{"title":"EINFÜHRUNG. DYNAMIKEN DES ÜBERGANGS IM WERK VON SCHRIFTSTELLERINNEN DER GENERATION UM 1800 UND DES VORMÄRZ: KONTINUITÄTEN UND BRÜCHE","authors":"Andree Michaelis-König, Jadwiga Kita-Huber, Renata Dampc-Jarosz","doi":"10.1111/glal.12419","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"<p>Die revolutionären Umwälzungen von 1848/49, die Otto-Peters hier anspricht, repräsentieren einen epochalen Höhepunkt der soziohistorischen Wandlungsprozesse, die das 19. Jahrhundert geprägt und zugleich die Grundlagen für die demokratischen Gesellschaften unserer Gegenwart gestiftet haben.2 Die Aufhebung des alten, die Souveränität des Menschen beschränkenden Systems zugunsten einer neuen, an den Prinzipien der Demokratie und der Achtung des Individuums orientierten Ordnung markiert ein radikales Umdenken. Dass dabei ausgerechnet die Frauenemanzipation, anders als etwa die rechtliche Gleichstellung von Jüdinnen und Juden,3 keine Berücksichtigung erfuhr,4 war ein Affront angesichts des Anerkennungskampfes vieler aktiv an den Erhebungen und Debatten beteiligter Frauen. Denn tatsächlich wirkten Frauen im unmittelbaren Barrikadenkampf ebenso wie intellektuell an der visionären Umgestaltung mit, die nicht allein Otto-Peters als eine Chance in jenem emanzipatorischen Kampf ansah, den sie und ihre Zeitgenossinnen bereits seit Jahrzehnten verfolgten. Frauen nahmen im 19. Jahrhundert indes nicht nur Anteil an einer epochalen Umschreibung von Geschichte im Zeichen der Emanzipation, sie schrieben sich auch in einer zunehmend sichtbaren Weise in die Literaturgeschichte der Epoche ein. Zeitraum dieser Entwicklung ist die Phase vom ausgehenden 18. Jahrhundert bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, welche das vorliegende Heft in den Fokus rückt. Damit einher geht die produktive Inanspruchnahme von drei Schlüsselaspekten. Die folgenden Beiträge eröffnen (1) eine Perspektive auf generationelle Zusammenhänge über real- wie literaturgeschichtliche Epochenkategorien hinweg. Nicht Aufklärung, Klassik, Romantik und Vormärz sind hierbei die leitenden Begriffe, sondern die generationellen Zusammenhänge, die Frauen im untersuchten Zeitraum untereinander herstellten und wahrnahmen. Dabei wird (2) eine Ausdifferenzierung von Formen der politisierten Partizipation, von Handlungsfeldern und Handlungsmodi möglich, für die wir im Folgenden die Unterscheidung von öffentlich-kämpferischem <i>Aktivismus</i> und einem eher individualistischen und oft erst nachträglich eigentlich zu würdigenden <i>Engagement</i> vorschlagen. Schließlich (3) nehmen die hier versammelten Einzelstudien Anteil an einer kritischen Revision von Kanonisierungsprozessen, welche als notwendige Voraussetzung erscheint, um das schriftstellerische Schaffen von Frauen wieder sichtbar zu machen. Es geht dabei um eine neue Perspektive auf die Schreibformen und Genres, die Frauen eine Mitsprache ermöglicht haben, aber auch von Frauen zur Mitsprache genutzt wurden.5 Hierzu zählt die Anerkennung der in der Epoche so populären Briefromane, der Korrespondenzen selbst sowie von oft als ‘trivial’ abgetanen Genres etwa des Unterhaltungsromans oder der Zeitungskolumne. Hierfür spricht gerade die große Verbreitung und Popularität solcher Werke, die Schriftstellerinnen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts – darunter Ida Hahn-Hahn, Fanny Lewald, Luise Mühlbach und Amalie Struve – zu weit bekannten Erfolgsautorinnen werden ließen, die erst der patriarchale Kanonisierungsprozess späterer Jahrzehnte aus der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit verdrängt hat. Es ist die zeitgenössische Rezeption, die auf die (literatur-)politische Bedeutung dieser Werke und Autorinnen hindeutet und zugleich Erkenntniswege eröffnet, welche die Frage nach der nachträglichen Aufnahme oder Nichtaufnahme in die Literaturgeschichten eher verstellt.</p><p>Gerade der Blick auf die Generationen deutschsprachiger Schriftstellerinnen, die nach der Menschenrechtserklärung der Französischen Revolution – und nach den gescheiterten Bemühungen um die Rechte der Frauen etwa von Olympe de Gouges6 – zu schreiben begannen und mit wachsendem Erfolg gelesen wurden, verdeutlicht, dass die Politisierung der 1840er Jahre nicht als spontane Partizipation gedeutet werden darf, sondern als Teil einer langfristigen Entwicklung. Als dynamisch ist ohnehin der Entwicklungszusammenhang der Epoche anzusehen, der weit eher als ein vielschichtiger Vorgang denn als plötzlicher Bruch mit der überkommenen politischen Ordnung zu verstehen ist. Schon mit Blick auf die nicht unumstrittene Epochenbezeichnung ‘Vormärz’ kam Norbert Otto Eke in diesem Sinne zu dem Schluss, man müsse die politischen wie ästhetischen Prozesse dieser Jahrzehnte eher als ‘das Ganze eines um 1830 einsetzenden und bis in die 1890er Jahre reichenden Wandlungsprozesses auf den verschiedensten Ebenen’7 verstehen. Eine solche Ebene aber ist das emanzipationspolitische Wirken von Autorinnen, und dieses begann nicht erst um 1830, sondern bereits in den Jahren um die Jahrhundertwende.</p><p>Die vorliegenden Beiträge untersuchen die spezifischen Dynamiken, die im Laufe dieses Vorgangs in den Jahrzehnten von 1800 bis etwa 1850 und darüber hinaus zur Entfaltung kamen. Dabei eröffnet sich ein Blick nicht nur auf das Schaffen einer Reihe <i>aktivistischer</i> Autorinnen mit großer Sichtbarkeit, sondern auch auf solche, die als <i>engagierte</i> Beobachterinnen mit größerer Zurückhaltung darauf hinwirkten, die Ereignisse des politischen Umbruchs mitzugestalten. Die Unterscheidung zwischen <i>Engagement</i> und <i>Aktivismus</i> ist im Kontext der soziokulturellen Veränderungen des 19. Jahrhunderts, zu denen auch ein Generationswechsel bei den besagten Schriftstellerinnen gehörte, aufschlussreich. Beide Konzepte können weder semantisch noch kulturhistorisch als identisch angesehen werden. Der Begriff des Engagements geht auf die Mitte des 19. Jahrhunderts zurück, als er mit dem immer deutlicheren und zielgerichteten Auftreten Einzelner im öffentlichen Raum, der Festigung ihrer sozialen Positionen sowie dem Einsatz des Individuums für den Staat verbunden war. Später wurde er hauptsächlich mit Aktivitäten organisierter Gruppen, mit der Mitgliedschaft in Vereinen oder Verbänden assoziiert, die oft nicht frei von nationalen Untertönen waren. Erst 1968/69 kam es zu einem neuen Verständnis von Engagement, das durch Formen des offenen Protests und den Willen zur Veränderung gekennzeichnet war.8 Zur Entstehung des Aktivismus trug auch der Erfolg europäischer Bürgerbewegungen bei, der als ‘bewusste Handlung zur Herbeiführung von Veränderungen in einem Teil der Gesellschaft’ definiert wird.9 Während Engagement also als Herstellung eines Verhältnisses zwischen Individuum und Gesellschaft gesehen wird, in dem letztere den Vorrang hat, stellt im Aktivismus das Individuum die Weichen für Veränderungen. Beiden Konzepten liegt der Glaube an die kausale Kraft des Handelns zugrunde, wenngleich es im Falle des Engagements eher um die Verwirklichung von Idealen für das Individuum und seine Selbstverwirklichung geht, während der Aktivismus das Ergreifen wirksamer Maßnahmen zur – oft utopischen10 – Veränderung eines Teils der Gesellschaft impliziert. Die Schriftstellerinnen um 1848/49 lassen sich beiden Entwicklungsrichtungen zuordnen: Einige ihrer Handlungen und Äußerungen sind durch Engagement und damit durch die Herausbildung von Weltanschauung und deren Ausdrucksformen gekennzeichnet, die eher im Rahmen privater Äußerungen, etwa Korrespondenzen, verbleiben und oft erst nachträglich rekonstruiert werden können. Andere Aktivitäten waren unmittelbar öffentlich und zielten auf die Verwirklichung von revolutionären Idealen ab. Aktivistische Frauen beschränkten sich insofern nicht darauf, Haltungen zu verbalisieren, sondern nahmen aktiv den Kampf um eine neue gesellschaftliche Ordnung auf. Renata Dampc-Jarosz geht in ihrem Beitrag zu Fanny Tarnow genauer auf diese Unterscheidung ein, um Tarnow im Zuge dessen gerade ausgehend von ihrem umfangreichen Briefwerk als Beispiel für eine engagierte Schriftstellerin zu deuten.</p><p>Ohnehin treten in diesem Lichte auch solche Schriftstellerinnen ins Blickfeld, die, wie Helmina von Chézy, Fanny Tarnow oder Amalia Schoppe, bereits vor 1800 geboren wurden und damit einer früheren Autorinnengeneration mit spezifischen Erfahrungen und Ansprüchen angehören. Es zeigt sich, dass diese ihr schriftstellerisches Wirken bereits mit großem Bewusstsein generationeller Dynamiken verstanden und aktiv auf eine Genealogie weiblichen Schreibens im Zeichen der Emanzipation hinwirkten. Im Zusammenhang dieser Genealogie sind zuletzt einige Schlüsselgemeinsamkeiten und Berührungen, aber auch Momente des Bruchs und der Erneuerung zu erkennen, die im Folgenden herausgearbeitet werden.</p><p>Dem revolutionären Aufschwung der 1840er Jahre ging die Arbeit vieler aktivistischer Demokratiekämpferinnen voraus, die, obwohl sie nicht die gleichen Rechte, den gleichen Status und die gleichen Wirkungsmöglichkeiten wie Männer besaßen,11 mithin ebenso entschlossen dafür eintraten. Zahlreiche Frauen nahmen in zum Teil sehr unterschiedlicher Weise am politisch-gesellschaftlichen Leben teil. In den unmittelbaren Wochen der Aufstände der Jahre 1848 und 1849 bauten sie Barrikaden, gründeten Vereine, beteiligten sich an Fahnenfesten oder waren schriftstellerisch aktiv, indem sie zur Feder griffen, literarische Werke veröffentlichten und sich journalistisch betätigten.12 Zu den Autorinnen, die in diesem Zusammenhang zu nennen sind, gehören neben Louise Otto-Peters (1819–95) und Fanny Lewald (1811–89), die sich in ihren Romanen für die Möglichkeit der Bildung und Berufstätigkeit für Frauen und gegen das Scheidungsverbot aussprach,13 auch Louise Aston (1814–71), die kompromisslos für die persönliche Freiheit und Selbstverwirklichung ihrer Zeitgenossinnen kämpfte,14 sowie Bettina von Arnim (1785–1859). Letztere stellte in ihren Werken <i>Dies Buch gehört dem König</i> (1843) und der sogenannten ‘Polen-Broschüre’ mit dem Titel <i>An die aufgelöste Preußische National-Versammlung</i> (1848) wichtige soziale und politische Fragen zur Debatte, mit denen sie die Machthaber zur Reflexion über die geschehenen Ungerechtigkeiten drängen wollte.15</p><p>Die genannten Autorinnen waren nicht die einzigen, die es in den Jahrzehnten vor und nach der Märzrevolution wagten, direkt oder indirekt den Bereich des öffentlichen Lebens zu betreten und somit die Schwelle des Privaten zum Politischen zu überschreiten.16 Doch die generalisierende Annahme, dass sich damals die meisten Frauen für diesen radikalen Schritt entschieden hätten, wäre irreführend. Ihre Lebenswege, Formen des Engagements und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben waren unterschiedlich und nicht immer revolutionär geprägt. Neben den vielen, zum Teil schon zu ihrer Zeit berühmt gewordenen Schriftstellerinnen lebten und wirkten auch Autorinnen, deren Engagement von diesem spektakulären Auftreten eher überschattet wurde. Sie wären größtenteils im Dunkel der Vergessenheit verschwunden, wenn es nicht in ihren Ego-Dokumenten, insbesondere ihren Briefen und Tagebüchern, festgehalten worden wäre. Auf diese besondere Rolle des autobiographischen Schreibens von Frauen um 1848/49 verweist Kerstin Wolff, wenn sie an die Briefe von Emma Herwegh (1817–1904), Amalie Struve (1824–62) oder Mathilde Franziska Anneke (1817–84) erinnert, deren ‘nachträgliche[] Berichte’ eine ‘besonders spannende Quelle’17 sind, welche die Revolutionsereignisse in ganz eigener Weise dokumentieren.</p><p>Mit der bereits erwähnten Bettina von Arnim, geboren noch im 18. Jahrhundert und damit eine Zeitgenossin der Napoleonischen Kriege und des politischen Umbruchs der Zeit um den Wiener Kongress, ist bereits eine Autorin genannt, deren zentraler Erfahrungshorizont und Werk eher auf die Epoche vor dem Vormärz zurückweisen. Sie äußerte sich nicht nur in anderen Gattungsformen als mehrere der hier genannten engagierten Autorinnen in den 1840er Jahren – allem voran im Medium des Briefs und des Briefromans –, sondern schrieb auch im Horizont eines divergierenden Verständnisses weiblicher Handlungsspielräume. Ihre Position ruft eine andere Gruppe schreibender Frauen auf, die sich vom revolutionären Geschehen – häufig auf Grund ihres (fortgeschrittenen) Alters – eher fernhielten, es aber mit verschiedenem Interesse und unterschiedlicher Intensität beobachteten, reflektierten und kommentierten. Zu ihnen zählt etwa Amalia Schoppe (1791–1858), die in den vorrevolutionären Jahren vor allem um ihre Stellung als Autorin und Publizistin im damals von Männern dominierten Feld der Presse und Literatur kämpfen musste, wie auch aus ihrer im vorliegenden Heft von Jadwiga Kita-Huber untersuchten Korrespondenz mit Helmina von Chézy hervorgeht. Ein anderes Beispiel ist die von Renata Dampc-Jarosz in den Fokus gerückte Fanny Tarnow (1779–1862), die zwar eine engagierte Autorin und Zeitgenossin der Revolution war, sich allerdings nicht als eine Aktivistin hervortat. Ihr Engagement blieb auf das Medium des Briefes und somit auf das Private beschränkt. Es bedeutete weniger eine konkrete politische Haltung oder Handlung, als vielmehr einen eher subjektiven Übergang vom Individuellen zum Allgemein-Gesellschaftlichen und damit schlechthin zum Bewusstsein, Mitglied eines Staates zu sein.</p><p>Eine interessante Erscheinung in diesem Panorama diverser Handlungsmodalitäten in den Jahrzehnten vor 1848 war auch Helmina von Chézy, eine Grenzgängerin zwischen Romantik und Revolutionszeit, die sich für die Verwirklichung ihrer Ideale auf vielen Gebieten gleichzeitig engagierte. Neben ihrer literarischen Aktivität setzte sie sich zeit ihres Lebens für soziale Reformen und die Demokratisierung einzelner Lebensbereiche, insbesondere für die Frauenemanzipation, ein. Mehrere Jahrzehnte lang verfasste sie publizistische und biographische Texte, die sie kulturell aktiven Frauen widmete und in denen sie sich u. a. für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in der Öffentlichkeit und die Anerkennung des schriftstellerischen Rangs von Autorinnen engagierte, wodurch sie einen eminenten Beitrag zur Frauenemanzipation in Deutschland leistete. Ein Kapitel für sich – und ein Verbindungsmoment zu Bettina von Arnim – ist ihre Bemühung um die Bekämpfung der Armut und des Elends, insbesondere um die Verbesserung der Situation von Arbeiter*innen in Fabriken und Werkstätten sowie allgemein der Lebenslage von Arbeiterfamilien.18 Chézys sozialpolitischer Einsatz äußerte sich darüber hinaus in der Beteiligung an Gerichtsprozessen und der Verteidigung politischer Staatsgegner sowie in ihrer karitativen Arbeit während der politischen Unruhen in den Jahren der Befreiungskriege 1813–16, als sie verwundete Soldaten ungeachtet ihrer Nationalität und Konfession in Hospitälern in Darmstadt, Köln und Mainz sowie an der deutsch-belgischen Grenze pflegte. Dieses Engagement wurde auch später noch einmal sehr deutlich, als sie sich im Frühjahr 1848 trotz ihrer Krankheit mit Georg Herwegh in Straßburg traf, ‘um ihn vor dem Aufmarsch der preußischen Truppen zu warnen und davon zu überzeugen, daß die Einführung der Demokratie in Deutschland nicht durch einen Import der französischen Revolution herbeigeführt werden dürfe’.19 Nach dem Scheitern der bewaffneten Kämpfe 1849 in Baden engagierte sich Chézy erneut, wie dreißig Jahre zuvor, für die Einrichtung eines Lazaretts für verwundete Aufständische. Für die öffentliche Thematisierung der unhaltbaren Zustände in den Hospitälern während der Befreiungskriege wurde sie gerichtlich verfolgt, angeklagt und zu einer Gefängnis- und Geldstrafe verurteilt, der sie u. a. dank des Einsatzes von E. T. A. Hoffmann entgehen konnte.20</p><p>Helmina von Chézy ist – durch ihre weit ausgebauten Netzwerke – noch in einer anderen Perspektive eine besonders interessante Schriftstellerin im Kontext der hier aufgeworfenen Fragestellung. Mit ihren Publikationen sowie ihren gesellschaftlichen und beruflichen Kontakten zu zahlreichen Akteur*innen des europäischen Kulturlebens, darunter explizit zu Frauen, war sie nicht nur eine Schriftstellerin des Umbruchs, sondern auch des Übergangs. Chézys Engagement für die Frauenemanzipation geht Jadwiga Kita-Huber in ihrem Beitrag nach, wobei sie insbesondere das weitgespannte Briefnetzwerk der Autorin genauer beleuchtet. Chézy verband und überwand in ihrem Schaffen verschiedene demokratisch-emanzipatorische Vorstellungen und generationelle Entwürfe. So setzte sie sich in ihrem Wirkungsbereich für Frauen verschiedener Generationen ein, wie die geplante Veröffentlichung der Werke ihrer Großmutter Anna Louise Karsch (1722–91) sowie ihr meist in Briefen stattfindender Dialog mit Autorinnen jüngerer Generationen zeigen, aber auch und vor allem ihr Bemühen, Schriftstellerinnen-Gruppierungen qua Generation durch die Hervorhebung ihrer Publikationen und Aktivitäten als Schreibende zu etablieren. Es darf denn auch nicht nur für Chézy, sondern für eine ganze Reihe von Schriftstellerinnen ihrer Zeit konstatiert werden, dass sie sich der noch kurzen Geschichte unabhängigen weiblichen Schreibens durchaus bewusst waren. Nicht nur das Werk Anna Louise Karschs, sondern auch das erstmals namentliche Hervortreten von Schriftstellerinnen im 18. Jahrhundert wie Louise Gottsched, Sophie Mereau oder Karoline von Günderrode konstituierten eine Traditionslinie, an die spätere Autorinnen anknüpften und von der sie – wie im Falle Chézys – durchaus zu profitieren wussten.</p><p>Im Vorwort ihrer Monographie zur Wissenschafts- und Kulturgeschichte der Generation sehen Ohad Parnes, Ulrike Vedder und Stefan Willer im modernen Konzept der Generation, wie es sich seit dem späten 18. Jahrhundert entwickelt hat, den ‘zentrale[n] Mechanismus der Sinnstiftung und Evidenzproduktion’.21 Der Begriff steht einerseits für den ‘Rhythmus eines natürlichen Reproduktionsgeschehens’ und andererseits für ‘die (Selbst-)Beschreibung synchron organisierter Altersgemeinschaften und gesellschaftlicher Gruppierungen mit identitätsstiftender Abgrenzung gegenüber anderen Jahrgangsgruppen’,22 hat also sowohl eine genealogische als auch eine gruppenbildende Perspektive. Beide Aspekte werden gerade um 1800 nebeneinander gestellt und kommen in verschiedenen Konstellationen zugleich zum Tragen.23 Allerdings geht es hier nicht um eine substanzielle Kategorie und somit darum, was eine Generation ist oder wann es sie gibt, sondern um die Beantwortung der Frage, ‘in welcher Weise und mit welchem Interesse [das] Vorhandensein [einer Generation] jeweils deklariert und konstruiert wird.’24 Genau diese Prozesse zeigen sich im Wirken mehrerer der hier behandelten Schriftstellerinnen, die zum einen der um 1780 geborenen, zum anderen der um und nach 1815 geborenen Generation zuzuordnen sind. Sie versuchten in je verschiedener Weise, sich vor dem Hintergrund der politik- und emanzipationsgeschichtlichen Ereignisse der sie prägenden Zeit sowohl diachron als auch synchron zu verorten. Ein Beispiel hierfür sind die Schriftstellerinnen Amalie Struve und Amalia Schoppe, welche auch generationelle Muster traditioneller Prägung wie die Mutter-Tochter-Relation für ihr generationelles Selbstverständnis nutzten. Interessant sind an diesen Prozessen insbesondere Spannungen und Uneinigkeiten bei dem gleichzeitigen ausdrücklichen Wunsch, eine Generation in Abgrenzung, aber auch in Anlehnung an die vorausgegangene Generation von Gleichgesinnten zu bilden. Wie Jadwiga Kita-Huber in ihrem Beitrag zeigt, war Helmina von Chézy dabei eine Schriftstellerin, die Bewegungen und Differenzen von mindestens drei Generationen in sich vereinte und überwand, indem sie sich unterschiedlicher Diskursstrategien bediente und auch fortschrittliche, ihr gänzlich neue Ideen entgegennahm.</p><p>Ein anderes, für lange Zeit in Vergessenheit geratenes Beispiel für das Wirken an einer generationellen Schnittstelle ist die Hamburger Schriftstellerin Rosa Maria Assing (1783–1840), die einen der wichtigsten literarischen Salons Norddeutschlands führte, einen Treffpunkt für verschiedene Generationen von Literat*innen.25 Wie Paweł Zarychta in seinem Beitrag zeigt, spielte Assing in dem bis 1840 aktiven Salon die Rolle einer Vermittlerin insbesondere zwischen der abgehenden Generation der Romantiker*innen und den dezidiert politisch engagierten Autor*innen des Vormärz, zu denen neben Karl Gutzkow vor allem Heinrich Heine zählte. Seit früher Jugend in erzieherischer Arbeit erfahren, schrieb sie später Gedichte, Novellen und Übersetzungen und hinterließ, genauso wie Helmina von Chézy, einen umfangreichen Nachlass in Form von Briefen, Tagebüchern, Aufzeichnungen und diversen literarischen Entwürfen. Rosa Maria Assing ist allerdings noch in einem anderen Sinn als Autorin bemerkenswert, und zwar als literarisch und gesellschaftlich aktive Mutter zweier Töchter, die sich ebenso literarisch, aber auch politisch im Kampf um Demokratie und Frauenemanzipation betätigten und von denen zumindest eine, Ludmilla Assing, das ‘männliche’ Gebiet der herausgeberischen Arbeit, die durchaus politisch und meinungsbildend war, erfolgreich erobern sollte. Man denke an ihre mutige und politisch motivierte Herausgabe des Briefwechsels zwischen ihrem Onkel Karl August Varnhagen und Alexander von Humboldt oder an ihre Weiterführung und gewichtige Erweiterung der Sammlung Varnhagens, einer der bedeutendsten Autographensammlungen des 19. Jahrhunderts in Europa.26 In dieser Situation handelt es sich also um eine wirkliche Mutter-Tochter-Beziehung als Grundlage für die intergenerationelle Kontinuität und Selbstsetzung. Denn auch das politisch-kritische Denken – später bei Ludmilla, aber auch bei Ottilie Assing stark ausgeprägt27 – wird bei Rosa Maria schon im Zwischenmenschlichen wie auch in ihrer Netzwerkpraxis sichtbar und quasi vorgeprägt. So wenn sie ihre Töchter 1835 auf eine lange Reise, auf der sie mehreren deutschen Dichtern Besuch abstattete, nach Paris mitnimmt, um den Autor der bereits erschienenen <i>Französischen Zustände</i>, Heinrich Heine, persönlich zu treffen. Auch in diesem Sinn gilt Rosa Maria Assing als ein Beispiel, insofern sie der jüngeren Generation engagierter Frauen in den 1830er und 1840er Jahren an der Schaltstelle generationeller Übergänge und Dynamiken Vorbild sein konnte. Die hier im Kontext der Familie Assing erwähnte Sammlung Varnhagen, die heute beinahe gänzlich in der Jagiellonen Bibliothek in Krakau aufbewahrt wird, gehört zu einem der roten Fäden, welche die in diesem Heft versammelten Beiträge von Jadwiga Kita-Huber, Renata Dampc-Jarosz und Paweł Zarychta miteinander verbinden. Denn sie alle entwickeln ihre Argumente auf der Grundlage von zum Teil bislang unveröffentlichten und unerforschten Handschriften aus dieser Sammlung.</p><p>Das Schaffen von Schriftstellerinnen wie Helmina von Chézy, Rosa Maria Assing, Fanny Tarnow, Amalia Schoppe, Caroline Pichler oder Therese Huber, die in ihrer Zeit zum Teil mit einer bemerkenswerten Produktivität und Sichtbarkeit auf dem Buchmarkt aktiv waren, erfährt in der Forschung gerade der letzten Jahre eine bemerkenswerte Aufmerksamkeit.28 Aus der Feder dieser und anderer Frauen, deren ebenso gender- wie literaturpolitisch zu deutende Positionierungen einen faszinierenden Schlüssel zu den in ihren zumeist fiktionalen Werken, aber auch umfangreichen Briefkorrespondenzen gespiegelten Lebenswelten der Zeit bieten, stammte ein beträchtlicher Teil der belletristischen Literatur um 1800. Weniger klar wird das literaturgeschichtliche Bild des Schreibens von Frauen dagegen in den Jahrzehnten der Politisierung nach 1830 sowie um 1848/49, die der Gegenstand des vorliegenden Bandes sind. Es handelte sich um zwei Jahrzehnte eines generationellen Übergangs, in denen einerseits noch einige Spätwerke der genannten Autorinnen entstanden, andererseits aber auch eine neue Generation von zumeist eminent politisch motivierten Schriftstellerinnen die Bühne der literarischen Öffentlichkeit betrat. Zu ihnen gehörten etwa Louise Mühlbach, Fanny Lewald, Louise Aston und die hier bereits erwähnten Amalie Struve und Louise Otto-Peters. Wie sich die ästhetischen ebenso wie literaturpolitischen Horizonte dieser beiden Generationen zueinander verhielten, ist bisher kaum erforscht worden. Daher will die vorliegende Auswahl an Beiträgen das ‘späte’ Schaffen der Generation um 1800 den unter neuen medialen, politischen und ästhetischen Vorzeichen entstandenen Schriften der ‘jungen’ Autorinnen um 1840 gegenüberstellen sowie deren realen wie literarischen bzw. literaturpolitischen Verflechtungen nachspüren. Mehreren dieser Autorinnen, wie Amalie Struve, Mathilde Franziska Anneke, Ottilie und Ludmilla Assing oder auch Amalia Schoppe, wurde die Erfahrung der Immigration zu teil, durch die sie mit anderen frauenemanzipatorischen Projekten in Berührung traten, an ihnen mitwirkten und sie weiter vermittelten. In den vorliegenden Beiträgen wird mithin dezidiert nach Momenten der Kontinuität und des Umbruchs in der schriftstellerischen Praxis von Frauen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gefragt, insbesondere nach 1830 und um 1848/49, sowie nach ihrer eigenen Reflexion dieses Übergangs. Hierzu gehört ganz explizit auch das Erkenntnisinteresse an der Art und Weise, in der die Pflege internationaler bzw. transkontinentaler Kontakte zum Selbstverständnis dieser Autorinnen beigetragen hat.29</p><p>Die Rede von unterschiedlichen Schriftstellerinnengenerationen zielt indes nicht nur darauf ab, eine Abgrenzung hervorzuheben. Vielmehr gilt es ebenso, Gemeinsamkeiten und Kontinuitäten zwischen den Generationen zu identifizieren, die sich paradoxerweise gerade auch aus den Divergenzen ergeben, wie es das oben zitierte Verständnis von Generationalität mit sich bringt. Wie Heide Thomann Tewarson für eine Reihe jüdischer Schriftsteller*innen bereits im Detail nachgewiesen hat, darf zunächst der Bezug auf die Ideale der Aufklärung als ein generationenübergreifendes Charakteristikum nicht nur der um 1800 und in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts geborenen, sondern auch der jüngeren, sich politisch positionierenden Schriftsteller*innen gelten. Noch Louise Aston, Louise Otto-Peters, Fanny Lewald und Amalie Struve schrieben im Bewusstsein der ‘allgemeine[n] Freiheitsidee, mit der die Emanzipation ihren Anfang genommen hatte’.30 Für viele von ihnen war zudem die von Frauen in den Salons um 1800 getragene, intellektuelle Geselligkeitskultur zu einem Erbe geworden, dessen kulturelles Gedächtnis zu wahren und dessen Praxis sie fortzusetzen suchten.31 So lässt sich eine weitere Traditionslinie von den Salons Rahel Levin Varnhagens und anderer Jüdinnen im Berlin der Jahrhundertwende zu den Gesellschaften im Hause von David und Rosa Maria Assing der 1840er Jahre nachzeichnen,32 die ihren Einfluss zudem auf die beiden Töchter Ludmilla und Ottilie ausübten. Auch die Kreise der ‘Berliner Freien’, in denen Louise Aston verkehrte – ein Umgang, der mitverantwortlich war für ihre Verweisung durch die Stadtbehörden –,33 sind als linkspolitische, antireligiöse und mithin antibürgerliche Variation dieses Vorbilds zu verstehen. Ähnlich verhielt es sich mit dem ‘Kommunistisch-ästhetischen Clübbchen’, in dem Mathilde Franziska Anneke 1847 verkehrte.34 Gemeinsam war diesen Geselligkeitsformen das Ideal einer soziale, geschlechterpolitische und ethnische Grenzziehungen transzendierenden Praxis, aus der sich zugleich Solidaritätsstrukturen, Freundschaften und Liebschaften entwickeln konnten. Damit sind zugleich die Themen in zahlreichen Romanen der Autorinnen beider Generationen benannt. Die eminente Bedeutung, die dabei der literarischen Reflexion von Liebes- und Standesverhältnissen zukommt, deutet zugleich auf das ihnen gemeinsam bleibende Verständnis von Literatur als Medium der Kritik soziopolitischer Zustände. Auch deshalb bleibt es bei der Untersuchung der hier in den Blick genommenen Literatur unumgänglich, ebenso von einem emphatischen Autor*innenbegriff auszugehen wie von der konstitutiven Verwobenheit von Literatur und historischer Lebenspraxis.35</p><p>Aston verweist damit explizit auf die Vorbildfunktion literarischer Figuren und den Möglichkeitsraum fiktionalen Schreibens, den sie nutzte, um ihrerseits neue Handlungsweisen für Frauen zu entwerfen, die sich – wie sie es, Berichten zufolge, selbst tat – anders kleideten, Zigarren rauchten, Männergesellschaften besuchten und selbst an Kampfhandlungen teilnahmen. Dass dies weder im realen Leben der Autorinnen noch in der Kritik ihrer Werke selbst von ähnlich gesinnten Schriftstellerinnen nicht unumstritten blieb, bezeugt die strenge Geste der Distanzierung, die etwa Louise Otto-Peters gegenüber Frauen wie Louise Aston vornahm. Zwar hegte auch Otto-Peters die Vision neuer Lebens- und Betätigungsfelder für die Frauen ihrer Zeit und war ihrerseits durchaus zum Bruch mit überlieferten Geschlechter- und Standesnormen bereit. Doch wichtiger als die in ihren Augen provokative Zurschaustellung der Emanzipation war für sie die Etablierung überregionaler Solidaritätsstrukturen unter Frauen mit ihrer <i>Frauen-Zeitung</i>, einer der ersten von einer Frau herausgegebenen und redaktionell betreuten überregionalen Zeitung.39</p><p>Die Schriftstellerinnen des Vormärz und der Revolution von 1848/49 knüpften insofern in vielfacher Weise an die Schreib- und Lebenspraktiken ihrer Vorgängerinnen an, doch es lassen sich ebenso deutliche Bruchstellen und Neuerungen erkennen. Es begann durchaus eine neue Ära frauenemanzipatorischer Bestrebungen, die – genauso wie in der Generation um 1800 – insbesondere von schreibenden und an sozialer Veränderung interessierten Frauen getragen wurden. Diese konnten im Vergleich zu ihren Vorgängerinnen häufig ihre Wirkungsbereiche als freiberufliche Schriftstellerinnen noch stärker ausweiten. Schriftstellerinnen wie Louise Aston, Louise Otto-Peters und Luise Mühlbach orientierten sich hierbei politisch und literarisch an den zu ihrer Zeit berühmt-berüchtigten Autoren des sogenannten ‘Jungen Deutschland’, aber auch – wie etwa insbesondere im Falle von Otto-Peters40 – an den politisierten österreichischen Dichtern der 1840er Jahre, die zugleich die literaturgeschichtliche Tendenz der Epoche prägten. Von dieser Orientierung zeugen bereits biographische Spuren, insofern etwa Luise Mühlbach mit dem linksliberalen Jungdeutschen Theodor Mundt verheiratet war. Auch Otto-Peters verkehrte – wie nicht anders Mathilde Franziska Anneke – in sozialistischen und oppositionellen Kreisen; persönlich bekannt war sie etwa mit Robert Blum.41 Eine derartige Integration in zumeist männlich dominierte politische Kreise, wie sie viele der jüngeren Autorinnen, die hier untersucht werden, erfuhren, war neu, auch wenn der Vergleich der Generationen zeigt, dass eine politische wie auch ästhetische Nähe zu den ‘jungdeutschen’ Schriftstellern bereits für eine Autorin wie Rosa Maria Assing eine Selbstverständlichkeit war. Schon früh holte sie etwa Heinrich Heine in ihren Salon und verteidigte sein Werk nicht zuletzt gegenüber dem konservativer gesinnten David Assur Assing.42</p><p>Ein tatsächlicher Bruch zeigt sich dann vor allem zwischen den in Europa verbliebenen Autorinnen und solchen, die nach 1850 in den Vereinigten Staaten einen Neuanfang gewagt hatten. Die Exilerfahrung als tief reichender lebensgeschichtlicher Einschnitt trug zur Erneuerung und Umwertung weiblicher Rollenbilder und dem bisher etablierten Umgang mit ihnen – auch in der Literatur und Presse – bei. Hier sind Schriftstellerinnen zu nennen, die nach der Revolution aus politischen Gründen Deutschland verlassen mussten, und insbesondere in die Vereinigten Staaten auswanderten, wo sie ihre Ideale und den Kampf um Demokratisierung und Frauenrechte unter neuen politischen Vorzeichen weiterführen konnten. Ein eindrückliches Beispiel ist die radikaldemokratische Ansichten vertretende Amalie Struve, die mit ihrem Mann Gustav Struve nach dem Scheitern der badischen Aufstände über England in die Vereinigten Staaten auswanderte und dort ihre literarischen und demokratisch-emanzipatorischen Ideale in einer für sie neuen sozialen und politischen Lage weiterentwickelte.43 Aus ihren in der Presse und in Zeitschriften veröffentlichten Texten zum Thema der Gleichberechtigung von Mann und Frau, des Frauenstimmrechts, aber auch der Frauen- und Mädchenbildung sowie aus ihrer Korrespondenz mit anderen Schriftstellerinnen geht hervor, dass sie Positionen vertrat, die in ihrem Heimatland nicht möglich gewesen wären.44 Die Neuerung in der Betrachtung der Frauenfrage war bei ihr also geopolitisch bedingt und gründete auf einem – wenngleich ungewollten, so doch nicht wegzuleugnenden – Bruch mit der europäischen, in diesem Fall deutschen, Herangehensweise an das Thema der Frauenrechte und der Frauenemanzipation. Wie etwa ihr Briefwechsel mit Helmina von Chézy belegt, waren die neuartigen Elemente in ihrer Essayistik und in ihrem Engagement für Frauenrechte an ein immer wieder in Szene gesetztes Bedürfnis nach Kontinuität und intergenerationeller Selbstfindung gebunden.</p><p>Ein weiterer Bruch kündigt sich mit der Generation Amalie Struves auch – zumindest auf den ersten Blick – im Feld des Ästhetischen und der Schreibweisen an, die publizistischer aber auch im Modus des politischen Appells engagierter und realitätsnaher werden. Vor allem traten viele jüngere Autorinnen verstärkt journalistisch hervor, etwa durch die erfolgreiche Gründung eigener Zeitungen wie Louise Otto-Peters’ <i>Frauen-Zeitung</i> oder Louise Astons <i>Freischärler</i>. Briefroman und Reisebeschreibung waren für sie nicht mehr die dominanten Genres, wenngleich der Roman für Schriftstellerinnen wie Luise Mühlbach oder Amalie Struve die zentrale Form blieb. Wie auch bei vielen männlichen Autoren des Vormärz nahm dagegen die politische Lyrik an Bedeutung zu, für die sich eindrückliche – oft zugleich biographisch geprägte – Beispiele im Werk von Otto-Peters, Aston und anderen finden lassen. Es darf zu den allgemeinen Entwicklungen der Epoche gezählt werden, dass nun zugunsten der Tagesaktualität der sogenannten Tendenzschriftstellerei einige Formen und Themen der Romantik wie das Märchen und religiöse Schwärmereien in den Hintergrund traten. Dennoch wäre es zu vereinfachend, von der Vorstellung einer eindeutigen Ablösung der Romantik durch Schreibformen des Realismus auszugehen. Eine solche Entwicklung mag etwa noch im Werk Fanny Lewalds in seiner Gänze nachvollziehbar sein,45 sie gilt aber keineswegs für alle hier untersuchten Schriftstellerinnen. Hierfür gibt es mindestens zwei starke Gründe: Einmal die Tatsache, dass viele der älteren Schriftstellerinnen, deren Werk und Wirken bis in die 1840er Jahre reichten, nicht aber in nennenswerter Weise darüber hinaus, sich der neuen Schule des Realismus, wie er die zweite Hälfte des 19. Jahrhundert prägen sollte, nicht verpflichtet sahen und schlicht ihrer etablierten Schreibweise verbunden blieben. Diese aber stand zumeist im Zeichen der Aufklärung und der Romantik oder aber am Übergang zum sozial-politisch informierten und literaturemanzipatorischen Engagement des Vormärz. Zum anderen aber ist auch eine ganz gegenteilige Situation gerade bei den jüngeren Autorinnen zu beobachten, für welche die gescheiterte Revolution von 1848/49 eine derart einschneidende Zäsur bedeutete, dass sie entweder – wie Louise Aston – gänzlich mit dem Schreiben aufhörten oder – wie Amalie Struve nicht zuletzt durch ihren Gang ins amerikanische Exil – einen deutlichen Bruch mit den europäischen Schreibtraditionen vollzogen.46</p><p>In diesem Zusammenhang ist das von Andree Michaelis-König und Marek Krisch in ihren Beiträgen genauer untersuchte Beispiel Louise Astons besonders aufschlussreich, insofern sich an ihrem relativ kleinen Werk deutlich machen lässt, wie schwer es fällt, ihr Schreiben als das einer feministischen Schriftstellerin par excellence über einen Kamm zu scheren. Aston bediente alle gängigen Literaturformen der 1840er: Sie begann mit Gedichten, schrieb drei Romane, die sie programmatisch an ihre eigene Lebenserfahrung band, verfasste eine politische Rechtfertigungsschrift und gab eine eigene Zeitschrift heraus. Allein Dramen verfasste sie keine, wie die meisten Schriftstellerinnen der Zeit, sieht man etwa von solch prominenten Beispielen wie Helmina von Chézys Opernlibretti oder Caroline Pichlers und Charlotte Birch-Pfeiffers Theaterstücken ab. In ihrer Lyrik wie in ihrer Prosa knüpfte Aston an Themen, Formkonzepte und Schreibweisen sowohl aus der Übergangszeit von Aufklärung zu Romantik, in der etwa auch das Werk Heinrich von Kleists zu situieren ist,47 als auch der politischen Literatur des Jungen Deutschland an. Von Realismus dagegen ist bei ihr noch keine Spur zu bemerken, es sei denn, man möchte den Bezug auf reale weibliche Lebenserfahrung dieser eigentlich erst nach 1855 sich etablierenden Schule zusprechen.</p><p>Die literarische Praxis der untersuchten Schriftstellerinnen zeichnet sich durch eine bemerkenswerte Vielfalt aus. Die Gedanken des Bruchs und der Erneuerung sind ihr in den 1840er Jahren mehrfach eingeschrieben, und doch oszillieren viele ihrer Werke zumeist zwischen den Polen der Fortsetzung einer dezidiert weiblichen und in mancher Hinsicht noch dem 18. Jahrhundert verbundenen Schreibtradition einerseits und der radikalen Innovation, die den Zeitgeist der Gegenwart geprägt hat, andererseits. So gestaltete etwa Louise Otto-Peters ihre Gedichte zu einem Schauplatz für die Dichotomien von Alt und Neu, Vergangenheit und Zukunft, ohne sich für eine der Seiten eindeutig aussprechen zu wollen. In der lyrischen Inszenierung des gesellschaftlich-industriellen Umbruchs werden dabei auch feministische Aspekte deutlich, die auf die veränderte Situation der Frau nach der Revolution von 1848/49 und im Laufe der Industriellen Revolution rekurrieren. Wie der Beitrag von Alexandra Huth zeigt, werden sie in ihren poetischen Werken zwar nicht als eindeutige politische Postulate formuliert, bleiben aber nichtsdestotrotz unübersehbar in ihrer bildlichen Prägnanz. Gerade bei Otto-Peters, aber nicht minder bei Louise Aston, zeigt sich dabei in ihrem Engagement für brennende politisch-soziale Themen ein gemeinsamer Nenner für nahezu alle in den Beiträgen behandelten Autorinnen des Vormärz. Hierzu zählt insbesondere eine Hinwendung zur Situation der immer sichtbarer hervortretenden Arbeiter*innen-Schicht, die bereits in Chézys publizistischen und poetischen Texten aus den ersten Dezennien des 19. Jahrhunderts prominent war. In einer Perspektive, die sich heute als intersektional kennzeichnen lässt,48 sahen die Autorinnen, dass Emanzipation und Freiheitskampf nicht befriedigend als Sache allein einer singulären Interessengruppe erfasst werden könnten. In ihren Werken suchten sie daher immer wieder den Vergleich mit der Situation des Proletariats – zum Teil auch mit der der um Emanzipation ringenden Jüdinnen und Juden49 –, für die sie sich in ihren Texten einsetzten und mit denen sie in ihrem eigenen Kampf um Gleichberechtigung und soziale Anerkennung einen Schulterschluss suchten. Gerade diese Art des Engagements stellt eine der markantesten Verbindungen zu der Generation um 1800 dar – eine intergenerationelle, sich durch Umbrüche und Wechselwirkungen auszeichnende Kontinuität im Umgang mit der Außenwelt und ihren Defiziten.</p><p>Ein letztes, wichtiges Vergleichsmoment der Generation um 1800 zur unmittelbaren Schriftstellerinnengeneration des Vormärz ist die literarische Weiterentwicklung von Genderrollen und dem damit einhergehenden Verständnis des Geschlechterverhältnisses. Es wurde bereits hervorgehoben, dass die jüngeren Autorinnen durch Scheidungsrecht und Zeitgeist andere Möglichkeiten der Verselbstständigung in Anspruch zu nehmen vermochten. Vor allem erweiterten sie in ihren Texten nochmals deutlich den Handlungs- und Repräsentationsrahmen von Genderidentitäten. So sind etwa in den Romanen Luise Mühlbachs Figuren zu entdecken, die sich in faszinierender Weise von den damals herrschenden Weiblichkeitsvorstellungen ebenso distanzieren wie von Männlichkeitsvorstellungen. Ein Beispiel hierfür, das der Beitrag von Magdalena Popławska weiterführend kontextualisiert, ist die Schauspielerinnenfigur der Emilie Minden in Mühlbachs Roman <i>Die Künstlerin</i> von 1839, die zwischen den Geschlechtern zu stehen scheint und als eine frühe Variante nicht-binären Genders deutbar wird. Ähnliches gilt für die Figur der Leonore in Mühlbachs Novelle <i>Liebe und Ehe</i> von 1844. Dabei ist es sicher kein Zufall, dass beide Figuren bei Mühlbach im Schauspiel- und Künstler*innenmilieu situiert sind, in dem eine Performanz divergierender Genderrollen plausibel zu integrieren war. Weiter ging wiederum Louise Aston, und es ist kein Zufall, dass in den hier vorgelegten Beiträgen von Popławska und Michaelis-König zu diesen beiden Autorinnen die literarischen Inszenierungsformen in den Fokus gerückt werden, nicht die biographischen Zusammenhänge, welche die Forschung allzu oft zu einer eher starren Festlegung des Schreibens dieser Autorinnen auf bestimmte soziale Rollen verleitet hat, die sich in Frage zu stellen lohnt. So entwarf Louise Aston mit ihrer Alice von Rosen nicht nur eine gar werkübergreifende Frauenfigur, die eindeutig-binäre Gendervorstellungen aktiv in Frage stellt. Alice agiert auch jenseits der ‘anderen Orte’ (Foucault) des Theaters. Sie betritt – mal im Männer-, mal im Frauengewand – nahezu alle Schauplätze der Romanhandlung, seien es die Salons der höheren Gesellschaft oder sei es die Kellerkneipe des revolutionären Widerstands. Damit aber wird literarisch in Szene gesetzt, was für viele Autorinnen um 1800 noch ein allzu großes Wagnis, für die nach Amerika ausgewanderten Exilantinnen dagegen bereits Lebenswirklichkeit geworden sein dürfte. So zeigt sich gerade am Beispiel von Genderperformanzen, wie sehr der deutsche Vormärz als Phase des Umbruchs zugleich als eine Geschichte vielschichtiger Entwicklungen zu deuten ist.</p>","PeriodicalId":54012,"journal":{"name":"GERMAN LIFE AND LETTERS","volume":null,"pages":null},"PeriodicalIF":0.2000,"publicationDate":"2024-06-10","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1111/glal.12419","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"GERMAN LIFE AND LETTERS","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/glal.12419","RegionNum":3,"RegionCategory":"文学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"0","JCRName":"LITERATURE, GERMAN, DUTCH, SCANDINAVIAN","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Die revolutionären Umwälzungen von 1848/49, die Otto-Peters hier anspricht, repräsentieren einen epochalen Höhepunkt der soziohistorischen Wandlungsprozesse, die das 19. Jahrhundert geprägt und zugleich die Grundlagen für die demokratischen Gesellschaften unserer Gegenwart gestiftet haben.2 Die Aufhebung des alten, die Souveränität des Menschen beschränkenden Systems zugunsten einer neuen, an den Prinzipien der Demokratie und der Achtung des Individuums orientierten Ordnung markiert ein radikales Umdenken. Dass dabei ausgerechnet die Frauenemanzipation, anders als etwa die rechtliche Gleichstellung von Jüdinnen und Juden,3 keine Berücksichtigung erfuhr,4 war ein Affront angesichts des Anerkennungskampfes vieler aktiv an den Erhebungen und Debatten beteiligter Frauen. Denn tatsächlich wirkten Frauen im unmittelbaren Barrikadenkampf ebenso wie intellektuell an der visionären Umgestaltung mit, die nicht allein Otto-Peters als eine Chance in jenem emanzipatorischen Kampf ansah, den sie und ihre Zeitgenossinnen bereits seit Jahrzehnten verfolgten. Frauen nahmen im 19. Jahrhundert indes nicht nur Anteil an einer epochalen Umschreibung von Geschichte im Zeichen der Emanzipation, sie schrieben sich auch in einer zunehmend sichtbaren Weise in die Literaturgeschichte der Epoche ein. Zeitraum dieser Entwicklung ist die Phase vom ausgehenden 18. Jahrhundert bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, welche das vorliegende Heft in den Fokus rückt. Damit einher geht die produktive Inanspruchnahme von drei Schlüsselaspekten. Die folgenden Beiträge eröffnen (1) eine Perspektive auf generationelle Zusammenhänge über real- wie literaturgeschichtliche Epochenkategorien hinweg. Nicht Aufklärung, Klassik, Romantik und Vormärz sind hierbei die leitenden Begriffe, sondern die generationellen Zusammenhänge, die Frauen im untersuchten Zeitraum untereinander herstellten und wahrnahmen. Dabei wird (2) eine Ausdifferenzierung von Formen der politisierten Partizipation, von Handlungsfeldern und Handlungsmodi möglich, für die wir im Folgenden die Unterscheidung von öffentlich-kämpferischem Aktivismus und einem eher individualistischen und oft erst nachträglich eigentlich zu würdigenden Engagement vorschlagen. Schließlich (3) nehmen die hier versammelten Einzelstudien Anteil an einer kritischen Revision von Kanonisierungsprozessen, welche als notwendige Voraussetzung erscheint, um das schriftstellerische Schaffen von Frauen wieder sichtbar zu machen. Es geht dabei um eine neue Perspektive auf die Schreibformen und Genres, die Frauen eine Mitsprache ermöglicht haben, aber auch von Frauen zur Mitsprache genutzt wurden.5 Hierzu zählt die Anerkennung der in der Epoche so populären Briefromane, der Korrespondenzen selbst sowie von oft als ‘trivial’ abgetanen Genres etwa des Unterhaltungsromans oder der Zeitungskolumne. Hierfür spricht gerade die große Verbreitung und Popularität solcher Werke, die Schriftstellerinnen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts – darunter Ida Hahn-Hahn, Fanny Lewald, Luise Mühlbach und Amalie Struve – zu weit bekannten Erfolgsautorinnen werden ließen, die erst der patriarchale Kanonisierungsprozess späterer Jahrzehnte aus der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit verdrängt hat. Es ist die zeitgenössische Rezeption, die auf die (literatur-)politische Bedeutung dieser Werke und Autorinnen hindeutet und zugleich Erkenntniswege eröffnet, welche die Frage nach der nachträglichen Aufnahme oder Nichtaufnahme in die Literaturgeschichten eher verstellt.
Gerade der Blick auf die Generationen deutschsprachiger Schriftstellerinnen, die nach der Menschenrechtserklärung der Französischen Revolution – und nach den gescheiterten Bemühungen um die Rechte der Frauen etwa von Olympe de Gouges6 – zu schreiben begannen und mit wachsendem Erfolg gelesen wurden, verdeutlicht, dass die Politisierung der 1840er Jahre nicht als spontane Partizipation gedeutet werden darf, sondern als Teil einer langfristigen Entwicklung. Als dynamisch ist ohnehin der Entwicklungszusammenhang der Epoche anzusehen, der weit eher als ein vielschichtiger Vorgang denn als plötzlicher Bruch mit der überkommenen politischen Ordnung zu verstehen ist. Schon mit Blick auf die nicht unumstrittene Epochenbezeichnung ‘Vormärz’ kam Norbert Otto Eke in diesem Sinne zu dem Schluss, man müsse die politischen wie ästhetischen Prozesse dieser Jahrzehnte eher als ‘das Ganze eines um 1830 einsetzenden und bis in die 1890er Jahre reichenden Wandlungsprozesses auf den verschiedensten Ebenen’7 verstehen. Eine solche Ebene aber ist das emanzipationspolitische Wirken von Autorinnen, und dieses begann nicht erst um 1830, sondern bereits in den Jahren um die Jahrhundertwende.
Die vorliegenden Beiträge untersuchen die spezifischen Dynamiken, die im Laufe dieses Vorgangs in den Jahrzehnten von 1800 bis etwa 1850 und darüber hinaus zur Entfaltung kamen. Dabei eröffnet sich ein Blick nicht nur auf das Schaffen einer Reihe aktivistischer Autorinnen mit großer Sichtbarkeit, sondern auch auf solche, die als engagierte Beobachterinnen mit größerer Zurückhaltung darauf hinwirkten, die Ereignisse des politischen Umbruchs mitzugestalten. Die Unterscheidung zwischen Engagement und Aktivismus ist im Kontext der soziokulturellen Veränderungen des 19. Jahrhunderts, zu denen auch ein Generationswechsel bei den besagten Schriftstellerinnen gehörte, aufschlussreich. Beide Konzepte können weder semantisch noch kulturhistorisch als identisch angesehen werden. Der Begriff des Engagements geht auf die Mitte des 19. Jahrhunderts zurück, als er mit dem immer deutlicheren und zielgerichteten Auftreten Einzelner im öffentlichen Raum, der Festigung ihrer sozialen Positionen sowie dem Einsatz des Individuums für den Staat verbunden war. Später wurde er hauptsächlich mit Aktivitäten organisierter Gruppen, mit der Mitgliedschaft in Vereinen oder Verbänden assoziiert, die oft nicht frei von nationalen Untertönen waren. Erst 1968/69 kam es zu einem neuen Verständnis von Engagement, das durch Formen des offenen Protests und den Willen zur Veränderung gekennzeichnet war.8 Zur Entstehung des Aktivismus trug auch der Erfolg europäischer Bürgerbewegungen bei, der als ‘bewusste Handlung zur Herbeiführung von Veränderungen in einem Teil der Gesellschaft’ definiert wird.9 Während Engagement also als Herstellung eines Verhältnisses zwischen Individuum und Gesellschaft gesehen wird, in dem letztere den Vorrang hat, stellt im Aktivismus das Individuum die Weichen für Veränderungen. Beiden Konzepten liegt der Glaube an die kausale Kraft des Handelns zugrunde, wenngleich es im Falle des Engagements eher um die Verwirklichung von Idealen für das Individuum und seine Selbstverwirklichung geht, während der Aktivismus das Ergreifen wirksamer Maßnahmen zur – oft utopischen10 – Veränderung eines Teils der Gesellschaft impliziert. Die Schriftstellerinnen um 1848/49 lassen sich beiden Entwicklungsrichtungen zuordnen: Einige ihrer Handlungen und Äußerungen sind durch Engagement und damit durch die Herausbildung von Weltanschauung und deren Ausdrucksformen gekennzeichnet, die eher im Rahmen privater Äußerungen, etwa Korrespondenzen, verbleiben und oft erst nachträglich rekonstruiert werden können. Andere Aktivitäten waren unmittelbar öffentlich und zielten auf die Verwirklichung von revolutionären Idealen ab. Aktivistische Frauen beschränkten sich insofern nicht darauf, Haltungen zu verbalisieren, sondern nahmen aktiv den Kampf um eine neue gesellschaftliche Ordnung auf. Renata Dampc-Jarosz geht in ihrem Beitrag zu Fanny Tarnow genauer auf diese Unterscheidung ein, um Tarnow im Zuge dessen gerade ausgehend von ihrem umfangreichen Briefwerk als Beispiel für eine engagierte Schriftstellerin zu deuten.
Ohnehin treten in diesem Lichte auch solche Schriftstellerinnen ins Blickfeld, die, wie Helmina von Chézy, Fanny Tarnow oder Amalia Schoppe, bereits vor 1800 geboren wurden und damit einer früheren Autorinnengeneration mit spezifischen Erfahrungen und Ansprüchen angehören. Es zeigt sich, dass diese ihr schriftstellerisches Wirken bereits mit großem Bewusstsein generationeller Dynamiken verstanden und aktiv auf eine Genealogie weiblichen Schreibens im Zeichen der Emanzipation hinwirkten. Im Zusammenhang dieser Genealogie sind zuletzt einige Schlüsselgemeinsamkeiten und Berührungen, aber auch Momente des Bruchs und der Erneuerung zu erkennen, die im Folgenden herausgearbeitet werden.
Dem revolutionären Aufschwung der 1840er Jahre ging die Arbeit vieler aktivistischer Demokratiekämpferinnen voraus, die, obwohl sie nicht die gleichen Rechte, den gleichen Status und die gleichen Wirkungsmöglichkeiten wie Männer besaßen,11 mithin ebenso entschlossen dafür eintraten. Zahlreiche Frauen nahmen in zum Teil sehr unterschiedlicher Weise am politisch-gesellschaftlichen Leben teil. In den unmittelbaren Wochen der Aufstände der Jahre 1848 und 1849 bauten sie Barrikaden, gründeten Vereine, beteiligten sich an Fahnenfesten oder waren schriftstellerisch aktiv, indem sie zur Feder griffen, literarische Werke veröffentlichten und sich journalistisch betätigten.12 Zu den Autorinnen, die in diesem Zusammenhang zu nennen sind, gehören neben Louise Otto-Peters (1819–95) und Fanny Lewald (1811–89), die sich in ihren Romanen für die Möglichkeit der Bildung und Berufstätigkeit für Frauen und gegen das Scheidungsverbot aussprach,13 auch Louise Aston (1814–71), die kompromisslos für die persönliche Freiheit und Selbstverwirklichung ihrer Zeitgenossinnen kämpfte,14 sowie Bettina von Arnim (1785–1859). Letztere stellte in ihren Werken Dies Buch gehört dem König (1843) und der sogenannten ‘Polen-Broschüre’ mit dem Titel An die aufgelöste Preußische National-Versammlung (1848) wichtige soziale und politische Fragen zur Debatte, mit denen sie die Machthaber zur Reflexion über die geschehenen Ungerechtigkeiten drängen wollte.15
Die genannten Autorinnen waren nicht die einzigen, die es in den Jahrzehnten vor und nach der Märzrevolution wagten, direkt oder indirekt den Bereich des öffentlichen Lebens zu betreten und somit die Schwelle des Privaten zum Politischen zu überschreiten.16 Doch die generalisierende Annahme, dass sich damals die meisten Frauen für diesen radikalen Schritt entschieden hätten, wäre irreführend. Ihre Lebenswege, Formen des Engagements und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben waren unterschiedlich und nicht immer revolutionär geprägt. Neben den vielen, zum Teil schon zu ihrer Zeit berühmt gewordenen Schriftstellerinnen lebten und wirkten auch Autorinnen, deren Engagement von diesem spektakulären Auftreten eher überschattet wurde. Sie wären größtenteils im Dunkel der Vergessenheit verschwunden, wenn es nicht in ihren Ego-Dokumenten, insbesondere ihren Briefen und Tagebüchern, festgehalten worden wäre. Auf diese besondere Rolle des autobiographischen Schreibens von Frauen um 1848/49 verweist Kerstin Wolff, wenn sie an die Briefe von Emma Herwegh (1817–1904), Amalie Struve (1824–62) oder Mathilde Franziska Anneke (1817–84) erinnert, deren ‘nachträgliche[] Berichte’ eine ‘besonders spannende Quelle’17 sind, welche die Revolutionsereignisse in ganz eigener Weise dokumentieren.
Mit der bereits erwähnten Bettina von Arnim, geboren noch im 18. Jahrhundert und damit eine Zeitgenossin der Napoleonischen Kriege und des politischen Umbruchs der Zeit um den Wiener Kongress, ist bereits eine Autorin genannt, deren zentraler Erfahrungshorizont und Werk eher auf die Epoche vor dem Vormärz zurückweisen. Sie äußerte sich nicht nur in anderen Gattungsformen als mehrere der hier genannten engagierten Autorinnen in den 1840er Jahren – allem voran im Medium des Briefs und des Briefromans –, sondern schrieb auch im Horizont eines divergierenden Verständnisses weiblicher Handlungsspielräume. Ihre Position ruft eine andere Gruppe schreibender Frauen auf, die sich vom revolutionären Geschehen – häufig auf Grund ihres (fortgeschrittenen) Alters – eher fernhielten, es aber mit verschiedenem Interesse und unterschiedlicher Intensität beobachteten, reflektierten und kommentierten. Zu ihnen zählt etwa Amalia Schoppe (1791–1858), die in den vorrevolutionären Jahren vor allem um ihre Stellung als Autorin und Publizistin im damals von Männern dominierten Feld der Presse und Literatur kämpfen musste, wie auch aus ihrer im vorliegenden Heft von Jadwiga Kita-Huber untersuchten Korrespondenz mit Helmina von Chézy hervorgeht. Ein anderes Beispiel ist die von Renata Dampc-Jarosz in den Fokus gerückte Fanny Tarnow (1779–1862), die zwar eine engagierte Autorin und Zeitgenossin der Revolution war, sich allerdings nicht als eine Aktivistin hervortat. Ihr Engagement blieb auf das Medium des Briefes und somit auf das Private beschränkt. Es bedeutete weniger eine konkrete politische Haltung oder Handlung, als vielmehr einen eher subjektiven Übergang vom Individuellen zum Allgemein-Gesellschaftlichen und damit schlechthin zum Bewusstsein, Mitglied eines Staates zu sein.
Eine interessante Erscheinung in diesem Panorama diverser Handlungsmodalitäten in den Jahrzehnten vor 1848 war auch Helmina von Chézy, eine Grenzgängerin zwischen Romantik und Revolutionszeit, die sich für die Verwirklichung ihrer Ideale auf vielen Gebieten gleichzeitig engagierte. Neben ihrer literarischen Aktivität setzte sie sich zeit ihres Lebens für soziale Reformen und die Demokratisierung einzelner Lebensbereiche, insbesondere für die Frauenemanzipation, ein. Mehrere Jahrzehnte lang verfasste sie publizistische und biographische Texte, die sie kulturell aktiven Frauen widmete und in denen sie sich u. a. für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in der Öffentlichkeit und die Anerkennung des schriftstellerischen Rangs von Autorinnen engagierte, wodurch sie einen eminenten Beitrag zur Frauenemanzipation in Deutschland leistete. Ein Kapitel für sich – und ein Verbindungsmoment zu Bettina von Arnim – ist ihre Bemühung um die Bekämpfung der Armut und des Elends, insbesondere um die Verbesserung der Situation von Arbeiter*innen in Fabriken und Werkstätten sowie allgemein der Lebenslage von Arbeiterfamilien.18 Chézys sozialpolitischer Einsatz äußerte sich darüber hinaus in der Beteiligung an Gerichtsprozessen und der Verteidigung politischer Staatsgegner sowie in ihrer karitativen Arbeit während der politischen Unruhen in den Jahren der Befreiungskriege 1813–16, als sie verwundete Soldaten ungeachtet ihrer Nationalität und Konfession in Hospitälern in Darmstadt, Köln und Mainz sowie an der deutsch-belgischen Grenze pflegte. Dieses Engagement wurde auch später noch einmal sehr deutlich, als sie sich im Frühjahr 1848 trotz ihrer Krankheit mit Georg Herwegh in Straßburg traf, ‘um ihn vor dem Aufmarsch der preußischen Truppen zu warnen und davon zu überzeugen, daß die Einführung der Demokratie in Deutschland nicht durch einen Import der französischen Revolution herbeigeführt werden dürfe’.19 Nach dem Scheitern der bewaffneten Kämpfe 1849 in Baden engagierte sich Chézy erneut, wie dreißig Jahre zuvor, für die Einrichtung eines Lazaretts für verwundete Aufständische. Für die öffentliche Thematisierung der unhaltbaren Zustände in den Hospitälern während der Befreiungskriege wurde sie gerichtlich verfolgt, angeklagt und zu einer Gefängnis- und Geldstrafe verurteilt, der sie u. a. dank des Einsatzes von E. T. A. Hoffmann entgehen konnte.20
Helmina von Chézy ist – durch ihre weit ausgebauten Netzwerke – noch in einer anderen Perspektive eine besonders interessante Schriftstellerin im Kontext der hier aufgeworfenen Fragestellung. Mit ihren Publikationen sowie ihren gesellschaftlichen und beruflichen Kontakten zu zahlreichen Akteur*innen des europäischen Kulturlebens, darunter explizit zu Frauen, war sie nicht nur eine Schriftstellerin des Umbruchs, sondern auch des Übergangs. Chézys Engagement für die Frauenemanzipation geht Jadwiga Kita-Huber in ihrem Beitrag nach, wobei sie insbesondere das weitgespannte Briefnetzwerk der Autorin genauer beleuchtet. Chézy verband und überwand in ihrem Schaffen verschiedene demokratisch-emanzipatorische Vorstellungen und generationelle Entwürfe. So setzte sie sich in ihrem Wirkungsbereich für Frauen verschiedener Generationen ein, wie die geplante Veröffentlichung der Werke ihrer Großmutter Anna Louise Karsch (1722–91) sowie ihr meist in Briefen stattfindender Dialog mit Autorinnen jüngerer Generationen zeigen, aber auch und vor allem ihr Bemühen, Schriftstellerinnen-Gruppierungen qua Generation durch die Hervorhebung ihrer Publikationen und Aktivitäten als Schreibende zu etablieren. Es darf denn auch nicht nur für Chézy, sondern für eine ganze Reihe von Schriftstellerinnen ihrer Zeit konstatiert werden, dass sie sich der noch kurzen Geschichte unabhängigen weiblichen Schreibens durchaus bewusst waren. Nicht nur das Werk Anna Louise Karschs, sondern auch das erstmals namentliche Hervortreten von Schriftstellerinnen im 18. Jahrhundert wie Louise Gottsched, Sophie Mereau oder Karoline von Günderrode konstituierten eine Traditionslinie, an die spätere Autorinnen anknüpften und von der sie – wie im Falle Chézys – durchaus zu profitieren wussten.
Im Vorwort ihrer Monographie zur Wissenschafts- und Kulturgeschichte der Generation sehen Ohad Parnes, Ulrike Vedder und Stefan Willer im modernen Konzept der Generation, wie es sich seit dem späten 18. Jahrhundert entwickelt hat, den ‘zentrale[n] Mechanismus der Sinnstiftung und Evidenzproduktion’.21 Der Begriff steht einerseits für den ‘Rhythmus eines natürlichen Reproduktionsgeschehens’ und andererseits für ‘die (Selbst-)Beschreibung synchron organisierter Altersgemeinschaften und gesellschaftlicher Gruppierungen mit identitätsstiftender Abgrenzung gegenüber anderen Jahrgangsgruppen’,22 hat also sowohl eine genealogische als auch eine gruppenbildende Perspektive. Beide Aspekte werden gerade um 1800 nebeneinander gestellt und kommen in verschiedenen Konstellationen zugleich zum Tragen.23 Allerdings geht es hier nicht um eine substanzielle Kategorie und somit darum, was eine Generation ist oder wann es sie gibt, sondern um die Beantwortung der Frage, ‘in welcher Weise und mit welchem Interesse [das] Vorhandensein [einer Generation] jeweils deklariert und konstruiert wird.’24 Genau diese Prozesse zeigen sich im Wirken mehrerer der hier behandelten Schriftstellerinnen, die zum einen der um 1780 geborenen, zum anderen der um und nach 1815 geborenen Generation zuzuordnen sind. Sie versuchten in je verschiedener Weise, sich vor dem Hintergrund der politik- und emanzipationsgeschichtlichen Ereignisse der sie prägenden Zeit sowohl diachron als auch synchron zu verorten. Ein Beispiel hierfür sind die Schriftstellerinnen Amalie Struve und Amalia Schoppe, welche auch generationelle Muster traditioneller Prägung wie die Mutter-Tochter-Relation für ihr generationelles Selbstverständnis nutzten. Interessant sind an diesen Prozessen insbesondere Spannungen und Uneinigkeiten bei dem gleichzeitigen ausdrücklichen Wunsch, eine Generation in Abgrenzung, aber auch in Anlehnung an die vorausgegangene Generation von Gleichgesinnten zu bilden. Wie Jadwiga Kita-Huber in ihrem Beitrag zeigt, war Helmina von Chézy dabei eine Schriftstellerin, die Bewegungen und Differenzen von mindestens drei Generationen in sich vereinte und überwand, indem sie sich unterschiedlicher Diskursstrategien bediente und auch fortschrittliche, ihr gänzlich neue Ideen entgegennahm.
Ein anderes, für lange Zeit in Vergessenheit geratenes Beispiel für das Wirken an einer generationellen Schnittstelle ist die Hamburger Schriftstellerin Rosa Maria Assing (1783–1840), die einen der wichtigsten literarischen Salons Norddeutschlands führte, einen Treffpunkt für verschiedene Generationen von Literat*innen.25 Wie Paweł Zarychta in seinem Beitrag zeigt, spielte Assing in dem bis 1840 aktiven Salon die Rolle einer Vermittlerin insbesondere zwischen der abgehenden Generation der Romantiker*innen und den dezidiert politisch engagierten Autor*innen des Vormärz, zu denen neben Karl Gutzkow vor allem Heinrich Heine zählte. Seit früher Jugend in erzieherischer Arbeit erfahren, schrieb sie später Gedichte, Novellen und Übersetzungen und hinterließ, genauso wie Helmina von Chézy, einen umfangreichen Nachlass in Form von Briefen, Tagebüchern, Aufzeichnungen und diversen literarischen Entwürfen. Rosa Maria Assing ist allerdings noch in einem anderen Sinn als Autorin bemerkenswert, und zwar als literarisch und gesellschaftlich aktive Mutter zweier Töchter, die sich ebenso literarisch, aber auch politisch im Kampf um Demokratie und Frauenemanzipation betätigten und von denen zumindest eine, Ludmilla Assing, das ‘männliche’ Gebiet der herausgeberischen Arbeit, die durchaus politisch und meinungsbildend war, erfolgreich erobern sollte. Man denke an ihre mutige und politisch motivierte Herausgabe des Briefwechsels zwischen ihrem Onkel Karl August Varnhagen und Alexander von Humboldt oder an ihre Weiterführung und gewichtige Erweiterung der Sammlung Varnhagens, einer der bedeutendsten Autographensammlungen des 19. Jahrhunderts in Europa.26 In dieser Situation handelt es sich also um eine wirkliche Mutter-Tochter-Beziehung als Grundlage für die intergenerationelle Kontinuität und Selbstsetzung. Denn auch das politisch-kritische Denken – später bei Ludmilla, aber auch bei Ottilie Assing stark ausgeprägt27 – wird bei Rosa Maria schon im Zwischenmenschlichen wie auch in ihrer Netzwerkpraxis sichtbar und quasi vorgeprägt. So wenn sie ihre Töchter 1835 auf eine lange Reise, auf der sie mehreren deutschen Dichtern Besuch abstattete, nach Paris mitnimmt, um den Autor der bereits erschienenen Französischen Zustände, Heinrich Heine, persönlich zu treffen. Auch in diesem Sinn gilt Rosa Maria Assing als ein Beispiel, insofern sie der jüngeren Generation engagierter Frauen in den 1830er und 1840er Jahren an der Schaltstelle generationeller Übergänge und Dynamiken Vorbild sein konnte. Die hier im Kontext der Familie Assing erwähnte Sammlung Varnhagen, die heute beinahe gänzlich in der Jagiellonen Bibliothek in Krakau aufbewahrt wird, gehört zu einem der roten Fäden, welche die in diesem Heft versammelten Beiträge von Jadwiga Kita-Huber, Renata Dampc-Jarosz und Paweł Zarychta miteinander verbinden. Denn sie alle entwickeln ihre Argumente auf der Grundlage von zum Teil bislang unveröffentlichten und unerforschten Handschriften aus dieser Sammlung.
Das Schaffen von Schriftstellerinnen wie Helmina von Chézy, Rosa Maria Assing, Fanny Tarnow, Amalia Schoppe, Caroline Pichler oder Therese Huber, die in ihrer Zeit zum Teil mit einer bemerkenswerten Produktivität und Sichtbarkeit auf dem Buchmarkt aktiv waren, erfährt in der Forschung gerade der letzten Jahre eine bemerkenswerte Aufmerksamkeit.28 Aus der Feder dieser und anderer Frauen, deren ebenso gender- wie literaturpolitisch zu deutende Positionierungen einen faszinierenden Schlüssel zu den in ihren zumeist fiktionalen Werken, aber auch umfangreichen Briefkorrespondenzen gespiegelten Lebenswelten der Zeit bieten, stammte ein beträchtlicher Teil der belletristischen Literatur um 1800. Weniger klar wird das literaturgeschichtliche Bild des Schreibens von Frauen dagegen in den Jahrzehnten der Politisierung nach 1830 sowie um 1848/49, die der Gegenstand des vorliegenden Bandes sind. Es handelte sich um zwei Jahrzehnte eines generationellen Übergangs, in denen einerseits noch einige Spätwerke der genannten Autorinnen entstanden, andererseits aber auch eine neue Generation von zumeist eminent politisch motivierten Schriftstellerinnen die Bühne der literarischen Öffentlichkeit betrat. Zu ihnen gehörten etwa Louise Mühlbach, Fanny Lewald, Louise Aston und die hier bereits erwähnten Amalie Struve und Louise Otto-Peters. Wie sich die ästhetischen ebenso wie literaturpolitischen Horizonte dieser beiden Generationen zueinander verhielten, ist bisher kaum erforscht worden. Daher will die vorliegende Auswahl an Beiträgen das ‘späte’ Schaffen der Generation um 1800 den unter neuen medialen, politischen und ästhetischen Vorzeichen entstandenen Schriften der ‘jungen’ Autorinnen um 1840 gegenüberstellen sowie deren realen wie literarischen bzw. literaturpolitischen Verflechtungen nachspüren. Mehreren dieser Autorinnen, wie Amalie Struve, Mathilde Franziska Anneke, Ottilie und Ludmilla Assing oder auch Amalia Schoppe, wurde die Erfahrung der Immigration zu teil, durch die sie mit anderen frauenemanzipatorischen Projekten in Berührung traten, an ihnen mitwirkten und sie weiter vermittelten. In den vorliegenden Beiträgen wird mithin dezidiert nach Momenten der Kontinuität und des Umbruchs in der schriftstellerischen Praxis von Frauen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gefragt, insbesondere nach 1830 und um 1848/49, sowie nach ihrer eigenen Reflexion dieses Übergangs. Hierzu gehört ganz explizit auch das Erkenntnisinteresse an der Art und Weise, in der die Pflege internationaler bzw. transkontinentaler Kontakte zum Selbstverständnis dieser Autorinnen beigetragen hat.29
Die Rede von unterschiedlichen Schriftstellerinnengenerationen zielt indes nicht nur darauf ab, eine Abgrenzung hervorzuheben. Vielmehr gilt es ebenso, Gemeinsamkeiten und Kontinuitäten zwischen den Generationen zu identifizieren, die sich paradoxerweise gerade auch aus den Divergenzen ergeben, wie es das oben zitierte Verständnis von Generationalität mit sich bringt. Wie Heide Thomann Tewarson für eine Reihe jüdischer Schriftsteller*innen bereits im Detail nachgewiesen hat, darf zunächst der Bezug auf die Ideale der Aufklärung als ein generationenübergreifendes Charakteristikum nicht nur der um 1800 und in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts geborenen, sondern auch der jüngeren, sich politisch positionierenden Schriftsteller*innen gelten. Noch Louise Aston, Louise Otto-Peters, Fanny Lewald und Amalie Struve schrieben im Bewusstsein der ‘allgemeine[n] Freiheitsidee, mit der die Emanzipation ihren Anfang genommen hatte’.30 Für viele von ihnen war zudem die von Frauen in den Salons um 1800 getragene, intellektuelle Geselligkeitskultur zu einem Erbe geworden, dessen kulturelles Gedächtnis zu wahren und dessen Praxis sie fortzusetzen suchten.31 So lässt sich eine weitere Traditionslinie von den Salons Rahel Levin Varnhagens und anderer Jüdinnen im Berlin der Jahrhundertwende zu den Gesellschaften im Hause von David und Rosa Maria Assing der 1840er Jahre nachzeichnen,32 die ihren Einfluss zudem auf die beiden Töchter Ludmilla und Ottilie ausübten. Auch die Kreise der ‘Berliner Freien’, in denen Louise Aston verkehrte – ein Umgang, der mitverantwortlich war für ihre Verweisung durch die Stadtbehörden –,33 sind als linkspolitische, antireligiöse und mithin antibürgerliche Variation dieses Vorbilds zu verstehen. Ähnlich verhielt es sich mit dem ‘Kommunistisch-ästhetischen Clübbchen’, in dem Mathilde Franziska Anneke 1847 verkehrte.34 Gemeinsam war diesen Geselligkeitsformen das Ideal einer soziale, geschlechterpolitische und ethnische Grenzziehungen transzendierenden Praxis, aus der sich zugleich Solidaritätsstrukturen, Freundschaften und Liebschaften entwickeln konnten. Damit sind zugleich die Themen in zahlreichen Romanen der Autorinnen beider Generationen benannt. Die eminente Bedeutung, die dabei der literarischen Reflexion von Liebes- und Standesverhältnissen zukommt, deutet zugleich auf das ihnen gemeinsam bleibende Verständnis von Literatur als Medium der Kritik soziopolitischer Zustände. Auch deshalb bleibt es bei der Untersuchung der hier in den Blick genommenen Literatur unumgänglich, ebenso von einem emphatischen Autor*innenbegriff auszugehen wie von der konstitutiven Verwobenheit von Literatur und historischer Lebenspraxis.35
Aston verweist damit explizit auf die Vorbildfunktion literarischer Figuren und den Möglichkeitsraum fiktionalen Schreibens, den sie nutzte, um ihrerseits neue Handlungsweisen für Frauen zu entwerfen, die sich – wie sie es, Berichten zufolge, selbst tat – anders kleideten, Zigarren rauchten, Männergesellschaften besuchten und selbst an Kampfhandlungen teilnahmen. Dass dies weder im realen Leben der Autorinnen noch in der Kritik ihrer Werke selbst von ähnlich gesinnten Schriftstellerinnen nicht unumstritten blieb, bezeugt die strenge Geste der Distanzierung, die etwa Louise Otto-Peters gegenüber Frauen wie Louise Aston vornahm. Zwar hegte auch Otto-Peters die Vision neuer Lebens- und Betätigungsfelder für die Frauen ihrer Zeit und war ihrerseits durchaus zum Bruch mit überlieferten Geschlechter- und Standesnormen bereit. Doch wichtiger als die in ihren Augen provokative Zurschaustellung der Emanzipation war für sie die Etablierung überregionaler Solidaritätsstrukturen unter Frauen mit ihrer Frauen-Zeitung, einer der ersten von einer Frau herausgegebenen und redaktionell betreuten überregionalen Zeitung.39
Die Schriftstellerinnen des Vormärz und der Revolution von 1848/49 knüpften insofern in vielfacher Weise an die Schreib- und Lebenspraktiken ihrer Vorgängerinnen an, doch es lassen sich ebenso deutliche Bruchstellen und Neuerungen erkennen. Es begann durchaus eine neue Ära frauenemanzipatorischer Bestrebungen, die – genauso wie in der Generation um 1800 – insbesondere von schreibenden und an sozialer Veränderung interessierten Frauen getragen wurden. Diese konnten im Vergleich zu ihren Vorgängerinnen häufig ihre Wirkungsbereiche als freiberufliche Schriftstellerinnen noch stärker ausweiten. Schriftstellerinnen wie Louise Aston, Louise Otto-Peters und Luise Mühlbach orientierten sich hierbei politisch und literarisch an den zu ihrer Zeit berühmt-berüchtigten Autoren des sogenannten ‘Jungen Deutschland’, aber auch – wie etwa insbesondere im Falle von Otto-Peters40 – an den politisierten österreichischen Dichtern der 1840er Jahre, die zugleich die literaturgeschichtliche Tendenz der Epoche prägten. Von dieser Orientierung zeugen bereits biographische Spuren, insofern etwa Luise Mühlbach mit dem linksliberalen Jungdeutschen Theodor Mundt verheiratet war. Auch Otto-Peters verkehrte – wie nicht anders Mathilde Franziska Anneke – in sozialistischen und oppositionellen Kreisen; persönlich bekannt war sie etwa mit Robert Blum.41 Eine derartige Integration in zumeist männlich dominierte politische Kreise, wie sie viele der jüngeren Autorinnen, die hier untersucht werden, erfuhren, war neu, auch wenn der Vergleich der Generationen zeigt, dass eine politische wie auch ästhetische Nähe zu den ‘jungdeutschen’ Schriftstellern bereits für eine Autorin wie Rosa Maria Assing eine Selbstverständlichkeit war. Schon früh holte sie etwa Heinrich Heine in ihren Salon und verteidigte sein Werk nicht zuletzt gegenüber dem konservativer gesinnten David Assur Assing.42
Ein tatsächlicher Bruch zeigt sich dann vor allem zwischen den in Europa verbliebenen Autorinnen und solchen, die nach 1850 in den Vereinigten Staaten einen Neuanfang gewagt hatten. Die Exilerfahrung als tief reichender lebensgeschichtlicher Einschnitt trug zur Erneuerung und Umwertung weiblicher Rollenbilder und dem bisher etablierten Umgang mit ihnen – auch in der Literatur und Presse – bei. Hier sind Schriftstellerinnen zu nennen, die nach der Revolution aus politischen Gründen Deutschland verlassen mussten, und insbesondere in die Vereinigten Staaten auswanderten, wo sie ihre Ideale und den Kampf um Demokratisierung und Frauenrechte unter neuen politischen Vorzeichen weiterführen konnten. Ein eindrückliches Beispiel ist die radikaldemokratische Ansichten vertretende Amalie Struve, die mit ihrem Mann Gustav Struve nach dem Scheitern der badischen Aufstände über England in die Vereinigten Staaten auswanderte und dort ihre literarischen und demokratisch-emanzipatorischen Ideale in einer für sie neuen sozialen und politischen Lage weiterentwickelte.43 Aus ihren in der Presse und in Zeitschriften veröffentlichten Texten zum Thema der Gleichberechtigung von Mann und Frau, des Frauenstimmrechts, aber auch der Frauen- und Mädchenbildung sowie aus ihrer Korrespondenz mit anderen Schriftstellerinnen geht hervor, dass sie Positionen vertrat, die in ihrem Heimatland nicht möglich gewesen wären.44 Die Neuerung in der Betrachtung der Frauenfrage war bei ihr also geopolitisch bedingt und gründete auf einem – wenngleich ungewollten, so doch nicht wegzuleugnenden – Bruch mit der europäischen, in diesem Fall deutschen, Herangehensweise an das Thema der Frauenrechte und der Frauenemanzipation. Wie etwa ihr Briefwechsel mit Helmina von Chézy belegt, waren die neuartigen Elemente in ihrer Essayistik und in ihrem Engagement für Frauenrechte an ein immer wieder in Szene gesetztes Bedürfnis nach Kontinuität und intergenerationeller Selbstfindung gebunden.
Ein weiterer Bruch kündigt sich mit der Generation Amalie Struves auch – zumindest auf den ersten Blick – im Feld des Ästhetischen und der Schreibweisen an, die publizistischer aber auch im Modus des politischen Appells engagierter und realitätsnaher werden. Vor allem traten viele jüngere Autorinnen verstärkt journalistisch hervor, etwa durch die erfolgreiche Gründung eigener Zeitungen wie Louise Otto-Peters’ Frauen-Zeitung oder Louise Astons Freischärler. Briefroman und Reisebeschreibung waren für sie nicht mehr die dominanten Genres, wenngleich der Roman für Schriftstellerinnen wie Luise Mühlbach oder Amalie Struve die zentrale Form blieb. Wie auch bei vielen männlichen Autoren des Vormärz nahm dagegen die politische Lyrik an Bedeutung zu, für die sich eindrückliche – oft zugleich biographisch geprägte – Beispiele im Werk von Otto-Peters, Aston und anderen finden lassen. Es darf zu den allgemeinen Entwicklungen der Epoche gezählt werden, dass nun zugunsten der Tagesaktualität der sogenannten Tendenzschriftstellerei einige Formen und Themen der Romantik wie das Märchen und religiöse Schwärmereien in den Hintergrund traten. Dennoch wäre es zu vereinfachend, von der Vorstellung einer eindeutigen Ablösung der Romantik durch Schreibformen des Realismus auszugehen. Eine solche Entwicklung mag etwa noch im Werk Fanny Lewalds in seiner Gänze nachvollziehbar sein,45 sie gilt aber keineswegs für alle hier untersuchten Schriftstellerinnen. Hierfür gibt es mindestens zwei starke Gründe: Einmal die Tatsache, dass viele der älteren Schriftstellerinnen, deren Werk und Wirken bis in die 1840er Jahre reichten, nicht aber in nennenswerter Weise darüber hinaus, sich der neuen Schule des Realismus, wie er die zweite Hälfte des 19. Jahrhundert prägen sollte, nicht verpflichtet sahen und schlicht ihrer etablierten Schreibweise verbunden blieben. Diese aber stand zumeist im Zeichen der Aufklärung und der Romantik oder aber am Übergang zum sozial-politisch informierten und literaturemanzipatorischen Engagement des Vormärz. Zum anderen aber ist auch eine ganz gegenteilige Situation gerade bei den jüngeren Autorinnen zu beobachten, für welche die gescheiterte Revolution von 1848/49 eine derart einschneidende Zäsur bedeutete, dass sie entweder – wie Louise Aston – gänzlich mit dem Schreiben aufhörten oder – wie Amalie Struve nicht zuletzt durch ihren Gang ins amerikanische Exil – einen deutlichen Bruch mit den europäischen Schreibtraditionen vollzogen.46
In diesem Zusammenhang ist das von Andree Michaelis-König und Marek Krisch in ihren Beiträgen genauer untersuchte Beispiel Louise Astons besonders aufschlussreich, insofern sich an ihrem relativ kleinen Werk deutlich machen lässt, wie schwer es fällt, ihr Schreiben als das einer feministischen Schriftstellerin par excellence über einen Kamm zu scheren. Aston bediente alle gängigen Literaturformen der 1840er: Sie begann mit Gedichten, schrieb drei Romane, die sie programmatisch an ihre eigene Lebenserfahrung band, verfasste eine politische Rechtfertigungsschrift und gab eine eigene Zeitschrift heraus. Allein Dramen verfasste sie keine, wie die meisten Schriftstellerinnen der Zeit, sieht man etwa von solch prominenten Beispielen wie Helmina von Chézys Opernlibretti oder Caroline Pichlers und Charlotte Birch-Pfeiffers Theaterstücken ab. In ihrer Lyrik wie in ihrer Prosa knüpfte Aston an Themen, Formkonzepte und Schreibweisen sowohl aus der Übergangszeit von Aufklärung zu Romantik, in der etwa auch das Werk Heinrich von Kleists zu situieren ist,47 als auch der politischen Literatur des Jungen Deutschland an. Von Realismus dagegen ist bei ihr noch keine Spur zu bemerken, es sei denn, man möchte den Bezug auf reale weibliche Lebenserfahrung dieser eigentlich erst nach 1855 sich etablierenden Schule zusprechen.
Die literarische Praxis der untersuchten Schriftstellerinnen zeichnet sich durch eine bemerkenswerte Vielfalt aus. Die Gedanken des Bruchs und der Erneuerung sind ihr in den 1840er Jahren mehrfach eingeschrieben, und doch oszillieren viele ihrer Werke zumeist zwischen den Polen der Fortsetzung einer dezidiert weiblichen und in mancher Hinsicht noch dem 18. Jahrhundert verbundenen Schreibtradition einerseits und der radikalen Innovation, die den Zeitgeist der Gegenwart geprägt hat, andererseits. So gestaltete etwa Louise Otto-Peters ihre Gedichte zu einem Schauplatz für die Dichotomien von Alt und Neu, Vergangenheit und Zukunft, ohne sich für eine der Seiten eindeutig aussprechen zu wollen. In der lyrischen Inszenierung des gesellschaftlich-industriellen Umbruchs werden dabei auch feministische Aspekte deutlich, die auf die veränderte Situation der Frau nach der Revolution von 1848/49 und im Laufe der Industriellen Revolution rekurrieren. Wie der Beitrag von Alexandra Huth zeigt, werden sie in ihren poetischen Werken zwar nicht als eindeutige politische Postulate formuliert, bleiben aber nichtsdestotrotz unübersehbar in ihrer bildlichen Prägnanz. Gerade bei Otto-Peters, aber nicht minder bei Louise Aston, zeigt sich dabei in ihrem Engagement für brennende politisch-soziale Themen ein gemeinsamer Nenner für nahezu alle in den Beiträgen behandelten Autorinnen des Vormärz. Hierzu zählt insbesondere eine Hinwendung zur Situation der immer sichtbarer hervortretenden Arbeiter*innen-Schicht, die bereits in Chézys publizistischen und poetischen Texten aus den ersten Dezennien des 19. Jahrhunderts prominent war. In einer Perspektive, die sich heute als intersektional kennzeichnen lässt,48 sahen die Autorinnen, dass Emanzipation und Freiheitskampf nicht befriedigend als Sache allein einer singulären Interessengruppe erfasst werden könnten. In ihren Werken suchten sie daher immer wieder den Vergleich mit der Situation des Proletariats – zum Teil auch mit der der um Emanzipation ringenden Jüdinnen und Juden49 –, für die sie sich in ihren Texten einsetzten und mit denen sie in ihrem eigenen Kampf um Gleichberechtigung und soziale Anerkennung einen Schulterschluss suchten. Gerade diese Art des Engagements stellt eine der markantesten Verbindungen zu der Generation um 1800 dar – eine intergenerationelle, sich durch Umbrüche und Wechselwirkungen auszeichnende Kontinuität im Umgang mit der Außenwelt und ihren Defiziten.
Ein letztes, wichtiges Vergleichsmoment der Generation um 1800 zur unmittelbaren Schriftstellerinnengeneration des Vormärz ist die literarische Weiterentwicklung von Genderrollen und dem damit einhergehenden Verständnis des Geschlechterverhältnisses. Es wurde bereits hervorgehoben, dass die jüngeren Autorinnen durch Scheidungsrecht und Zeitgeist andere Möglichkeiten der Verselbstständigung in Anspruch zu nehmen vermochten. Vor allem erweiterten sie in ihren Texten nochmals deutlich den Handlungs- und Repräsentationsrahmen von Genderidentitäten. So sind etwa in den Romanen Luise Mühlbachs Figuren zu entdecken, die sich in faszinierender Weise von den damals herrschenden Weiblichkeitsvorstellungen ebenso distanzieren wie von Männlichkeitsvorstellungen. Ein Beispiel hierfür, das der Beitrag von Magdalena Popławska weiterführend kontextualisiert, ist die Schauspielerinnenfigur der Emilie Minden in Mühlbachs Roman Die Künstlerin von 1839, die zwischen den Geschlechtern zu stehen scheint und als eine frühe Variante nicht-binären Genders deutbar wird. Ähnliches gilt für die Figur der Leonore in Mühlbachs Novelle Liebe und Ehe von 1844. Dabei ist es sicher kein Zufall, dass beide Figuren bei Mühlbach im Schauspiel- und Künstler*innenmilieu situiert sind, in dem eine Performanz divergierender Genderrollen plausibel zu integrieren war. Weiter ging wiederum Louise Aston, und es ist kein Zufall, dass in den hier vorgelegten Beiträgen von Popławska und Michaelis-König zu diesen beiden Autorinnen die literarischen Inszenierungsformen in den Fokus gerückt werden, nicht die biographischen Zusammenhänge, welche die Forschung allzu oft zu einer eher starren Festlegung des Schreibens dieser Autorinnen auf bestimmte soziale Rollen verleitet hat, die sich in Frage zu stellen lohnt. So entwarf Louise Aston mit ihrer Alice von Rosen nicht nur eine gar werkübergreifende Frauenfigur, die eindeutig-binäre Gendervorstellungen aktiv in Frage stellt. Alice agiert auch jenseits der ‘anderen Orte’ (Foucault) des Theaters. Sie betritt – mal im Männer-, mal im Frauengewand – nahezu alle Schauplätze der Romanhandlung, seien es die Salons der höheren Gesellschaft oder sei es die Kellerkneipe des revolutionären Widerstands. Damit aber wird literarisch in Szene gesetzt, was für viele Autorinnen um 1800 noch ein allzu großes Wagnis, für die nach Amerika ausgewanderten Exilantinnen dagegen bereits Lebenswirklichkeit geworden sein dürfte. So zeigt sich gerade am Beispiel von Genderperformanzen, wie sehr der deutsche Vormärz als Phase des Umbruchs zugleich als eine Geschichte vielschichtiger Entwicklungen zu deuten ist.
期刊介绍:
- German Life and Letters was founded in 1936 by the distinguished British Germanist L.A. Willoughby and the publisher Basil Blackwell. In its first number the journal described its aim as "engagement with German culture in its widest aspects: its history, literature, religion, music, art; with German life in general". German LIfe and Letters has continued over the decades to observe its founding principles of providing an international and interdisciplinary forum for scholarly analysis of German culture past and present. The journal appears four times a year, and a typical number contains around eight articles of between six and eight thousand words each.