungsprobleme in der Türkei. Auch ihm gelingt es erst in der deutsch-türkischen „Rückkehrergruppe“ in der Türkei ein Gefühl von Zugehörigeit und ehrgeizige berufliche Perspektiven zu entwickeln. Ähnliche Erfahrungen schildert auch Mehmet Daimagüler (2011) in seiner Biografie. Er ist der Sohn einer Gastarbeiterfamilie, erfährt als Grundschüler die Selektion in die Sonderschule, erlebt Diskriminierung im sozialen Umfeld in Deutschland und schwankt zwischen zwei Lebenswelten. Später wird er Absolvent von Harvard und Yale, praktiziert als Anwalt und ist „Young Leader“ der Atlantik-Brücke und „Global Young Leader“. Interessant an Furkans Erzählungen ist, dass er die z. T. dramatischen Erfahrungen in Deutschland anders darstellt als seine Erfahrungen in der Türkei. Die Erinnerungen an die deutsche Lebenswelt sind geprägt von Gewalt und Ausgrenzung, die er als traumatisches Erleben schildert, während seine Erfahrungen in der Tükei eher als Anpassungsprobleme, als schmerzhaftes Eingewöhnen in eine fremde Lebenswelt geschildert werden. Ziel meiner Analyse ist es, die verschiedenen Phasen von Furkans Lebensgeschichte in beiden Lebenswelten zu beschreiben, den Zusammenhang zwischen Ausgrenzungserfahrungen, ihrer Deutung und ihrer narrativen Bewältigung zu rekonstruieren und die Unterschiede zwischen der Schilderung in beiden Lebenswelten herauszuarbeiten. Auf dieser Basis lässt sich die narrative Bewältigung der Erlebnisse in Kindheit und früher Jugend in Deutschland mit Erzählformen für Traumata in Beziehung setzen. 3 Das „World Economic Forum“ in Davos kürte Mehmet Gürcan Daimagüler im Jahr 2005 auf Initiative des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder zum „Young Global Leader“. Er ist bis heute Mitglied dieser Organisation. 4 Die Atlantik-Brücke wurde im Jahr 1952 in der BRD gegründet. Ziel ist es, die persönliche Begegnung zwischen deutschen und amerikanischen Führungskräften zu fördern. Darüber hinaus bietet sie verschiedenen Entscheidungsträgern aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft von beiden Seiten des Atlantiks eine Plattform für Treffen und für die globale Vernetzung von Akteuren. Heute beschäftigt sich die Atlantik-Brücke unter anderem neben außenpolitischen Themen auch mit Fragen der Digitalisierung, Klima und Energie. (Online: www.atlantik-bruecke.org, Stand: 23. 6. 2019). 5 Young Global Leader ist eine Community mit über 1000 Mitgliedern aus verschiedenen Berufsgruppen, die vom World Economic Forum (WEF) unterstützt wird. Ziel des WEF ist es institutionalisierte Prozesse zu etablieren und somit Plattformen für kontinuierliche Aktivitäten und Interaktionen aufzustellen. Im Fokus steht dabei die öffentlich-private Zusammenarbeit von jungen globalen Führungskräften anzuregen, einen intensiven Austausch und gute Beziehungen zwischen den Kulturen zu pflegen und eine innovative Form der Zusammenarbeit zur Bewältigung drängender lokaler und globaler Herausforderungen zu fördern. (Online: www.younggloballeaders.org, Stand: 14. 6. 2019). 5 8 7 0 1 3 0 5 3 8 7 9 260 2. Theoretische und methodische Grundlagen: Positionierungskonzept, Agentivität und Traumaanalyse Beim vorliegenden Beitrag handelt es sich um eine qualitative Untersuchung, die an biografische und interaktionistische Ansätze anknüpft. Datengrundlage ist eine Lebensgeschichte, dargestellt aus der Retrospektive, in der es um Erfahrungen in Bezug auf die erlebte Migration geht. Der biografische Ansatz bezieht sich auf die Rekonstruktion der mit der Veränderung der Lebenswelten einhergehenden Entwicklungen, deren Sinnkonstruktionen und die in den individuellen Darstellungen durchscheinenden übergreifenden gesellschaftlichen Strukturen. Das heißt, in den rekonstruierten Handlungsdarstellungen des Informanten sind zugleich die für die Familie, die Gruppe und in der jeweiligen sozialen Lebenswelt geltenden Überzeugungen, Werte und Normen mitenthalten. Von Interesse ist dabei, wie die sozialen und sprachlichen Erfahrungen in den verschiedenen Lebenswelten aus der Rückschau dargestellt, interpretiert und bewertet werden (vgl. Keim et al. 2012, S. 30, 32). Der interaktionistische Ansatz knüpft an ethnomethodologische, ethnografische und konversationsanalytische Ansätze an. Er geht von der lokalen Hervorbringung von Identitätsaspekten aus, wie sie in Gesprächssequenzen emergieren und in Verbindung zu Bedeutungsrahmen gebracht werden, auf die die Beteiligten bei der Aushandlung rekurrieren. 2.1 Positionierungskonzept und Agentivität Für die Analyse des Gesprächs beziehe ich mich auf die in der Erzählforschung entwickelten Konzepte, die die Darstellung narrativer Identität zu erfassen suchen, vor allem auf das Positionierungskonzept, das Lucius-Hoene/Deppermann (2004) und Deppermann (2013) als Instrument zur empirischen Erforschung narrativer Identitäten auf der Basis von autobiografischen Erzählungen vorschlagen. Die Autoren argumentieren, dass mithilfe des Positionierungskonzepts ein materialgestützter Zugang zu Prozessen der Identitätskonstitution in Erzählungen geleistet werden kann, „da es die identitätsrelevanten darstellerischen wie performativen Handlungen von Erzählern zu rekonstruieren erlaubt“ (LuciusHoene/Deppermann 2004, S. 166). Dabei wird zwischen verschiedenen Ebenen und 6 Das biografisch-narrative Interview, eingeführt von Fritz Schütze (1983) und von Gabriele Rosenthal (1995) weiterentwickelt, hat sich als Erhebungsverfahren in der qualitativen Sozialforschung etabliert. Die Durchführung des Interviews erfolgt in drei Phasen. Die erste Phase wird eingeleitet durch die Erzählaufforderung der Interviewerin, ausführlich über Erlebnisse und Erfahrungen in den verschiedenen biografischen Phasen zu erzählen. Die möglichst zurückhaltende, interessierte und empathische Gesprächsführung der Interviewerin hat dabei eine unterstützende und motivierende Funktion. In der zweiten Phase folgen dann die auf die Erzählung generierenden Fragen oder Be","PeriodicalId":42224,"journal":{"name":"DEUTSCHE SPRACHE","volume":" ","pages":""},"PeriodicalIF":0.1000,"publicationDate":"2019-08-26","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"DEUTSCHE SPRACHE","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.37307/j.1868-775x.2019.03.05","RegionNum":4,"RegionCategory":"文学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"0","JCRName":"LANGUAGE & LINGUISTICS","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Mein Beitrag entstand im Rahmen meiner biografieund interaktionsanalytischen Studie zu sozialen und sprachlichen Erfahrungen junger „Rückkehrer/innen“, d. h. junger Frauen und Männer türkischer Herkunft, die in Deutschland oder Österreich aufwuchsen, und als Jugendliche bzw. junge Erwachsene in die Türkei migrierten. Furkan, der Informant, den ich hier vorstelle, schildert Ausgrenzungserfahrungen in Deutschland aufgrund seiner ethnischen Herkunft und Anpassungsprobleme in der Türkei aufgrund sprachlicher und sozialer Auffälligkeiten. Ziel meiner Analyse ist es, die verschiedenen Phasen seiner Lebensgeschichte in beiden Lebenswelten zu beschreiben, den Zusammenhang zwischen Ausgrenzungserlebnissen, ihrer Deutung und ihrer narrativen Bewältigung zu rekonstruieren und die Unterschiede zwischen der Schilderung in beiden Lebenswelten herauszuarbeiten. Auf dieser Basis lässt sich die narrative Bewältigung der Erlebnisse in Kindheit und früher Jugend in Deutschland mit Erzählformen für Traumata in Beziehung setzen. This article is based on data from my biographically and interactionally oriented pilot study on the sociolinguistic experiences of “returners”, i. e. young men and women of Turkish origin who grew up in Germany or Austria and who migrated to Turkey as young adults. Furkan, the informant who figures here, describes experiences of exclusion in Germany because of his ethnic background, and problems in adjusting to life in Turkey because of his social and linguistic conspicuousness. The aim of my analysis is to describe the different phases of his biography in the two different environments, to reconstruct the relationship between experiences of exclusion in both environments, the ways they are interpreted and presented in his narrative, and finally to analyse the differences of the narratives referring to one or the other environment. On the basis of all of this, Furkan’s narratives about his experiences as a child in Germany may be related to narrative forms characteristic of coping with traumatic experiences. 1. Einleitung: Gegenstand und Ziel des Beitrags In meiner biografieund interaktionsanalytischen Pilotstudie „Deutsch-Türkische Migration: Die Darstellung narrativer Identitäten von Studentinnen in Istanbul“ (Devran 2017) untersuchte ich die sozialen und sprachlichen Erfahrungen von drei jungen Frauen, die in Deutschland und Österreich aufwuchsen, und als Jugendliche bzw. junge Erwachsene in die Türkei migrierten. Typische Erfahrungen der „Rückkehrerinnen“ sind beispielsweise 1 Der Beitrag ist während eines dreimonatigen Forschungsaufenthalts am Leibniz-Institut für Deutsche Sprache (IDS) Mannheim im Sommer 2018 entstanden. Mein besonderer Dank gilt dem Deutschen Akademischen Austauschdienst für seine großzügige finanzielle Förderung durch ein DAAD Stipendium für ausländische Hochschullehrer. 2 Der Begriff „Rückkehrer/innen“ ist in Anführungszeichen gesetzt, da es sich nicht um Rückkehrer/innen im eigentlichen Sinne handelt. Die betreffenden Personen haben die Bezeichnung von ihren Eltern bzw. Großeltern übernommen, die als Arbeitermigrant/innen nach Deutschland migriert und später in die Türkei zurückgekehrt sind (vgl. Devran 2017, S. 14). 5 8 7 0 1 3 0 5 3 8 7 9 Originalveröffentlichung in: Deutsche Sprache Jg. 47 (2019) Nr. 3, S. 258-282. Publikationsserver des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:mh39-91698 259 die Vorurteile gegenüber Türken in Schule und Gesellschaft in Deutschland. In der Türkei werden die Informantinnen aufgrund sprachlicher und sozialer Auffälligkeiten ausgegrenzt; sie fühlen sich als „Almancı“ abgelehnt und abgewertet. Aufgrund von sprachlichen und sozio-kulturellen Gemeinsamkeiten fühlen sie sich in gleichaltrigen „Rückkehrergruppen“ am wohlsten; dort gelingt ihnen die soziale Verortung als Deutsch-Türken oder Weltbürger (ebd., S. 17 ff.). Furkan, der Informant, den ich im Folgenden vorstelle, schildert ebenfalls das Erleben ethnischer Ausgrenzung in der Schule in Deutschland, ebenso wie das Erleben sprachlicher und kultureller Anpassungsprobleme in der Türkei. Auch ihm gelingt es erst in der deutsch-türkischen „Rückkehrergruppe“ in der Türkei ein Gefühl von Zugehörigeit und ehrgeizige berufliche Perspektiven zu entwickeln. Ähnliche Erfahrungen schildert auch Mehmet Daimagüler (2011) in seiner Biografie. Er ist der Sohn einer Gastarbeiterfamilie, erfährt als Grundschüler die Selektion in die Sonderschule, erlebt Diskriminierung im sozialen Umfeld in Deutschland und schwankt zwischen zwei Lebenswelten. Später wird er Absolvent von Harvard und Yale, praktiziert als Anwalt und ist „Young Leader“ der Atlantik-Brücke und „Global Young Leader“. Interessant an Furkans Erzählungen ist, dass er die z. T. dramatischen Erfahrungen in Deutschland anders darstellt als seine Erfahrungen in der Türkei. Die Erinnerungen an die deutsche Lebenswelt sind geprägt von Gewalt und Ausgrenzung, die er als traumatisches Erleben schildert, während seine Erfahrungen in der Tükei eher als Anpassungsprobleme, als schmerzhaftes Eingewöhnen in eine fremde Lebenswelt geschildert werden. Ziel meiner Analyse ist es, die verschiedenen Phasen von Furkans Lebensgeschichte in beiden Lebenswelten zu beschreiben, den Zusammenhang zwischen Ausgrenzungserfahrungen, ihrer Deutung und ihrer narrativen Bewältigung zu rekonstruieren und die Unterschiede zwischen der Schilderung in beiden Lebenswelten herauszuarbeiten. Auf dieser Basis lässt sich die narrative Bewältigung der Erlebnisse in Kindheit und früher Jugend in Deutschland mit Erzählformen für Traumata in Beziehung setzen. 3 Das „World Economic Forum“ in Davos kürte Mehmet Gürcan Daimagüler im Jahr 2005 auf Initiative des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder zum „Young Global Leader“. Er ist bis heute Mitglied dieser Organisation. 4 Die Atlantik-Brücke wurde im Jahr 1952 in der BRD gegründet. Ziel ist es, die persönliche Begegnung zwischen deutschen und amerikanischen Führungskräften zu fördern. Darüber hinaus bietet sie verschiedenen Entscheidungsträgern aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft von beiden Seiten des Atlantiks eine Plattform für Treffen und für die globale Vernetzung von Akteuren. Heute beschäftigt sich die Atlantik-Brücke unter anderem neben außenpolitischen Themen auch mit Fragen der Digitalisierung, Klima und Energie. (Online: www.atlantik-bruecke.org, Stand: 23. 6. 2019). 5 Young Global Leader ist eine Community mit über 1000 Mitgliedern aus verschiedenen Berufsgruppen, die vom World Economic Forum (WEF) unterstützt wird. Ziel des WEF ist es institutionalisierte Prozesse zu etablieren und somit Plattformen für kontinuierliche Aktivitäten und Interaktionen aufzustellen. Im Fokus steht dabei die öffentlich-private Zusammenarbeit von jungen globalen Führungskräften anzuregen, einen intensiven Austausch und gute Beziehungen zwischen den Kulturen zu pflegen und eine innovative Form der Zusammenarbeit zur Bewältigung drängender lokaler und globaler Herausforderungen zu fördern. (Online: www.younggloballeaders.org, Stand: 14. 6. 2019). 5 8 7 0 1 3 0 5 3 8 7 9 260 2. Theoretische und methodische Grundlagen: Positionierungskonzept, Agentivität und Traumaanalyse Beim vorliegenden Beitrag handelt es sich um eine qualitative Untersuchung, die an biografische und interaktionistische Ansätze anknüpft. Datengrundlage ist eine Lebensgeschichte, dargestellt aus der Retrospektive, in der es um Erfahrungen in Bezug auf die erlebte Migration geht. Der biografische Ansatz bezieht sich auf die Rekonstruktion der mit der Veränderung der Lebenswelten einhergehenden Entwicklungen, deren Sinnkonstruktionen und die in den individuellen Darstellungen durchscheinenden übergreifenden gesellschaftlichen Strukturen. Das heißt, in den rekonstruierten Handlungsdarstellungen des Informanten sind zugleich die für die Familie, die Gruppe und in der jeweiligen sozialen Lebenswelt geltenden Überzeugungen, Werte und Normen mitenthalten. Von Interesse ist dabei, wie die sozialen und sprachlichen Erfahrungen in den verschiedenen Lebenswelten aus der Rückschau dargestellt, interpretiert und bewertet werden (vgl. Keim et al. 2012, S. 30, 32). Der interaktionistische Ansatz knüpft an ethnomethodologische, ethnografische und konversationsanalytische Ansätze an. Er geht von der lokalen Hervorbringung von Identitätsaspekten aus, wie sie in Gesprächssequenzen emergieren und in Verbindung zu Bedeutungsrahmen gebracht werden, auf die die Beteiligten bei der Aushandlung rekurrieren. 2.1 Positionierungskonzept und Agentivität Für die Analyse des Gesprächs beziehe ich mich auf die in der Erzählforschung entwickelten Konzepte, die die Darstellung narrativer Identität zu erfassen suchen, vor allem auf das Positionierungskonzept, das Lucius-Hoene/Deppermann (2004) und Deppermann (2013) als Instrument zur empirischen Erforschung narrativer Identitäten auf der Basis von autobiografischen Erzählungen vorschlagen. Die Autoren argumentieren, dass mithilfe des Positionierungskonzepts ein materialgestützter Zugang zu Prozessen der Identitätskonstitution in Erzählungen geleistet werden kann, „da es die identitätsrelevanten darstellerischen wie performativen Handlungen von Erzählern zu rekonstruieren erlaubt“ (LuciusHoene/Deppermann 2004, S. 166). Dabei wird zwischen verschiedenen Ebenen und 6 Das biografisch-narrative Interview, eingeführt von Fritz Schütze (1983) und von Gabriele Rosenthal (1995) weiterentwickelt, hat sich als Erhebungsverfahren in der qualitativen Sozialforschung etabliert. Die Durchführung des Interviews erfolgt in drei Phasen. Die erste Phase wird eingeleitet durch die Erzählaufforderung der Interviewerin, ausführlich über Erlebnisse und Erfahrungen in den verschiedenen biografischen Phasen zu erzählen. Die möglichst zurückhaltende, interessierte und empathische Gesprächsführung der Interviewerin hat dabei eine unterstützende und motivierende Funktion. In der zweiten Phase folgen dann die auf die Erzählung generierenden Fragen oder Be
期刊介绍:
Die Sprachwissenschaft, die sich zunehmend spezialisiert und in neuen Teildisziplinen verästelt, benötigt dringend ein Kommunikationsorgan, das die auseinanderstrebenden Forschungsfelder miteinander verknüpft. Die Zeitschrift Deutsche Sprache versteht sich als ein Forum für Sprachwissenschaftler des In- und Auslandes, in dem aktuelle Forschungsergebnisse der (germanistischen) Linguistik diskutiert und bekannt gemacht werden können. Die Zeitschrift berücksichtigt sämtliche Teilgebiete der (germanistischen) Linguistik, führt aktuelle Forschungsdiskussionen und lässt namhafte Sprachwissenschaftlerinnen und Sprachwissenschaftler zu Wort kommen. Breit angelegte Sammelberichte und Dokumentationen informieren über neue Publikationen und Entwicklungen.