{"title":"Deutsch als Zweitsprache und inklusive Bildung (2023)","authors":"Patricia E. Haberkorn","doi":"10.1111/tger.70004","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"<p>Der Sammelband <i>Deutsch als Zweitsprache und inklusive Bildung</i> bildet den dritten Band der von Marion Döll und Magdalena Michalak herausgegebenen Schriftenreihe „Deutsch als Zweitsprache – Positionen, Perspektiven, Potenziale.“ In sieben deutschsprachigen Kapiteln werden Schnittstellen und Zusammenhänge von Sprachheilpädagogik, Deutsch als Zweitsprache (DaZ) und Inklusion aufgezeigt und analysiert. Der Fokus liegt hierbei auf dem weiten Inklusionsbegriff, der im Gegensatz zum oftmals auf Schüler*innen mit Behinderungen begrenzten engen Inklusionsbegriff alle Schüler*innen umfasst, sodass der Sammelband Anregungen für die aktuelle Inklusionsdebatte bietet. Die Kapitel beschäftigen sich, den Forschungsstätten der Autor*innen folgend, sowohl mit dem schulischen Kontext in Deutschland und Österreich über Schulformen und Altersklassen hinweg und variieren in Theorie- und Praxisorientierung. Somit bietet der Sammelband Informationen für verschiedene Lehrkräfte, doch die Relevanz der Kapitel für den jeweiligen schulischen Kontext ist unterschiedlich. Als Zielgruppe des Sammelbands dienen neben Lehrkräften auch in Bildungsbehörden und an Universitäten beschäftigte Personen, die Inklusion und DaZ untersuchen sowie Curricula entwickeln und evaluieren. Die Einführung in den Band sowie die Einleitungen zu den jeweiligen Kapiteln machen den Inhalt auch Leser*innen mit keinem oder wenig Vorwissen zugänglich.</p><p>Der Sammelband gliedert sich in sieben Kapitel (exklusive Einführung), die wiederum vier Überthemen zugeordnet sind: ontologische und epistemologische Grundlagen, Diversität in der schulischen Praxis, Inklusion und DaZ in der Lehrer*innenausbildung sowie didaktisch-methodische Schnittmengen. Bei den Autor*innen handelt es sich vorrangig um Professor*innen und wissenschaftliche Mitarbeiter*innen an deutschen und österreichischen Hochschulen sowie um Kursleiter*innen und Lehrkräfte. Der Sammelband beginnt mit Dölls Kapitel <i>Zum Verhältnis von inklusiver Pädagogik, Migrationspädagogik und Deutsch als Zweitsprache</i>, in welchem sie die historische Entwicklung der Disziplinen skizziert und Parallelen und Unterschiede aufzeigt. Den Leser*innen wird dadurch der Einstieg in den Sammelband erleichtert, da die Geschichte der Disziplinen kompakt und verständlich als hilfreiches Hintergrundwissen für die übrigen Kapitel dient.</p><p>Es folgen zwei Kapitel, die dem Überthema <i>Diversität in der schulischen Praxis</i> zugeordnet sind. Hier zeigen sich Potenziale und Defizite des Sammelbands: Den weiten Inklusionsbegriff verwendend, bilden die Autor*innen beider Kapitel die Diversität in Schulklassen und Gesellschaft ab. Sie beschränken sich hierbei nicht auf DaZ-Lernende mit Einschränkungen und Behinderungen (= enger Inklusionsbegriff), sondern berücksichtigen verschiedene Merkmale (u.a. unterschiedliche sprachliche Ressourcen, Migrationshintergrund). So wird die Heterogenität in den Vordergrund gestellt. Zugleich wird jedoch kaum auf Doppel- oder Mehrmerkmalsträger*innen eingegangen und stellenweise fehlt es den Artikeln an konkreten Belegen und Gründen für die Ergebnisse. So finden sich im Artikel zu <i>Translanguaging</i> beispielsweise weder Zitate noch konkrete Reflexionsbeispiele der teilnehmenden Studierenden, was die Ergebnisse anschaulicher machen würde.</p><p>Das Überthema <i>Inklusion und DaZ in der Lehrer*innenausbildung</i> beinhaltet ein Kapitel aus dem deutschen und eins aus dem österreichischen Kontext. Auch wenn die Autorinnen unterschiedliche Schwerpunkte setzen, so erweist sich dies als förderlich, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Ausgangslagen und Ausbildung in den beiden Ländern zu identifizieren. Der Fokus liegt hierbei ausschließlich auf angehenden Lehrkräften und nicht auf der Weiterbildung. Praxisorientierung findet man vorranging in den Kapiteln des letzten Überthemas des Sammelbands, <i>didaktisch-methodische Schnittmengen</i>. Insbesondere das Kapitel von Peter und Kasberger, das sich am Beispiel von Grammatik und Wortschatz mit Schnittstellen der Deutschdidaktik, DaZ-Didaktik und Sprachheilpädagogik befasst, liefert zahlreiche Beispiele, anhand deren Lehrkräfte Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Disziplinen sehen und so ihr Verständnis und ihre Kenntnisse anderer Disziplinen ausbauen können. Auch Hofmayers Kapitel, in dem sie zwei inklusive Materialien zur Alphabetisierung bespricht, ist praxisbezogen. Sie geht nicht nur auf die Erstellung von Lernmaterialien ein, sondern auch auf potenzielle Lernschwierigkeiten. So thematisiert Hofmayer beispielsweise den Einsatz von Wort-Bild-Karten, die Veranschaulichungen des Satzbaus sowie die Vokaldifferenzierung in den Lehrwerken der Reihe <i>Genial! Deutsch Schulbuch</i>.</p><p>Der Sammelband <i>Deutsch als Zweitsprache und inklusive Bildung</i> zeichnet sich durch vielfältige Betrachtungen und Zugänge zu Inklusion in DaZ aus. Dementsprechend beinhaltet der Band für DaZ-Lehrkräfte mit unterschiedlichen Interessen informative, aufschlussreiche und praktische Kapitel. Hervorzuheben ist jedoch, dass der Fokus ausschließlich auf DaZ und nicht auf Deutsch als Fremdsprache (DaF) liegt und dass den meisten Beiträgen der weite Inklusionsbegriff zu Grunde liegt und nicht alle Kapitel praxisorientiert sind. Dies erschwert die Definition der spezifischen Zielgruppe, was bei einem Sammelband jedoch nicht untypisch ist. Der Fokus auf Deutschland und Österreich mit den dortigen Gegebenheiten und rechtlichen Vorgaben erschwert oftmals die direkte Übertragung auf den US-amerikanischen Kontext. Zugleich bieten einzelne Kapitel DaF-Lehrkräften in den USA die Möglichkeit, ein Verständnis für Inklusion im deutschsprachigen Raum zu entwickeln und praktische Beispiele zu sehen. Nennenswert sind die beiden letzten Kapitel, die Ideen für den Unterrichtseinsatz bieten. Insgesamt lässt sich festhalten, dass <i>Deutsch als Zweitsprache und inklusive Bildung</i> aktuelle und relevante Beiträge zur Entwicklung, Umsetzung und Evaluation von inklusiven Praktiken im DaZ-Bereich liefert, die stellenweise auch auf den DaF-Kontext in den USA anwendbar sind.</p>","PeriodicalId":43693,"journal":{"name":"Unterrichtspraxis-Teaching German","volume":"58 1","pages":"146-148"},"PeriodicalIF":0.3000,"publicationDate":"2025-04-09","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1111/tger.70004","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Unterrichtspraxis-Teaching German","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/tger.70004","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"0","JCRName":"LANGUAGE & LINGUISTICS","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Der Sammelband Deutsch als Zweitsprache und inklusive Bildung bildet den dritten Band der von Marion Döll und Magdalena Michalak herausgegebenen Schriftenreihe „Deutsch als Zweitsprache – Positionen, Perspektiven, Potenziale.“ In sieben deutschsprachigen Kapiteln werden Schnittstellen und Zusammenhänge von Sprachheilpädagogik, Deutsch als Zweitsprache (DaZ) und Inklusion aufgezeigt und analysiert. Der Fokus liegt hierbei auf dem weiten Inklusionsbegriff, der im Gegensatz zum oftmals auf Schüler*innen mit Behinderungen begrenzten engen Inklusionsbegriff alle Schüler*innen umfasst, sodass der Sammelband Anregungen für die aktuelle Inklusionsdebatte bietet. Die Kapitel beschäftigen sich, den Forschungsstätten der Autor*innen folgend, sowohl mit dem schulischen Kontext in Deutschland und Österreich über Schulformen und Altersklassen hinweg und variieren in Theorie- und Praxisorientierung. Somit bietet der Sammelband Informationen für verschiedene Lehrkräfte, doch die Relevanz der Kapitel für den jeweiligen schulischen Kontext ist unterschiedlich. Als Zielgruppe des Sammelbands dienen neben Lehrkräften auch in Bildungsbehörden und an Universitäten beschäftigte Personen, die Inklusion und DaZ untersuchen sowie Curricula entwickeln und evaluieren. Die Einführung in den Band sowie die Einleitungen zu den jeweiligen Kapiteln machen den Inhalt auch Leser*innen mit keinem oder wenig Vorwissen zugänglich.
Der Sammelband gliedert sich in sieben Kapitel (exklusive Einführung), die wiederum vier Überthemen zugeordnet sind: ontologische und epistemologische Grundlagen, Diversität in der schulischen Praxis, Inklusion und DaZ in der Lehrer*innenausbildung sowie didaktisch-methodische Schnittmengen. Bei den Autor*innen handelt es sich vorrangig um Professor*innen und wissenschaftliche Mitarbeiter*innen an deutschen und österreichischen Hochschulen sowie um Kursleiter*innen und Lehrkräfte. Der Sammelband beginnt mit Dölls Kapitel Zum Verhältnis von inklusiver Pädagogik, Migrationspädagogik und Deutsch als Zweitsprache, in welchem sie die historische Entwicklung der Disziplinen skizziert und Parallelen und Unterschiede aufzeigt. Den Leser*innen wird dadurch der Einstieg in den Sammelband erleichtert, da die Geschichte der Disziplinen kompakt und verständlich als hilfreiches Hintergrundwissen für die übrigen Kapitel dient.
Es folgen zwei Kapitel, die dem Überthema Diversität in der schulischen Praxis zugeordnet sind. Hier zeigen sich Potenziale und Defizite des Sammelbands: Den weiten Inklusionsbegriff verwendend, bilden die Autor*innen beider Kapitel die Diversität in Schulklassen und Gesellschaft ab. Sie beschränken sich hierbei nicht auf DaZ-Lernende mit Einschränkungen und Behinderungen (= enger Inklusionsbegriff), sondern berücksichtigen verschiedene Merkmale (u.a. unterschiedliche sprachliche Ressourcen, Migrationshintergrund). So wird die Heterogenität in den Vordergrund gestellt. Zugleich wird jedoch kaum auf Doppel- oder Mehrmerkmalsträger*innen eingegangen und stellenweise fehlt es den Artikeln an konkreten Belegen und Gründen für die Ergebnisse. So finden sich im Artikel zu Translanguaging beispielsweise weder Zitate noch konkrete Reflexionsbeispiele der teilnehmenden Studierenden, was die Ergebnisse anschaulicher machen würde.
Das Überthema Inklusion und DaZ in der Lehrer*innenausbildung beinhaltet ein Kapitel aus dem deutschen und eins aus dem österreichischen Kontext. Auch wenn die Autorinnen unterschiedliche Schwerpunkte setzen, so erweist sich dies als förderlich, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Ausgangslagen und Ausbildung in den beiden Ländern zu identifizieren. Der Fokus liegt hierbei ausschließlich auf angehenden Lehrkräften und nicht auf der Weiterbildung. Praxisorientierung findet man vorranging in den Kapiteln des letzten Überthemas des Sammelbands, didaktisch-methodische Schnittmengen. Insbesondere das Kapitel von Peter und Kasberger, das sich am Beispiel von Grammatik und Wortschatz mit Schnittstellen der Deutschdidaktik, DaZ-Didaktik und Sprachheilpädagogik befasst, liefert zahlreiche Beispiele, anhand deren Lehrkräfte Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Disziplinen sehen und so ihr Verständnis und ihre Kenntnisse anderer Disziplinen ausbauen können. Auch Hofmayers Kapitel, in dem sie zwei inklusive Materialien zur Alphabetisierung bespricht, ist praxisbezogen. Sie geht nicht nur auf die Erstellung von Lernmaterialien ein, sondern auch auf potenzielle Lernschwierigkeiten. So thematisiert Hofmayer beispielsweise den Einsatz von Wort-Bild-Karten, die Veranschaulichungen des Satzbaus sowie die Vokaldifferenzierung in den Lehrwerken der Reihe Genial! Deutsch Schulbuch.
Der Sammelband Deutsch als Zweitsprache und inklusive Bildung zeichnet sich durch vielfältige Betrachtungen und Zugänge zu Inklusion in DaZ aus. Dementsprechend beinhaltet der Band für DaZ-Lehrkräfte mit unterschiedlichen Interessen informative, aufschlussreiche und praktische Kapitel. Hervorzuheben ist jedoch, dass der Fokus ausschließlich auf DaZ und nicht auf Deutsch als Fremdsprache (DaF) liegt und dass den meisten Beiträgen der weite Inklusionsbegriff zu Grunde liegt und nicht alle Kapitel praxisorientiert sind. Dies erschwert die Definition der spezifischen Zielgruppe, was bei einem Sammelband jedoch nicht untypisch ist. Der Fokus auf Deutschland und Österreich mit den dortigen Gegebenheiten und rechtlichen Vorgaben erschwert oftmals die direkte Übertragung auf den US-amerikanischen Kontext. Zugleich bieten einzelne Kapitel DaF-Lehrkräften in den USA die Möglichkeit, ein Verständnis für Inklusion im deutschsprachigen Raum zu entwickeln und praktische Beispiele zu sehen. Nennenswert sind die beiden letzten Kapitel, die Ideen für den Unterrichtseinsatz bieten. Insgesamt lässt sich festhalten, dass Deutsch als Zweitsprache und inklusive Bildung aktuelle und relevante Beiträge zur Entwicklung, Umsetzung und Evaluation von inklusiven Praktiken im DaZ-Bereich liefert, die stellenweise auch auf den DaF-Kontext in den USA anwendbar sind.